Bettina Klein: Beim Blick auf die Geschichte kann man eines festhalten: Unsere Welt verändert sich nur, weil es Menschen gibt, die daran glauben und die eine Vision davon haben, dass die Zukunft anders, besser aussehen könnte. Sie werden verlacht, verfolgt und manchmal bezahlen sie mit ihrem Leben - so wie vor genau 40 Jahren der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King. Und manchmal, erst Jahrzehnte später bemerkt die Welt, was ihr Traum eigentlich bewirkt hat: zum Beispiel den ersten Präsidentschaftsbewerber mit farbiger Haut und realen Chancen, im Weißen Haus zu regieren. Am 4. April 1968 wurde Martin Luther King ermordet. Wir wollen den Blick auf die Gegenwart richten. Christopher Garret ist Politikwissenschaftler aus den USA. Er arbeitet an der Universität Leipzig und wir sind jetzt mit ihm am Telefon verbunden. Ich grüße Sie, Mr. Garret!
Christopher Garret: Schönen guten Tag!
Bettina: Dass es Fortschritte in Fragen der Gleichberechtigung zwischen Schwarzen und Weißen gegeben hat im Vergleich zu den sechziger Jahren, das ist offensichtlich. Aber wie stark wirken die Klischees, wirken Misstrauen und Benachteiligung heute noch, 40 Jahre nach der Aufhebung der Rassentrennung, 40 Jahre nach Luther Kings Ermordung in den USA?
Garret: Diskriminierung gibt es allerdings immer noch in den USA. Das ist überall zu erfahren. Gerade unter den Schwarzen hört man die Debatte zur Diskriminierung und es wird gesagt, es gibt eine wirklich harte Diskriminierung, wirklich absichtliche Diskriminierung.
Klein: Worin besteht diese Diskriminierung heute?
Garret: Heute redet man eher von sogenannter weicher Diskriminierung. Das heißt, es geht meistens um Sprache, Tendenzen und nicht Förderung von bestimmten Leuten, diese Art von Missverständnis, Leute die wirklich nicht die gleichen Chancen bekommen als andere, manchmal Weiße, aber manchmal auch aus anderen Ecken der Gesellschaft, zum Beispiel asiatische Amerikaner, die schneller nach vorne kommen.
Klein: Aber es gibt auch Förderprogramme. Es gibt die Entstehung einer schwarzen Mittelschicht und es gibt Vorbilder auf höchster politischer Ebene. Also, es muss sich einiges ja verbessert haben?
Garret: Auf alle Fälle! Ich möchte Diskriminierung nicht zu viel betonen im Sinne wie Sie vorhin sagten, die Lage wäre ähnlich wie in den sechziger Jahren. Wir haben wirklich sehr große Schritte gemacht. Sie haben es erwähnt. Die große schwarze Mittelschicht, die immer noch sehr schnell wächst. Also, Machtpositionen in der Politik, in der Kultur - in der Kultur geht es nicht nur um Produktion von Kultur, sondern wirklich Führung von Kultur, Machtpositionen in der Gesellschaft insgesamt, bei Zeitungen zum Beispiel, Redakteure - überall in der Gesellschaft, in der Bildung, an Universitäten zum Beispiel, da sehen wir viel mehr schwarze Amerikaner zurzeit, die Machtpositionen haben, als vor 40 Jahren. Und noch einmal, die Wirtschaftskraft hat sich massiv gesteigert.
Wo es wirklich schwierig ist, das ist für diejenigen, die noch nicht in der Mittelschicht sind. Die sind manchmal ausgegrenzt. Das hängt davon ab, wo die wohnen zum Beispiel, Ausbildungsmöglichkeiten immer noch und manche beklagen, sogar diejenigen, die in der Mittelschicht sind: Die kommen wirklich nicht ganz nach vorne, weil da sind die Tendenzen immer noch zu spüren: Weiße Menschen in diesen Positionen befürworten weiße Menschen. Das ist aber sehr schwierig nachzuweisen.
Klein: Einwanderer aus muslimischen Staaten gelten in den Vereinigten Staaten von Amerika als sehr gut integriert, anders als in Deutschland zum Beispiel. Bei der schwarzen Minderheit sieht das immer noch anders aus. Wirkt die Geschichte, die ja auch eine der Sklaverei war, da immer noch nach?
Garret: Die wirkt immer noch nach. Das hörten wir zum Beispiel in der Rede von Barack Obama vor einigen Tagen in Philadelphia zur Rassendiskriminierung, zur Rassenpolitik in den USA. Das ist allerdings der Fall. Also es gibt eine große Debatte innerhalb der schwarzen Gemeinde in den USA, und da sind die Meinungen sehr geteilt. Woran liegt das, dass - wie Sie es erwähnten - zum Beispiel muslimische Amerikaner insgesamt viel schneller integriert sind und nach vorne kommen, zur Mittelschicht gehören? Und nicht nur das!
Unter den Latinos zum Beispiel: Die schnellst wachsende Mittelschicht in den USA sind zurzeit die Latinos. Worauf ist das zurückzuführen? Es gibt einige Thesen, dass zum Beispiel Familiensoziologie da etwa eine große Rolle spielt. Familien sind intakter unter Muslimen in den USA, unter Latinos in den USA. Andere argumentieren, es hat maßgeblich damit zu tun, wo man wohnt. Also, bestimmte Gemeinden sind einfach strukturell benachteiligt. Es gibt also verschiedene Meinungen. Sklaverei spielt immer noch eine große Rolle. Das hat Barack Obama direkt angesprochen in seiner Rede in Philadelphia zum Beispiel.
Klein: Er hat ja bis vor wenigen Tagen, muss man ja fast sagen, versucht, selbst die Rassenfrage aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Es ist ihm nicht gelungen, offensichtlich, weil es noch ein Thema war. Besteht die Gefahr, dass er daran noch scheitert?
Garret: Ich denke, wir haben mit dieser Rede ein neues Kapitel in dieser Wahlsaison aufgeschlagen. Das heißt, es nicht mehr zu vermeiden, aber es wird nicht mehr wie vorher diskutiert und debattiert. Das heißt, sein Plädoyer in dieser Rede, viel offener, ohne Klischees, ohne politische Korrektheit über Rassenpolitik zu reden, ich denke dieses Plädoyer ist sehr gut unter den Wählern angekommen und sogar unter den anderen Kandidaten. Wir müssen abwarten, wie das wirklich taktisch weitergeführt wird, zum Beispiel unter den Republikanern: Werden die versuchen, geschickt so ein bisschen weiße Befürchtungen gegenüber Schwarzen aufzuheizen? Da müssen wir abwarten. Aber ich denke das Land ist insgesamt sehr dafür bereit, diese Debatte, diese Diskussion, wofür Obama plädiert, wirklich zu halten und durchzuführen.
Klein: Obamas Bekenntnis zum christlichen Glauben und sein starkes Plädoyer für Versöhnung, auch seine eigenen sehr unterschiedlichen Wurzeln in seiner eigenen Familie, das wird alles als charakteristischer Unterschied zu früheren farbigen Bewerbern bezeichnet. Hat er eine Strahlkraft, die auf die heutige Zeit übertragen mit jener von Luther Kings damals vergleichbar ist?
Garret: Ich denke schon. Im Hintergrundbericht, der ausgestrahlt wurde in dieser Sendung, hörte man die Melodie in der Rede von Martin Luther King und das hat Obama auf alle Fälle drauf. Das hört man tagaus, tagein in dieser Campagnen-Saison - bei normalen Veranstaltungen, wo er Reden hält oder einfach mit den Wählern redet. Es gibt diese Melodie. Es gibt diese Verbindung mit den Wählern dadurch und das sehen wir sogar in den Umfragen.
Er kommt deutlich besser bei den Wählern in diesem Sinne an. In der Politik spielt das natürlich eine Rolle. Das sehen wir sogar in Deutschland. Denken wir etwa an den Unterschied zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber bei Debatten. Das spielt eine Rolle! Man sollte es nicht zu viel betonen, aber diese Mischung aus Naturtalent in der Rhetorik, an Glaube und der Überzeugungseffekt davon, dann diese Melodie in seinen Reden und dann der Inhalt seiner Politik, das kommt dann alles zusammen.
Klein: Christopher Garret war das, Politikwissenschaftler an der Universität Leipzig. Ich bedanke mich für das Gespräch, Mr. Garret.
Garret: Ich danke Ihnen!
Christopher Garret: Schönen guten Tag!
Bettina: Dass es Fortschritte in Fragen der Gleichberechtigung zwischen Schwarzen und Weißen gegeben hat im Vergleich zu den sechziger Jahren, das ist offensichtlich. Aber wie stark wirken die Klischees, wirken Misstrauen und Benachteiligung heute noch, 40 Jahre nach der Aufhebung der Rassentrennung, 40 Jahre nach Luther Kings Ermordung in den USA?
Garret: Diskriminierung gibt es allerdings immer noch in den USA. Das ist überall zu erfahren. Gerade unter den Schwarzen hört man die Debatte zur Diskriminierung und es wird gesagt, es gibt eine wirklich harte Diskriminierung, wirklich absichtliche Diskriminierung.
Klein: Worin besteht diese Diskriminierung heute?
Garret: Heute redet man eher von sogenannter weicher Diskriminierung. Das heißt, es geht meistens um Sprache, Tendenzen und nicht Förderung von bestimmten Leuten, diese Art von Missverständnis, Leute die wirklich nicht die gleichen Chancen bekommen als andere, manchmal Weiße, aber manchmal auch aus anderen Ecken der Gesellschaft, zum Beispiel asiatische Amerikaner, die schneller nach vorne kommen.
Klein: Aber es gibt auch Förderprogramme. Es gibt die Entstehung einer schwarzen Mittelschicht und es gibt Vorbilder auf höchster politischer Ebene. Also, es muss sich einiges ja verbessert haben?
Garret: Auf alle Fälle! Ich möchte Diskriminierung nicht zu viel betonen im Sinne wie Sie vorhin sagten, die Lage wäre ähnlich wie in den sechziger Jahren. Wir haben wirklich sehr große Schritte gemacht. Sie haben es erwähnt. Die große schwarze Mittelschicht, die immer noch sehr schnell wächst. Also, Machtpositionen in der Politik, in der Kultur - in der Kultur geht es nicht nur um Produktion von Kultur, sondern wirklich Führung von Kultur, Machtpositionen in der Gesellschaft insgesamt, bei Zeitungen zum Beispiel, Redakteure - überall in der Gesellschaft, in der Bildung, an Universitäten zum Beispiel, da sehen wir viel mehr schwarze Amerikaner zurzeit, die Machtpositionen haben, als vor 40 Jahren. Und noch einmal, die Wirtschaftskraft hat sich massiv gesteigert.
Wo es wirklich schwierig ist, das ist für diejenigen, die noch nicht in der Mittelschicht sind. Die sind manchmal ausgegrenzt. Das hängt davon ab, wo die wohnen zum Beispiel, Ausbildungsmöglichkeiten immer noch und manche beklagen, sogar diejenigen, die in der Mittelschicht sind: Die kommen wirklich nicht ganz nach vorne, weil da sind die Tendenzen immer noch zu spüren: Weiße Menschen in diesen Positionen befürworten weiße Menschen. Das ist aber sehr schwierig nachzuweisen.
Klein: Einwanderer aus muslimischen Staaten gelten in den Vereinigten Staaten von Amerika als sehr gut integriert, anders als in Deutschland zum Beispiel. Bei der schwarzen Minderheit sieht das immer noch anders aus. Wirkt die Geschichte, die ja auch eine der Sklaverei war, da immer noch nach?
Garret: Die wirkt immer noch nach. Das hörten wir zum Beispiel in der Rede von Barack Obama vor einigen Tagen in Philadelphia zur Rassendiskriminierung, zur Rassenpolitik in den USA. Das ist allerdings der Fall. Also es gibt eine große Debatte innerhalb der schwarzen Gemeinde in den USA, und da sind die Meinungen sehr geteilt. Woran liegt das, dass - wie Sie es erwähnten - zum Beispiel muslimische Amerikaner insgesamt viel schneller integriert sind und nach vorne kommen, zur Mittelschicht gehören? Und nicht nur das!
Unter den Latinos zum Beispiel: Die schnellst wachsende Mittelschicht in den USA sind zurzeit die Latinos. Worauf ist das zurückzuführen? Es gibt einige Thesen, dass zum Beispiel Familiensoziologie da etwa eine große Rolle spielt. Familien sind intakter unter Muslimen in den USA, unter Latinos in den USA. Andere argumentieren, es hat maßgeblich damit zu tun, wo man wohnt. Also, bestimmte Gemeinden sind einfach strukturell benachteiligt. Es gibt also verschiedene Meinungen. Sklaverei spielt immer noch eine große Rolle. Das hat Barack Obama direkt angesprochen in seiner Rede in Philadelphia zum Beispiel.
Klein: Er hat ja bis vor wenigen Tagen, muss man ja fast sagen, versucht, selbst die Rassenfrage aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Es ist ihm nicht gelungen, offensichtlich, weil es noch ein Thema war. Besteht die Gefahr, dass er daran noch scheitert?
Garret: Ich denke, wir haben mit dieser Rede ein neues Kapitel in dieser Wahlsaison aufgeschlagen. Das heißt, es nicht mehr zu vermeiden, aber es wird nicht mehr wie vorher diskutiert und debattiert. Das heißt, sein Plädoyer in dieser Rede, viel offener, ohne Klischees, ohne politische Korrektheit über Rassenpolitik zu reden, ich denke dieses Plädoyer ist sehr gut unter den Wählern angekommen und sogar unter den anderen Kandidaten. Wir müssen abwarten, wie das wirklich taktisch weitergeführt wird, zum Beispiel unter den Republikanern: Werden die versuchen, geschickt so ein bisschen weiße Befürchtungen gegenüber Schwarzen aufzuheizen? Da müssen wir abwarten. Aber ich denke das Land ist insgesamt sehr dafür bereit, diese Debatte, diese Diskussion, wofür Obama plädiert, wirklich zu halten und durchzuführen.
Klein: Obamas Bekenntnis zum christlichen Glauben und sein starkes Plädoyer für Versöhnung, auch seine eigenen sehr unterschiedlichen Wurzeln in seiner eigenen Familie, das wird alles als charakteristischer Unterschied zu früheren farbigen Bewerbern bezeichnet. Hat er eine Strahlkraft, die auf die heutige Zeit übertragen mit jener von Luther Kings damals vergleichbar ist?
Garret: Ich denke schon. Im Hintergrundbericht, der ausgestrahlt wurde in dieser Sendung, hörte man die Melodie in der Rede von Martin Luther King und das hat Obama auf alle Fälle drauf. Das hört man tagaus, tagein in dieser Campagnen-Saison - bei normalen Veranstaltungen, wo er Reden hält oder einfach mit den Wählern redet. Es gibt diese Melodie. Es gibt diese Verbindung mit den Wählern dadurch und das sehen wir sogar in den Umfragen.
Er kommt deutlich besser bei den Wählern in diesem Sinne an. In der Politik spielt das natürlich eine Rolle. Das sehen wir sogar in Deutschland. Denken wir etwa an den Unterschied zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber bei Debatten. Das spielt eine Rolle! Man sollte es nicht zu viel betonen, aber diese Mischung aus Naturtalent in der Rhetorik, an Glaube und der Überzeugungseffekt davon, dann diese Melodie in seinen Reden und dann der Inhalt seiner Politik, das kommt dann alles zusammen.
Klein: Christopher Garret war das, Politikwissenschaftler an der Universität Leipzig. Ich bedanke mich für das Gespräch, Mr. Garret.
Garret: Ich danke Ihnen!