Das Plakat am Ortseingang von Fulda-Kemmerzell ist nicht zu übersehen: Ein schwarzer Hochspannungsmast - mit einem dicken roten Balken durchgestrichen. Dazu zwei Worte: "Keine Monstertrasse".
Kemmerzell in Hessen ist eine Hochburg des Widerstands gegen die geplante sogenannte "Südlink"-Stromtrasse, über die der Windstrom von der Küste nach Bayern und Baden-Württemberg geleitet werden soll. Die "Südlink"-Leitung besteht aus zwei weitgehend parallel laufenden Strängen mit Startpunkten in Brunsbüttel und Wilster in Schleswig-Holstein. Von dort aus soll die Windenergie in die industriellen Zentren des Südens transportiert werden. Im Rahmen der Energiewende sollen so bis 2024 die Atomkraftwerke ersetzt werden.
Große neue Strommasten hatte der zuständige Netzbetreiber "TenneT" dafür auch in Sichtweite der Kemmerzeller geplant – jedenfalls bis zum Frühsommer. Doch der Protest gegen die "Monstertrasse" war in Kemmerzell und anderen Orten der Region groß.
"Wir haben vor über einem Jahr festgestellt, dass wir direkt von den entsprechenden Hochspannungstrassen, von den Leitungsbauern betroffen sind."
Am Rande des Dorfes wohnt Guntram Ziepel. Auf seinem Wohnzimmertisch liegt ein Bierdeckel mit dem durchgestrichenen Hochspannungsmast. Der Elektroingenieur Ziepel ist Sprecher des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen Südlink:
"Wir sind insgesamt derzeit 62 Vereine und Initiativen."
Und es sieht aus, als wenn diese 62 Gruppen vorerst gewonnen hätten:
Denn in dieser Woche hat der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition bei Gegenstimmen der Linken und Enthaltung der Grünen beschlossen, Südlink und eine weitere große Stromautobahn vom Norden in den Süden der Republik unter die Erde zu legen. Der Unions-Abgeordnete Thomas Bareiß in der abschließenden Debatte:
"Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass wir in Deutschland in den nächsten Jahren über 1700 Kilometer Gleichstromkabel in die Erde verlegen werden. In dieser Dimension ist das einzigartig in der Welt. Wir gehen damit einen riesigen Schritt voran. Es wird offen gestanden anspruchsvoll. Es wird auch teuer."
Eine überirdische "Monstertrasse" mit teilweise 60 Meter hohen Masten ist damit nun wohl vom Tisch. Guntram Ziepel von Bundesverband der Südlink-Initiativen war überrascht, wie die Netzbetreiber im Vorfeld des aktuellen Bundestagsbeschlusses auftraten:
"Wenn man im Rahmen der Anhörung sich überlegt, wie die Übertragungsnetzbetreiber, es waren ja zwei an der Zahl anwesend – es war der Vertreter von TenneT da und der Vertreter von Amprion - wenn man sich die beiden anhörte, machen die zur Zeit eine Rolle rückwärts. Also nicht nur eine Rolle, sondern eine doppelt, dreifache oder vierfache Rolle rückwärts. Weil sie auf einmal sagen: Wir wussten das schon immer, dass das Erdkabel eine fantastische Alternative ist. Und wenn man sich das so vorstellt, dass die das schon immer wussten, dann fragt man sich natürlich: Warum haben die das nicht gleich gesagt?"
Naturschützer fordern Prüfung des tatsächlichen Netzbedarfs
Das kritisierte bei der Bundestagsdebatte in dieser Woche auch noch einmal Oliver Krischer von den Grünen. Er richtete diese Frage vor allem an die Adresse der Union:
"Jetzt fangen wir bei Null an, und hätten sie damals auf Grüne, auf viele Sachverständige gehört, hätten sie möglicherweise dieses Problem nicht. Wir hätten nicht vier verlorene Jahre beim Netzausbau, und das gehört einfach auch mal dazu."
Doch der heftige Widerstand entlang der geplanten Trasse gegen Strom-Masten und Freileitungen war vor vier Jahren auch noch nicht abzusehen. Dieser Widerstand sorgte dafür, dass die "Hauptschlagader der Energiewende", wie die Südlink-Trasse gerne genannt wird, nun in der Erde verschwinden soll.
Eine Kehrtwende, die vor allem die bayerische Landesregierung unter Horst Seehofer auf ihre Fahnen schreibt. Dem widerspricht auch die Fuldaer SPD-Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel nicht, die die Freileitungs-Kritiker im Parlament unterstützte:
"Das war ein Aspekt. Aber ich weiß natürlich, was wir im Bundestag und was auch die Bürgerinitiativen getan haben. Und ich kann ihnen sagen: Meine Kolleginnen und Kollegen, insbesondere auch aus der SPD, wir waren in sämtlichen Landesgruppen. Und erklären sie mal jemandem in Dortmund, den es eigentlich nicht interessiert, ob durch Kassel oder ob durch Fulda Freileitungen kommen oder Erdkabel liegen, die haben da ganz andere Probleme. Aber wir haben wirklich eine hohe Solidarität in unserer Fraktion erreicht. Ich glaube, die Kollegen aus der Unionsfraktion hatten das auf ihre Weise dazu getan. Wir haben natürlich den Vorteil in der SPD-Fraktion, dass wir den kürzeren Draht zu Sigmar Gabriel haben und standen ständig bei ihm auf der Matte."
Die Bundesregierung entschied schließlich Ende Juni 2015: Der Vorrang für die Erdkabel soll in einem Bundesgesetz festgeschrieben werden. Für den Physiker Dr. Werner Neumann, Sprecher des Arbeitskreises Energie des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland – BUND hat sich damit bloß ein weiteres Kapitel der Debatte eröffnet:
"Das Wichtige aus Sicht des BUND ist, dass Freileitungen und Erdkabel erst einmal auf gleicher Ebene behandelt werden. Vorrang für Erdkabel, da muss man auch sehen, wie breit werden diese Erdkabel? Und wie tief werden die? Das heißt, man hat erst einmal neue Rahmenbedingungen, was diese Planungen betrifft. Soll aber nicht vergessen machen, dass die Frage weiter besteht: Wie viele Leitungen brauchen wir denn überhaupt?"
Der BUND beharrt darauf, dass die Trassen nicht nur einfach verbuddelt werden sollen, sondern der tatsächliche Netzbedarf geprüft werden müsse.
"Hochspannungs-Gleichstromübertragung" als Hoffnungsprojekt der Regierung
Guntram Ziepel, der Sprecher des Bundesverbandes der Südlink-Initiativen, bezweifelt grundsätzlich, dass man eine lange Stromautobahn wie Südlink quer durch die Republik überhaupt braucht.
Ähnlich wie der BUND plädiert der Elektroingenieur für eine konsequente dezentrale Energieerzeugung, etwa durch kluge regionale Vernetzung verschiedener regenerativer Stromquellen wie Windräder, Fotovoltaik oder Wasserkraft:
"Wir brauchen nicht vorrangig Leitungen, wir brauchen weder Frei- noch Erdkabel. Wir brauchen eigentlich Energie. Wenn wir dann im Rahmen einer dezentralen Stromerzeugung sprechen, dann müssen wie diese vielen dezentralen Quellen miteinander verbinden. Dazu brauchen wir dann wieder Leitungen. Aber das sind keine HGÜ – im Sinne der Hochspannungsgleichstromübertragung."
HGÜ – das ist die Abkürzung für "Hochspannungs-Gleichstromübertragung". Damit soll die Übertragung großer Stromleistungen über mehrere hundert Kilometer bewerkstelligt werden. Das Besondere dieser Technik: Trotz großer Entfernungen gibt es deutlich weniger Energieverluste als bei der Dreh- oder Wechselstromtechnik. Für die Stromautobahn Südlink wäre das von großem Vorteil.
Das Problem ist: Man hat bisher wenig Erfahrung mit Hochspannungs-Gleichstromübertragung unter der Erde. Der Teufel steckt bei diesem hochbrisanten politischen Thema wie so häufig im technischen Detail der Machbarkeit, in Fragen, die von Ingenieuren beantwortet werden müssen. Etwa von Professor Volker Hinrichsen, Leiter des Fachgebietes Hochspannungstechnik an der TU Darmstadt:
"Der Stand der Dinge ist folgender: Man hat relativ viel Erfahrungen mit Wechselspannungskabeln. Und wechselspannungs-gasisolierten Leitungen. Da gibt es aber unterschiedliche Techniken. Zum Beispiel kann man Kabel in Tunneln verlegen. Das ist relativ einfach, aber sehr kostenintensiv. Man kann sie direkt in die Erde verlegen, das Gleiche gilt auch für die gasisolierten Leitungen, die eigentlich nichts anderes sind als ein Kabel, was weniger flexibel ist. Das sind einfach große Rohre, die mit Gas isoliert sind im Innenraum. Und was noch völlig fehlt, ist die Erfahrung mit gleichspannungs-gasisolierten Leitungen. Das hat man weder in Tunneln bisher gemacht noch erdverlegt."
"Der Flughafen Frankfurt am Main. Deutschlands wichtigstes Drehkreuz im Luftverkehr. Mit dem Bau der dritten Landebahn Nord-West trägt die Fraport AG dem wachsenden Verkehrsaufkommen Rechnung. Um den Flugverkehr nicht zu stören, müssen die alten 200 KV-Freileitungen in den Boden verlegt werden. Die Lösung dafür: der Bau einer gasisolierten Übertragungsleitung mit einer Besonderheit: erstmals direkt erdverlegt."
Ausschnitt aus einem Werbefilm des Siemens-Konzerns. Vorgestellt wird ein sogenanntes "gasisoliertes Hochspannungskabel", das die Firma vor einigen Jahren im Auftrag des Frankfurter Flughafens unter die Erde legte. Ein Pilotprojekt von einem knappen Kilometer Länge, erklärt Professor Volker Hinrichsen von der TU Darmstadt:
"Diese Verlegetechnik direkt in die Erde, das ist vor wenigen Jahren das erste Mal gemacht worden. Allerdings für Wechselspannungskabel. Da reden wir von einer Anlage in Kelsterbach am Frankfurter Flughafen. Dort hat man das erste Mal eine gasisolierte Leitung direkt in die Erde verlegt, hat damit auch viele Erfahrungen sammeln können, das funktioniert aber mittlerweile. So das man der Meinung ist, dass man heute eine wechselspannungs-gasisolierte Leitung verlegen und betreiben kann."
Risiken der unterirdischen Stromautobahn
Ob diese Leitung auch mit Gleichstrom funktioniert und für Trassen wie Südlink verwendet werden kann, will die TU Darmstadt nun in einem zweijährigen Feldversuch erst einmal testen:
"Ja, das Problem ist einfach folgendes, dass das Rohr direkt in die Erde verlegt wird, und das muss sich natürlich bewegen können. Das Rohr arbeitet thermisch, wenn kein Strom fließt, dann hat es Bodentemperatur. Wenn der Nenn-Strom fließt, dann kann die Außenhülle bis zu 50 Grad warm werden. Und das bedeutet natürlich, dass das Rohr arbeitet. Das hat eine Längendehnung, und wenn wir hier von mehreren Kilometern Rohrlängen reden, dann sind das ganz beachtliche Dehnungen."
"Die direkte Verlegung im Erdreich erspart aufwendigen Tunnelbau. Hohes Isoliervermögen und hohe Übertragungsleistungen ermöglichen eine kompakte Verlegung. Das reduziert die Baufläche."
Siemens verspricht im Werbefilm für die Gas-isolierten Erdkabel, dass man nur neun Meter Trassenbreite brauche. Andere Experten machten bei einer Bundestagsanhörung unlängst Hoffnung, man könne mit einer noch schmaleren Trasse für die Erdkabel-Verlegung auskommen. Die Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel, SPD:
"Dass man nach der Erdkabel-Verlegung wirklich nur einen Streifen von fünf bis sieben Metern hat, den man dann auch sieht. Man kann auch Radwege drauf bauen, oder Landwirte können auch Früchte darauf säen. Man kann die Fläche weiterhin landwirtschaftlich nutzen, man sollte eben nicht Bäume oder irgendwelche Gehölze anpflanzen, die eben lange Wurzeln haben."
Die Leitungstechnik, die die Darmstädter Uni nun mit Unterstützung des Bundes und der hessischen Landesregierung testen will, basiert auf einer an sich bekannten und erprobten Pipelinetechnik. Doch wer Strom in großen Mengen über viele hundert Kilometer störungsfrei durchleiten will, muss dafür sorgen, dass keinerlei Partikel im Rohr den Stromfluss behindern. Forscher Volker Hinrichsen:
"Das ist vielleicht der Unterschied zur Pipeline. Weil die Pipeline reinigt sich selber, wenn da irgendwas durchströmt. Der Gas-isolierte Leiter, der muss einfach sauber sein. Der muss klinisch sauber sein, und das ist die Herausforderung. Nicht die Dichtigkeit, sondern die Sauberkeit."
Ob biegsame Kabel oder Pipeline-Rohrleitungen: Für den BUND ist erst einmal wichtig, dass ein Wettbewerb von Anbietern von Erdkabeltechnik entsteht. Dabei sei beispielsweise wichtig, welche Kabel die geringste elektromagnetische Strahlung aufweisen. Arbeitskreis-Sprecher Neumann:
"Was interessant ist – das eine sind ja dann isolierte Kabel in diesem Sinne, Kupfer-, Eisen-, Stahlkabel und das andere sind diese gasisolierten Leiter, die ja im Gesetz als gleichberechtigt angesehen werden – ist, dass da jetzt auch eine Öffnung da ist, das ist auch ein interessanter Wettbewerb. Da gibt es auch verschiedene große Firmen, die da verschiedene Systeme anbieten. Und das ist auch interessant, was bis zum 30. Juni offiziell nicht als Stand der Technik galt, ist seit dem 1. Juli durch die Politik Stand der Technik, und jetzt ist das demnächst im Gesetz, und das ist auch interessant, dass da die verschiedenen Anbieter der Erdkabelsysteme jetzt auch gefordert sind."
Doch welche Kabelanbieter mit welchen Systemen auch immer dann etwa ab 2017 zum Zuge kommen werden: Klar ist wohl schon jetzt, dass die Südlink-Trasse oder andere Fernverbindungen unter der Erde nicht nur einige Jahre später in Betrieb gehen werden, als bisher geplant. Von 2025 statt 2022 ist nun beim "Südlink" die Rede.
Die Kosten tragen alle Bürger
Die Trasse wird überdies um ein Vielfaches teurer werden als Freileitungen auf hohen Strommasten. Die Schätzungen reichen bis zum Achtfachen der Kosten der Überland-Freileitungen. Volker Hinrichsen von der TU Darmstadt:
"Das wird sehr teuer sein – das ist im Augenblick wohl die spannendste Diskussion überhaupt. Es hat keiner Zweifel daran, dass das Problem technisch lösbar sein wird. Letztlich ist die Frage, wie teuer wird das Ganze."
Nach Schätzung der Bundesregierung werden sich die Baukosten bei Erdkabeln im Vergleich zur Freileitung um drei bis acht Milliarden Euro verteuern. Da das auf die Stromtarife umgelegt wird, kommen auf den Durchschnittshaushalt bis zu zehn Euro im Jahr Mehrkosten zu. Ein typischer Industriebetrieb müsste bis zu 160.000, und eine Gewerbefirma bis zu 11.000 Euro zusätzlich aufbringen.
Ralf Lenkert, Abgeordneter der Linken im Bundestag, vermutet sogar, die teuren Leitungen werden zum Teil gar nicht für die deutsche Energiewende, sondern vor allem für europäische Stromhändler gebraucht, die ihre Energie durch deutsche Netze auf dem ganzen Kontinent verteilen wollen:
"Der Verkäufer des Stromes in Schweden bezahlt nicht für den Stromtransport durch Deutschland, der bezahlt nicht für den Bau der Trasse und die Refinanzierung. Genauso wenig wie der Kunde im Süden. Bezahlen tun sie - die Menschen, die dort wohnen, wo die Stromleitungen durchführen."
Klar ist: Alle Stromkunden müssen dafür bezahlen, dass vergleichsweise wenige Menschen keine Masten in ihrem Sichtfeld haben wollen. Auch, dass Erdleitungen möglicherweise auch dort verlegt werden, wo der Untergrund es eigentlich kaum zulässt und die Kabel später ganz schwer zugänglich sein werden, wenn etwas kaputt gehen sollte. In einigen Teilstücken könnten Erdkabel vielleicht auch das Zehnfache oder mehr als eine Freileitung kosten, befürchtet Wissenschaftler Volker Hinrichsen:
"Wenn man gelegentlich auf felsigen Boden stößt oder auf irgendwelche anderen Böden, in denen sich der Leiter nicht verlegen lässt. Dann können da lokal auch wesentlich höhere Teuerungsfaktoren entstehen. Das wird zur Zeit noch gar nicht richtig diskutiert. Wir reden über Technik, das ist machbar, die Kosten werden immens sein."
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel will dieser Frage nicht ausweichen:
"Ja, es wird teuer. Da machen wir uns nichts vor. Es gibt eine Studie im Bundeswirtschaftsministerium, die sagt: das Zwei- bis Vierfache. Also von achtfacher Kostensteigerung würde ich nicht reden. Man muss aber auch die volkswirtschaftlichen Aspekte sehen. Wir müssen gucken: Was ist mit dem Tourismus? Gerade hier im Landkreis Fulda oder auch im Vogelsberg. Was ist mit der Verkürzung der Strecke? Was ist mit Klagen im Planfeststellungverfahren(...) Also: teuer wird es, wenn Südlink nicht kommt – und wir die Energiewende nicht fristgerecht schaffen, sozusagen."
Die abschließende Debatte im Bundestag in dieser Woche zeigte allerdings noch einen weiteren Konfliktpunkt auf: Dass nämlich Gleichstromleitungen – die sogenannten "HGÜ" - auf langen Strecken unter die Erde gelegt werden sollen, doch Wechselstromleitungen aus Kostengründen nur bei einigen Pilotstrecken. Oliver Krischer von den Grünen wirft das der Regierungskoalition vor:
"Man kann den Menschen nicht erklären, warum bei HGÜ jetzt alles unter die Erde gelegt werden soll, aber beim Wechselstrom nur nach unklaren Kriterien Pilotstrecken ausgewählt werden. Das wird die neuen Konflikte auslösen. Gehen sie doch mal nach Hürth bei Köln, um ein Beispiel zu sagen, wo genau dieser Konflikt dazu führen wird, dass die Leute vor Gericht ziehen und das kann man ihnen gar nicht vorwerfen. Und deshalb habe ich die ganz große Sorge, dass wir tatsächlich in drei Jahren hier wieder stehen und das Ganze neu machen müssen, weil Sie einfach das gesunde Maß nicht haben."
Zukunftsvisionen für die Stromautobahn
Warum die Regierung bei der Planung von Wechselstrom-Erdkabeln stark auf die Bremse getreten hat, begründete in der Debatte der Unionsabgeordnete Thomas Bareiß:
"Bei Wechselstrom sind die Kosten nämlich wesentlich höher und sind auch technisch um ein Vielfaches anspruchsvoller. Schon allein der Landschaftseingriff und das sollte besonders für die grüne Fraktion ein Thema sein, der Landschaftseingriff ist doppelt so groß wie bei HGÜ-Leitungen, er ist nämlich 40 bis 50 Meter breit. Und diese Einschnitte werden auch von Naturschutzfreunden kritisch gesehen. Das derzeit einzig laufende Vorhaben bei Raesfeld kostet 30 Millionen Euro für 3,4 Kilometer Erdkabel. Jeder Meter kostet hier 9000 Euro, meine sehr verehrten Damen und Herren."
Die Verlegung der Südlink-Erdkabel entlang der Bundesautobahn 7 zwischen Schleswig-Holstein und Bayern hätte wohl die größte politische Akzeptanz auch bei denjenigen, die die Stromautobahn immer noch skeptisch sehen. Werner Neumann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – BUND appelliert an die Politik:
"Dann geht doch einfach entlang von Autobahnen! Das ist auch eigentlich eine Vorschrift der Raumordnung, dort Bündelungsgebot zu machen. Und jetzt mit Erdverlegung gibt es mehrere Möglichkeiten: Es gibt Kabelröhren oder es gibt an bestimmten Stellen auch die Möglichkeiten, sogenannte Infrastruktur-Kanäle zu machen. Also zwei Meter große Kanäle, wo man die Leitungen an die Wände hängt. So was gibt es ja auch in Großstädten schon. Also da ist eine große Vielfalt jetzt möglich. Die Frage wird man weiterhin stellen, wie viele Leitungen werden wirklich gebraucht. Aber dass man sie entlang von vorhandenen Wegen und Autobahnen verlegt, könnte wirklich die Sache etwas entspannen."
Guntram Ziepel vom Bundesverband der Südlink-Bürgerinitiativen träumt davon, dass dies einen entscheidenden Schub für Solarstrom-Produktion sowie für Elektroautos bringen könnte. Ziepel hat nämlich die Vision, dass man in Zukunft die Autobahnen mit Solarzellen pflastert, statt sie zu teeren. In den USA sei schon ein entsprechendes Patent angemeldet worden. Die so gewonnene Solarenergie könnte man dann in den Versorgungsstrang einspeisen, der zunächst einmal für Südlink neben die Autobahn verlegt würde:
"Und dieser Versorgungsstrang ist dann in der Tat ein Gleichstromstrang. Weil es so praktisch ist, die Tankstellen mit einzubinden, die dann die Elektromobilität sicherstellen können. Wir könnten die Infrastruktur nutzen, die wir heute schon haben. Und das ist eigentlich der Punkt, worüber sich unsere Wissenschaftler Gedanken machen müssten. Und das fehlt mir. Und unsere Politiker müssten sich erst recht darüber Gedanken machen."
Das ist zwar noch Zukunftsmusik – doch immerhin könnte ein Erdkabel-Strang entlang der A 7 für "Südlink" einen Einstieg für solche Szenarien bieten. Der Begriff der "Stromautobahnen" bekäme damit noch einmal eine zusätzliche Bedeutung.