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Direkte Konfrontation mit den Porträtierten

70 Arbeiten aus den letzten 20 Jahren umfasst die Retrospektive auf die niederländische Fotografin Rineke Dijkstra im Guggenheim Museum. Sie habe nie etwas anderes als Menschen, hauptsächlich junge Menschen fotografieren wollen. Außerdem sind noch fünf Videos zu sehen, von denen "The Buzz Club" zu den bekanntesten gehört.

Von Sacha Verna |
    Teenager am Strand. Mütter kurz nach der Geburt mit dem Neugeborenen im Arm. Frisch rekrutierte israelische Soldatinnen und Soldaten in Zivil und in Uniform. Die meisten der Porträtierten sind in Farbe, auf Hochglanzpapier und in ungefährer Lebensgrösse abgebildet:

    "Die Fotografierten schauen direkt in Rineke Dijkstras Kamera. Wir als Betrachter des Fotos befinden uns in derselben Position wie die Künstlerin und werden so direkt mit den Figuren konfrontiert wie sie","

    sagt die Kuratorin Jennifer Blessing. Rineke Dijkstra selber erklärt.

    ""Ihr liege viel daran, eine Beziehung zu den Leuten vor ihrer Kamera aufzubauen, so wie dies ihre Lieblingsfotografin Diane Arbus getan habe."

    70 Arbeiten aus den letzten 20 Jahren umfasst die von Jennifer Blessing im Guggenheim Museum organisierte Retrospektive auf die Holländerin. Hinzu kommen fünf Videos, von denen "The Buzz Club" zu den bekanntesten gehört. Dafür hat Dijkstra Mitte der 90er-Jahre die jugendlichen Stammgäste eines Liverpooler Nachtklubs zu Musik beim Tanzen, Trinken und Schmusen aufgenommen, vor weißem Hintergrund. Sie habe nie etwas anderes als Menschen, hauptsächlich junge Menschen fotografieren wollen, sagt die heute 53-Jährige:

    "Ich möchte etwas aus dem Leben nehmen und es isolieren, so dass man es mit anderen Augen sieht. Es geht immer um einen Blick oder um eine Pose, um einen Menschen und wie man ihn sieht. Ich füge meinen Fotos nichts hinzu, ich manipuliere sie nicht. Ich will eine Geschichte erzählen, aber damit lediglich eine Richtung vorgeben, auf einer fast schon abstrakten Ebene. Jeder Betrachter soll daraus seine eigene Geschichte machen können."

    Rineke Dijkstra arbeitet in Serien, die manchmal über Jahre hinweg entstehen. Almerisa zum Beispiel war ein bosnisches Mädchen, das sie erstmals 1994 in einem Flüchtlingsheim in Leiden fotografierte und dann immer wieder, bis Almerisa zur Holländerin und Mutter geworden war.

    Dijkstras Sujets befinden sich stets in Momenten des Übergangs oder kurz vor oder nach intensiven Erfahrungen. Stierkämpfer unmittelbar nach dem Kampf. Ein Franzose namens Olivier beim Eintritt in die Fremdenlegion und im Lauf seiner Karriere.

    Rineke Dijkstra sei eine Art Dokumentarfotografin, sagt Jennifer Blessing. Dijkstra suche nach dem, was ihr in einem Menschen natürlich erscheine, und das halte sie fest.

    Bild um Bild gerahmter Natürlichkeit präsentiert diese Ausstellung. Suggeriert werden intime Augenblicke mit Halbwüchsigen im Park oder mit Schulkindern beim Betrachten von Kunst in einem Museum. Die Metaebene ist immer inbegriffen. Schade, dass diese inszenierte Authentizität mit Kunsteffekt einem dann doch nur als aufgeblasenes Familienalbum in Erinnerung bleibt.