Engels: Die Welt am Sonntag meldete gestern, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz das Bundesinnenministerium über zwei weitere V-Männer informiert haben soll. Zwei noch bislang unbekannte V-Männer, die aber auch in den NPD-Verbotsanträgen auftauchen sollen. Die Männer sollen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt stammen. Am Freitag voriger Woche soll dieser Vermerk an das Schily-Ministerium gegangen sein. Doch das Bundesinnenministerium dementiert diese Berichte. Am Telefon begrüße ich nun den bayrischen Innenminister, Günther Beckstein. Haben Sie Kenntnis über diese angeblich neuen V-Männer?
Beckstein: Nein. Es ist auch selbstverständlich, dass irgendwelche Erkenntnisse über V-Leute nicht an andere Ämter weitergegeben werden. Die Tatsache, dass jemand V-Mann ist, ist ja eine der geheimhaltungsbedürftigsten Tatsachen eines Verfassungsschutzes, und deswegen erfährt davon nur das jeweilige Amt, das den betreffenden Informanten führt. Und dann ist beabsichtigt gewesen, das dem Bundesamt mitzuteilen, damit hier sozusagen ein Abgleich letztlich möglich ist.
Engels: Aber ist es nicht genau das Problem, was bei all der Diskussion um die NPD-Verbotsanträge jetzt im Mittelpunkt steht, dass die Landesämter für Verfassungsschutz sich untereinander nicht genügend austauschen?
Beckstein: Ich sehe das nicht so. Bei den Auskunftspersonen, die das Bundesverfassungsgericht geladen hat, haben sämtliche Verfassungsschutzpräsenten der Länder erklärt, dass mit Ausnahme von Herrn Frenz kein weiterer dabei ist, der Informant für irgendeines der Ämter ist. Dass im Übrigen aber in dem Verfahren und in Anträgen V-Leute eine erhebliche Rolle spielen, ist klar. Es ist in einer erheblichen Anzahl von Fällen auf Behördenzeugnisse hingewiesen. Ein Behördenzeugnis gibt man dann, wenn man den betreffenden Beweis nicht im Klartext nennen kann, zum Beispiel wenn ein Informant aus einem Vorstand heraus berichtet hat, dann wird er nicht als Zeuge genannt, sondern es kommt ein Behördenzeugnis des betreffenden Amtes, das den betreffenden V-Mann geführt hat. Solche Behördenzeugnisse sind in erheblicher Zahl, auch im Antrag des Bundesrates enthalten. Aber das hat offensichtlich auch - wie ich meine, zurecht - das Bundesverfassungsgericht nicht gestört, denn obwohl es für jedermann erkennbar war und ist, ist das Verfahren vor einigen Monaten eröffnet worden.
Engels: Aber problematisch scheint es doch dann zu werden, wenn diese V-Leute in den Verbotsunterlagen zur Grundlage genommen werden, um eben die Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu beweisen. Sehen Sie denn die Gefahr, dass in diesem Zusammenhang weitere V-Männer ans Licht kommen?
Beckstein: Ich meine, die entscheidende Frage ist, dass ein V-Mann auf keinen Fall eine aktive, den Extremismus fördernde Rolle unternommen haben darf. Das bedeutet, dass es auch dem Verfassungsgericht detailliert dargelegt werden muss, welche Sicherungen die jeweiligen Verfassungsschutzbehörden haben, dass nicht etwa der V-Mann der Agent provocateur ist, der sozusagen die extremistischen Betätigungen der Partei selber anheizt und anstachelt, sondern er muss jemand sein, der mitschwimmt, der sozusagen ein unauffälliges Mitglied der jeweiligen Gremien ist, um aus diesen Gremien berichten zu können. In dem Augeblick, wo jemand aus dem Ruder läuft und sozusagen die Radikalität im Extremismus vorantreibt, kann er nicht V-Mann sein, und diese Tatsache muss entsprechend vorgetragen werden, und es muss unter Umständen zum Beispiel auch durch die Verfassungsschutzpräsenten oder den jeweiligen Abteilungsleiter nachgewiesen werden, dass das eingehalten wird, denn andernfalls wäre die Gefahr, dass sozusagen die NPD von den jeweiligen Verfassungsschutzbehörden angeheizt worden wäre. Aber unabhängig vom Verfahren wäre das ein schlimmer Vorwurf.
Engels: Sind Sie denn sicher, dass Ihr bayrisches Landesamt für Verfassungsschutz hier korrekt vorgegangen ist?
Beckstein: Ich mir darüber absolut sicher. Wir haben das in der Vergangenheit immer wieder überprüft. Ich habe das im Zusammenhang mit der Diskussion um den Verbotsantrag überprüft. Wir haben das erneut bei der Antragsstellung genau dargelegt und genau überprüft, dass nicht etwa sozusagen Agents provocateurs des bayrischen Verfassungsschutz die NPD zu ihrem äußerst aggressiv kämpferischen Verhalten gegen die Verfassung bewegt haben, sondern es sind unappetitliche Extremisten, die nicht von irgendeinem V-Mann des Verfassungsschutz angeheizt werden brauchen, sondern es sind sozusagen die Träger der extremistischen Bestrebungen der NPD, von denen dann allerdings Informanten berichtet haben.
Engels: Kommen wir noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen. Die bislang bekannten V-Männer mit Namen Frenz und Holtmann sind ja seit letzter Woche bekannt. Gerade im Fall Holtmann wird dem Bundesinnenminister vorgeworfen, vor dem Innenausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Er habe schon vor der Sitzung Kenntnis über den zweiten V-Mann Holtmann gehabt, so meldet es der Spiegel, und dies verschwiegen. Teilen Sie die nun aufkommende Kritik an Otto Schily oder verstehen Sie seine Zurückhaltung?
Beckstein: Ein Parlament muss natürlich wahrheitsgemäß informiert werden. Ob das im vorliegenden Fall erfolgt ist, kann ich nicht sagen. Der Innenausschuss des Bundestages hat nicht öffentlich getagt, so dass mir nicht im Einzelnen bekannt ist, was Herr Schily gesagt hat. Und mir ist auch nicht bekannt, was Herr Schily genau selbst wusste. Aber dass man ein Parlament nicht mit falschen Fakten bedienen darf, ist klar. Ich kann Auskünfte nur in bestimmten, der Geheimhaltung verpflichteten Gremien geben, aber ich kann nicht etwa, um irgendwelche vertrauliche Mitteilungen zu schützen, unwahre Tatsachen einem Parlamentsgremium darlegen. Aber das wird der Deutsche Bundestag sicher selbst sorgfältig überprüfen.
Engels: Bislang haben Sie sich mit Rücktrittsforderungen an die Adresse Otto Schilys zurückgehalten. Ändern Sie Ihre Meinung?
Beckstein: Die Innenminister haben ein anderes Verhalten untereinander, als viele andere Politiker. Es hängt nicht nur mit irgendwelchen menschlichen Dingen zusammen, sondern mit Notwendigkeiten der Amtsführung. Ich habe am vergangenen Wochenende die Sicherheitskonferenz in München polizeilich zu betreuen und zu verantworten gehabt. Da benötigte ich, dass der Bundesgrenzschutz, der Herrn Schily unterstellt ist, eine ganz aktive Rolle mitgespielt hat. Das bedeutet, dass wir uns gegenseitig nicht etwa mit Rücktrittsforderungen und Kritik in der Öffentlichkeit überhäufen, sondern das sollen andere parlamentarische Kontrollgremien tun, die die Arbeit überwachen. Wir müssen zuallererst miteinander in einer vernünftigen Weise zusammenarbeiten, um Castor-Transporte und große Polizeieinsätze zu bewältigen.
Engels: Sehen Sie nach dem jetzigen Kenntnisstand die NPD-Verbotsanträge gefährdet? Sollten sie zurückgezogen werden?
Beckstein: Nach meiner Meinung sollten sie unter keinen Umständen zurückgezogen werden. An dem Trakte der NPD als eine aggressiv kämpferische Partei gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, als eine Partei, die ausländerbefreite Zonen gewollt hat, als eine Partei, die einen massiven Antisemitismus in den eigenen Reihen hat, hat sich nichts geändert. Ich bedaure sehr, dass wir durch wirklich massive Fehler im Bundesinnenministerium in eine so katastrophale Diskussion hereingekommen sind. Dass sich die Extremisten die Hände reiben über so viel Unfähigkeit und Sorglosigkeit, ist natürlich schlimm. Es ist auch schlimm, dass der Verbotsantrag zumindest viele Monate hinausgeschoben ist, aber ich glaube nicht, dass der Antrag aufgehoben ist, ich glaube nicht, dass das Verfahren sozusagen geplatzt, sondern nur verzögert ist.
Engels: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Beckstein: Nein. Es ist auch selbstverständlich, dass irgendwelche Erkenntnisse über V-Leute nicht an andere Ämter weitergegeben werden. Die Tatsache, dass jemand V-Mann ist, ist ja eine der geheimhaltungsbedürftigsten Tatsachen eines Verfassungsschutzes, und deswegen erfährt davon nur das jeweilige Amt, das den betreffenden Informanten führt. Und dann ist beabsichtigt gewesen, das dem Bundesamt mitzuteilen, damit hier sozusagen ein Abgleich letztlich möglich ist.
Engels: Aber ist es nicht genau das Problem, was bei all der Diskussion um die NPD-Verbotsanträge jetzt im Mittelpunkt steht, dass die Landesämter für Verfassungsschutz sich untereinander nicht genügend austauschen?
Beckstein: Ich sehe das nicht so. Bei den Auskunftspersonen, die das Bundesverfassungsgericht geladen hat, haben sämtliche Verfassungsschutzpräsenten der Länder erklärt, dass mit Ausnahme von Herrn Frenz kein weiterer dabei ist, der Informant für irgendeines der Ämter ist. Dass im Übrigen aber in dem Verfahren und in Anträgen V-Leute eine erhebliche Rolle spielen, ist klar. Es ist in einer erheblichen Anzahl von Fällen auf Behördenzeugnisse hingewiesen. Ein Behördenzeugnis gibt man dann, wenn man den betreffenden Beweis nicht im Klartext nennen kann, zum Beispiel wenn ein Informant aus einem Vorstand heraus berichtet hat, dann wird er nicht als Zeuge genannt, sondern es kommt ein Behördenzeugnis des betreffenden Amtes, das den betreffenden V-Mann geführt hat. Solche Behördenzeugnisse sind in erheblicher Zahl, auch im Antrag des Bundesrates enthalten. Aber das hat offensichtlich auch - wie ich meine, zurecht - das Bundesverfassungsgericht nicht gestört, denn obwohl es für jedermann erkennbar war und ist, ist das Verfahren vor einigen Monaten eröffnet worden.
Engels: Aber problematisch scheint es doch dann zu werden, wenn diese V-Leute in den Verbotsunterlagen zur Grundlage genommen werden, um eben die Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu beweisen. Sehen Sie denn die Gefahr, dass in diesem Zusammenhang weitere V-Männer ans Licht kommen?
Beckstein: Ich meine, die entscheidende Frage ist, dass ein V-Mann auf keinen Fall eine aktive, den Extremismus fördernde Rolle unternommen haben darf. Das bedeutet, dass es auch dem Verfassungsgericht detailliert dargelegt werden muss, welche Sicherungen die jeweiligen Verfassungsschutzbehörden haben, dass nicht etwa der V-Mann der Agent provocateur ist, der sozusagen die extremistischen Betätigungen der Partei selber anheizt und anstachelt, sondern er muss jemand sein, der mitschwimmt, der sozusagen ein unauffälliges Mitglied der jeweiligen Gremien ist, um aus diesen Gremien berichten zu können. In dem Augeblick, wo jemand aus dem Ruder läuft und sozusagen die Radikalität im Extremismus vorantreibt, kann er nicht V-Mann sein, und diese Tatsache muss entsprechend vorgetragen werden, und es muss unter Umständen zum Beispiel auch durch die Verfassungsschutzpräsenten oder den jeweiligen Abteilungsleiter nachgewiesen werden, dass das eingehalten wird, denn andernfalls wäre die Gefahr, dass sozusagen die NPD von den jeweiligen Verfassungsschutzbehörden angeheizt worden wäre. Aber unabhängig vom Verfahren wäre das ein schlimmer Vorwurf.
Engels: Sind Sie denn sicher, dass Ihr bayrisches Landesamt für Verfassungsschutz hier korrekt vorgegangen ist?
Beckstein: Ich mir darüber absolut sicher. Wir haben das in der Vergangenheit immer wieder überprüft. Ich habe das im Zusammenhang mit der Diskussion um den Verbotsantrag überprüft. Wir haben das erneut bei der Antragsstellung genau dargelegt und genau überprüft, dass nicht etwa sozusagen Agents provocateurs des bayrischen Verfassungsschutz die NPD zu ihrem äußerst aggressiv kämpferischen Verhalten gegen die Verfassung bewegt haben, sondern es sind unappetitliche Extremisten, die nicht von irgendeinem V-Mann des Verfassungsschutz angeheizt werden brauchen, sondern es sind sozusagen die Träger der extremistischen Bestrebungen der NPD, von denen dann allerdings Informanten berichtet haben.
Engels: Kommen wir noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen. Die bislang bekannten V-Männer mit Namen Frenz und Holtmann sind ja seit letzter Woche bekannt. Gerade im Fall Holtmann wird dem Bundesinnenminister vorgeworfen, vor dem Innenausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Er habe schon vor der Sitzung Kenntnis über den zweiten V-Mann Holtmann gehabt, so meldet es der Spiegel, und dies verschwiegen. Teilen Sie die nun aufkommende Kritik an Otto Schily oder verstehen Sie seine Zurückhaltung?
Beckstein: Ein Parlament muss natürlich wahrheitsgemäß informiert werden. Ob das im vorliegenden Fall erfolgt ist, kann ich nicht sagen. Der Innenausschuss des Bundestages hat nicht öffentlich getagt, so dass mir nicht im Einzelnen bekannt ist, was Herr Schily gesagt hat. Und mir ist auch nicht bekannt, was Herr Schily genau selbst wusste. Aber dass man ein Parlament nicht mit falschen Fakten bedienen darf, ist klar. Ich kann Auskünfte nur in bestimmten, der Geheimhaltung verpflichteten Gremien geben, aber ich kann nicht etwa, um irgendwelche vertrauliche Mitteilungen zu schützen, unwahre Tatsachen einem Parlamentsgremium darlegen. Aber das wird der Deutsche Bundestag sicher selbst sorgfältig überprüfen.
Engels: Bislang haben Sie sich mit Rücktrittsforderungen an die Adresse Otto Schilys zurückgehalten. Ändern Sie Ihre Meinung?
Beckstein: Die Innenminister haben ein anderes Verhalten untereinander, als viele andere Politiker. Es hängt nicht nur mit irgendwelchen menschlichen Dingen zusammen, sondern mit Notwendigkeiten der Amtsführung. Ich habe am vergangenen Wochenende die Sicherheitskonferenz in München polizeilich zu betreuen und zu verantworten gehabt. Da benötigte ich, dass der Bundesgrenzschutz, der Herrn Schily unterstellt ist, eine ganz aktive Rolle mitgespielt hat. Das bedeutet, dass wir uns gegenseitig nicht etwa mit Rücktrittsforderungen und Kritik in der Öffentlichkeit überhäufen, sondern das sollen andere parlamentarische Kontrollgremien tun, die die Arbeit überwachen. Wir müssen zuallererst miteinander in einer vernünftigen Weise zusammenarbeiten, um Castor-Transporte und große Polizeieinsätze zu bewältigen.
Engels: Sehen Sie nach dem jetzigen Kenntnisstand die NPD-Verbotsanträge gefährdet? Sollten sie zurückgezogen werden?
Beckstein: Nach meiner Meinung sollten sie unter keinen Umständen zurückgezogen werden. An dem Trakte der NPD als eine aggressiv kämpferische Partei gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, als eine Partei, die ausländerbefreite Zonen gewollt hat, als eine Partei, die einen massiven Antisemitismus in den eigenen Reihen hat, hat sich nichts geändert. Ich bedaure sehr, dass wir durch wirklich massive Fehler im Bundesinnenministerium in eine so katastrophale Diskussion hereingekommen sind. Dass sich die Extremisten die Hände reiben über so viel Unfähigkeit und Sorglosigkeit, ist natürlich schlimm. Es ist auch schlimm, dass der Verbotsantrag zumindest viele Monate hinausgeschoben ist, aber ich glaube nicht, dass der Antrag aufgehoben ist, ich glaube nicht, dass das Verfahren sozusagen geplatzt, sondern nur verzögert ist.
Engels: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio