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DIHK plädiert für moderate Lohnsteigerungen

Der Unternehmerdachverband DIHK mahnt eine moderate Lohnpolitik in Deutschland an. Diese habe sich in den vergangenen Jahren bewährt, sagt Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Zugleich schätzt er die Wachstumsaussichten der deutschen Wirtschaft optimistischer ein als die Bundesregierung. "Wir sagen 0,7 Prozent", so Wansleben.

Martin Wansleben im Gespräch mit Doris Simon |
    Doris Simon: Ursprünglich war die Bundesregierung von einem Wirtschaftswachstum von einem Prozent für dieses Jahr ausgegangen. Jetzt hat sie diese Prognose im Jahreswirtschaftsbericht auf 0,4 Prozent reduziert. Wirtschaftsminister Rösler hat aber gleich hinzugefügt, es werde bereits nach dem Winterhalbjahr wieder nach oben gehen, es gebe allen Grund zur Zuversicht. – Am Telefon ist jetzt Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Schönen guten Morgen!

    Martin Wansleben: Guten Morgen, Frau Simon!

    Simon: Herr Wansleben, teilen Sie beim DIHK diese optimistische Sicht für 2013?

    Wansleben: Herr Rösler sagt ja, 0,4 Prozent Wachstum für dieses Jahr; wir sagen 0,7. Wir haben aber eine ähnliche Vorstellung wie die Bundesregierung, nämlich im letzten Quartal 2012 ein wirklicher Rückschlag, und bei minus 0,4 etwa erwarten wir dafür aber im Laufe dieses Jahres dann doch eine Besserung.

    Simon: Was bringt Sie denn zu dieser günstigen Einschätzung, Herr Wansleben?

    Wansleben: Ich meine, es gibt natürlich die Unsicherheit, um damit anzufangen. Da brauchen wir gar nicht drum herumzureden. Europa ist nach wie vor eine Herausforderung, wenngleich wir auch hier, selbst in Griechenland, erste Anzeichen sehen, dass es wirklich besser wird. Das heißt also, auch die Maßnahmen fangen langsam an zu greifen. Besser wird es oder gar nicht so schlecht ist es außerhalb Europas. Die deutsche Wirtschaft hat da, wenn Sie so wollen, Glück oder das Glück des Tüchtigen, dass wir gut präsent sind in den USA, wieder in China, in Mexiko, in Russland. Das heißt also, wir haben nach wie vor Kunden, die sehr wohl gut kaufen. Wir haben aber ein zurückhaltenderes Geschäft bei unseren EU-Nachbarn. Aber auch da ist es nicht so, dass es völlig weg bricht. Deswegen sagen wir, wir haben Grund, genauso wie Herr Rösler das sagt, davon auszugehen, dass es besser wird im Laufe des Jahres, und wir sehen gar nicht so pessimistisch auf das Ende des Jahres, oder auch auf 2014.

    Simon: Wir haben ja eingangs in unserer eigenen Collage ein paar Stimmen gehört, die ganz anders klingen, darunter zum Beispiel auch von den Arbeitgeberverbänden. Die mahnen ja, man müsse sich auf Konjunkturabkühlung vorbereiten. Sind das alles Schwarzseher?

    Wansleben: Na ja, was heißt auf Konjunkturrückschläge vorbereiten? Die Ratio von Überlegungen, zum Beispiel die Grundlagen für eine schnelle Ausweitung des Kurzarbeitergeldes zu legen, ist ja nicht, dass wir jetzt Angst haben, die Krise kommt, sondern ist, dass wir den Unternehmen signalisieren, wir wissen, dass es Unsicherheiten gibt, dafür sind wir gut vorbereitet, deswegen müsst ihr jetzt nicht mit angezogener Handbremse operieren. Das ist da die Idee des Dings. Und ich glaube, dass wir neben den Schlagzeilen, wo es in der Tat schwierig ist – Sie nannten ja auch das Beispiel Kfz-Industrie in Europa, aber hier muss man ja auch schon betonen, in Europa und nicht in der Welt. Wenn Sie in den IT-Bereich gucken, Unternehmensberatung, Werbung, Marktforschung: Es gibt ja inzwischen auch eine Fülle von Unternehmen, die in Entwicklung und Forschung Dienstleistungen anbieten. Dort sind überall die Weichen auf Einstellung bis hin zur Gastronomie und Gesundheitswirtschaft.

    Simon: Herr Wansleben, Sie nannten eben selber die Schuldenkrise und den dadurch auch zurückgegangenen und zurückgehenden Absatz von vielen deutschen Unternehmen in Euroländern. Das ist ja ein ganz wichtiger Markt. Das ist das eine Problem. Was ist denn mit dieser Entwicklung, die man überspitzt so als "Europa leidet, Deutschland geht es gut" zusammenfassen könnte, dieses Auseinanderfallen der Eurozone? Ist das nicht etwas, was auch Ihnen schwere Sorgen machen müsste?

    Wansleben: Im Moment sehen wir ja, dass die Länder oder die Krisenländer, also Griechenland, Italien, Portugal, Irland, Spanien, dass die auf dem Weg einer Besserung sind. Also im Moment sehen wir, dass es nicht auseinanderfällt.

    Simon: Das sagten Sie. Aber die Menschen fühlen das da noch nicht, das kommt dann erst später, oder?

    Wansleben: Ja, das ist gar keine Frage. Aber wir lösen das Problem des Auseinanderfallens, wenn wir das jetzt mal so aufgreifen wollen, wie Sie das formulieren, nicht, indem Deutschland schlechter wird, sondern wir lösen es nur, indem alle anderen besser werden. Und ich glaube, dass hier in den letzten Jahren in Europa ein sehr interessanter Mix an unterschiedlichen Ansätzen gefunden worden ist. Wir haben einmal, um hinten anzufangen, die Notfall- oder die Rückfallposition, die die EZB formuliert hat, mit allen Risiken, die damit verbunden sind. Wir haben die Rettungsschirme. Aber ganz wichtig als Offensivinstrument zum Beispiel die Fiskalunion, wo wir sagen, Disziplin bei den Ausgaben, aber dann auch ganz klar sagen, mehr Wettbewerbsfähigkeit und wir achten stärker aufeinander. Und wenn Sie sich die Bevölkerungswanderung angucken – in Europa ist das ja auch ganz interessant -, dass Europa zunehmend als einheitlicher Lebensraum zusammenwächst, und es ist ja gar nicht verkehrt, zum Beispiel wenn es in Griechenland auf Dauer nicht viel besser wird, wenn Menschen dann in andere Teile Europas wandern und dann meinetwegen in Urlaub nach Griechenland fahren, also eine neue Arbeitsteilung, wenn Sie so wollen, entsteht. Ich glaube nicht, dass Europa jetzt das Schicksal hat, auseinanderzufallen, sondern ich glaube, dass Europa sehr wohl die Chance hat, am Ende da auch ganz gut wieder herauszukommen.

    Simon: Wenn wir noch mal nach Deutschland schauen, Nachfrage und Konsum dort. Wie sehen Sie das für dieses Jahr für die Löhne? Die müssten dann ja mal nach einigen Jahren doch wieder kräftig steigen.

    Wansleben: Na ja, wir haben ja eine ganz gute Erfahrung damit, dass die Löhne moderat steigen, denn unsere Firmen müssen ja nicht nur in Deutschland auf den Märkten oder auf dem Markt im Wettbewerb eine gute Position einnehmen, sondern weltweit. Und da zögert nicht der Wettbewerb, auch preislich hart ranzugehen. Ich glaube nicht, dass wir ein Nachfrageproblem haben, sondern wir haben das Verunsicherungsproblem. Sie nannten das Thema Eurokrise. Wir haben nach wie vor das Thema Energiewende. Ich glaube, wir haben nach wie vor auch die Herausforderung, eine mittelfristige Position einzunehmen beim Thema Konsolidierung der Haushalte. Was da im Moment abläuft, also eher so überzogene Diskussionen in Richtung Neid, in Richtung Vermögenssteuer, in Richtung Erbschaftssteuer, die Reichen sollen jetzt endlich mal zahlen, das ist das, was wir nicht brauchen, sondern wir brauchen schon eine klarere Perspektive. Die Löhne sind im letzten Jahr sehr, sehr gut gestiegen. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, eine vernünftige Lohnpolitik auch in den nächsten Jahren fortzufahren.

    Simon: Das heißt, Sie glauben gar nicht, dass es den Deutschen an Geld fehlt, um es auszugeben, das sei nicht das Problem?

    Wansleben: Nein, das ist nicht das Problem, sondern das Problem ist die Verunsicherung, die da ist. Wir sehen das zum Beispiel an den Investitionsplänen der Unternehmen. Die sind noch ein bisschen zurückhaltend, weil man in der Tat ja nicht richtig weiß, was kommt. Selbst wenn man Optimist ist, so wie ich das hier zum Ausdruck bringe, muss man natürlich konzedieren: es gibt noch Risiken, wenngleich wir schon Anlässe haben, davon auszugehen, dass die Risiken geringer werden.

    Simon: Das war Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Herr Wansleben, vielen Dank!

    Wansleben: Ja bitte sehr, Frau Simon.

    Simon: Auf Wiederhören!


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