Archiv


Diskussionen über die K-Frage

Remme: Guten Morgen Peter Ramsauer, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag!

    Ramsauer: Guten Morgen aus Wildbad Kreuth.

    Remme: Herr Ramsauer, das sind Ihre Parteianhänger gewesen, die Stoiber da offenbar vor einer Niederlage bewahren wollen, ihn in Bayern behalten wollen. Können Sie diese Sorgen nachvollziehen?

    Ramsauer: Ich kenne diese Sorgen. Ich bin ja auch an der Basis unterwegs und führe viele, viele Gespräche. Aber es gibt genauso auch die anderen Meinungen. Klar ist selbstverständlich eines, dass der Parteivorsitzende und die Parteivorsitzende, also beide schon aus ihren Ämtern heraus bereit sein müssen zu einer Kanzlerkandidatur. Dies und nichts anderes ist am Wochenende von beiden erklärt worden.

    Remme: Das Zaudern hat jetzt lange genug gedauert. Jetzt muss entschieden werden. Ist das auch Ihre Meinung?

    Ramsauer: Ja selbstverständlich. Die Debatte hat jetzt einen Grat erreicht, wo entschieden werden muss. Das wird in den nächsten Wochen passieren. Wir haben jetzt in dieser Woche und in der nächsten noch eine ganze Fülle von Sitzungen der Führungsgremien und in der Woche vom 21. Januar tagt dann der Bundestag wieder. Am 22. wird die Fraktion wieder tagen. Ich nehme an, dass wir bis dahin Klarheit haben.

    Remme: Wer ist Ihrer Meinung nach der bessere Kandidat für die Union?

    Ramsauer: Es kann keinen Besiegten und keinen Sieger geben. Es gibt nicht die Frage besser oder nicht. Es gibt nur die Frage, wer eher im Stande sein wird, die rot/grüne Bundesregierung endlich aus den Angeln zu heben und Deutschland wieder auf einen guten politischen Weg zu bekommen. Über diese Frage werden sich Angela Merkel und Edmund Stoiber in den verabredeten Gesprächen in den nächsten Wochen klar werden.

    Remme: Aber ich hatte nach der Meinung des Politikers Peter Ramsauer gefragt?

    Ramsauer: Ich habe auch genauso oft erklärt, dass es in der CSU-Landesgruppe im deutschen Bundestag überhaupt keinen Zweifel gibt, dass wir uns eine Kanzlerkandidatur von Edmund Stoiber erhoffen.

    Remme: Warum ist das so? Was kann Edmund Stoiber Ihrer Meinung nach, was Angela Merkel so oder nicht so gut kann?

    Ramsauer: Jeder Parteivorsitzende hat seine spezifischen Fähigkeiten und eines ist klar, dass der- oder diejenige, die dann die Kanzlerkandidatur nicht betreibt, trotzdem dringend in diesem Wahlkampf gebraucht wird. Edmund Stoiber wird sicherlich das bürgerlich-konservative Wählerspektrum in hervorragender Weise ausschöpfen und mobilisieren. Auf der anderen Seite wird natürlich Angela Merkel in den neuen Bundesländern punkten. So hat jede der beiden Persönlichkeiten große Vorteile, aber wie gesagt: die Haltung der CSU-Landesgruppe im Bundestag ist in dieser Frage vollkommen klar.

    Remme: Herr Ramsauer, die CDU ist die ungleich größere Schwester. Hat Angela Merkel eine Art selbstverständliches Zugriffsrecht?

    Ramsauer: Also noch mal: Jeder Parteivorsitzende - das gilt für jeden Parteivorsitzenden in Deutschland - hat das selbstverständliche Recht oder sogar die Pflicht, zu einer Kanzlerkandidatur bereit zu sein, unabhängig von der jeweiligen Größe der Partei. Dies gilt insbesondere auch zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU. Wir haben in dieser Frage im Vorfeld des jetzigen Standes der Debatte immer Einigkeit gehabt und wir werden diese Debatte auch vor diesem Hintergrund nach dieser Maßgabe weiterführen. In einer solchen Debatte braucht man auch eine gewisse Inszenierung. Ich glaube, die ist uns bisher ganz gut gelungen. Es hat bis jetzt niemand Beschädigten gegeben.

    Remme: Aber auch dort noch einmal nachgefragt: Angela Merkel ist die Vorsitzende der größeren Partei. Ergibt sich daraus, aus der Größe, aus dem Ungleichgewicht ein Zugriffsrecht?

    Ramsauer: Das Zugriffsrecht ergibt sich aus dem Amt des Parteivorsitzenden alleine heraus, unabhängig von der Größe der Partei.

    Remme: Aber zugreifen kann nur einer, Herr Ramsauer?

    Ramsauer: Ja selbstverständlich und wer zugreift, das wird ausgemacht zwischen den beiden Parteivorsitzenden und das wird nicht in einem Interview geklärt. Das wird nicht dadurch geklärt, dass in den Printmedien regelrecht Zitate gefälscht werden, wie es am Wochenende und auch heute wieder der Fall ist in bestimmten Tageszeitungen. Nein nein, wir machen ein ganz faires Verfahren.

    Remme: Herr Stoiber wird morgen in Kreuth reden. Was erwarten Sie von dieser Rede?

    Ramsauer: Wir erwarten eine entsprechende Einstimmung auf die Bundestagswahl. Die Vorbereitung der Bundestagswahl zieht sich ja wie ein roter Faden durch die gesamte Tagung hindurch. Wir werden eine ganze Reihe von Sachthemen erörtern. Wir haben den ersten Entwurf eines Wahlprogramms auf dem Tisch, den wir mit dem Parteivorsitzenden erörtern werden, und obwohl die Frage der Kanzlerkandidatur nicht expressis verbis auf der Tagesordnung steht, lässt es sich überhaupt nicht vermeiden, dass auch darüber gesprochen wird. Wir erwarten uns schon, dass Edmund Stoiber die entsprechenden Äußerungen macht.

    Remme: Wir haben das eben von einer Stimme der Basis schon gehört, Herr Ramsauer. Hat Franz-Josef Strauß vor gut 20 Jahren nicht dauerhaft bewiesen, dass ein bayerischer Kanzlerkandidat im Norden und jetzt auch im Osten der Republik nicht ausreichend zu vermitteln ist?

    Ramsauer: Die Situation heute und die Situation damals 1980, diese beiden lassen sich überhaupt nicht miteinander vergleichen, die Rahmenbedingungen nicht und die Personen auch nicht. Aber eines steht fest: Franz-Josef Strauß hat damals überhaupt keinen Schaden gelitten und die CSU hat damals nach der verlorenen Bundestagswahl weiterhin Ergebnisse über 60 Prozent eingefahren.

    Remme: Warum gibt es eigentlich kein verlässliches Prozedere in dieser Frage, denn es ist ja nun nicht das erste Mal, dass sich die Union, wenn sie in der Opposition ist, doch schwer tut mit der Kandidatur?

    Ramsauer: Die Antwort ist ganz einfach: weil bei jeder Bundestagswahl die Ausgangslage eine andere ist. Es ist richtig, dass wir in den Parteisatzungen hier kein festgeschriebenes Verfahren haben, denn hätte man ein solches, würde es der einzelnen Situation dann garantiert, wenn es so weit ist, nicht gerecht.

    Remme: Wird am Ende die Fraktion entscheiden, Herr Ramsauer?

    Ramsauer: Ich gehe mal davon aus, dass die beiden Parteivorsitzenden sich in dem verabredeten Verfahren einigen werden. Die Bundestagsfraktion muss natürlich immer eine ganz herausragende Rolle spielen. Sie ist es ja letztlich auch, die nach einer gewonnenen Bundestagswahl den Kanzlerkandidaten im Parlament bei der Kanzlerwahl dann tragen muss. Aber in meinen Augen wäre im Falle einer Nichteinigung - das wäre der schlechteste Fall, von dem ich absolut nicht ausgehe - die gemeinsame Bundestagsfraktion als einziges institutionalisiertes Bindeglied beider Parteien im Bereich des deutschen Bundestages dann das letztmögliche Instrument, das wir anwenden könnten zur Entscheidung der sogenannten K-Frage.

    Remme: Peter Ramsauer war das, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. - Herr Ramsauer, ich bedanke mich!

    Ramsauer: Ich danke auch sehr!

    Remme: Mitgehört hat Norbert Lammert. Er ist Chef der Unionslandesgruppe Nordrhein-Westfalen im Bundestag. Wie schwer dieser Landesverband wiegt zeigt eine Zahl. Mit knapp 200.000 Mitgliedern stellt allein NRW ein Drittel der Gesamtpartei. Guten Morgen Herr Lammert!

    Lammert: Guten Morgen Herr Remme.

    Remme: Herr Lammert, Edmund Stoiber hat sich bereit erklärt. Die Umfragen sprechen für ihn. Die CSU ist natürlich begeistert und auch aus Ihrer Partei, der CDU, kommt viel Ermutigung für Stoiber. Ist die Frage de facto entschieden?

    Lammert: Nein, sie ist de facto nicht entschieden, aber es ist völlig zutreffend, dass es ganz offensichtlich sowohl im Bereich der CDU Anhänger für Edmund Stoiber als auch umgekehrt in den Reihen der CSU, wie auch aus Ihrer Spontanumfrage von gestern deutlich geworden ist, Anhänger für Angela Merkel gibt. Das ist wie ich finde übrigens eine famose Ausgangsposition für die abschließende Entscheidung der beiden Parteivorsitzenden.

    Remme: Ist es auch eine famose Ausgangsposition für Frau Merkel?

    Lammert: Ich denke schon. Es würde jedenfalls unsere Ausgangsposition nicht erleichtern, wenn subjektiv und im äußeren Erscheinungsbild der Eindruck entstanden wäre oder entstehen würde, dass die Entscheidung für den einen oder die andere gleichzeitig eine Entscheidung gegen die jeweils andere Partei sei. Davon kann gar keine Rede sein.

    Remme: Herr Lammert, es überrascht ja nicht, wenn Peter Ramsauer, der CSU-Politiker auf die CSU-Landesgruppe verweist und auf eine Mehrheit für Edmund Stoiber in dieser Frage. Wen halten Sie für den besseren Kandidaten?

    Lammert: Ich habe schon vor vielen Wochen erklärt, dass ich persönlich eine Kandidatur von Angela Merkel bevorzugen würde, nicht weil ich völlig anderer Meinung wäre als diejenigen, die die Kandidatur von Edmund Stoiber unterstützen, sondern weil es auf die Gewichtung der Einschätzung der jeweiligen Erfolgsaussichten ankommt. Wir haben hier tatsächlich - und da stimme ich mit Peter Ramsauer völlig überein - die ganz nüchterne Abwägung zu treffen, in welcher Formation unsere Erfolgsaussichten für den angestrebten Regierungswechsel am größten sind. Da teile ich durchaus die Einschätzung, dass mit Edmund Stoiber das konservative Wählerpotential in Deutschland in einem ganz hohen Maße mobilisiert werden kann. Aber es muss immer darauf hingewiesen werden, dass damit alleine die notwendige Mehrheit für einen Regierungswechsel nicht zu erreichen ist. Wir müssen einen erheblichen Einbruch im Bereich der Wechselwähler erzielen. Da ist aus meiner Sicht die Chance mit Angela Merkel als Frau, als einer Kandidatin aus den jungen, aus den neuen Ländern und im übrigen zum erstenmal einer Kandidatin, die aus dem Bereich der Naturwissenschaften, nicht aus dem Bereich von Recht oder Geschichte kommt, besonders groß.

    Remme: Herr Lammert, ich will noch mal auf dieses Machtgefüge zwischen CSU und CDU zu sprechen kommen. Ist eine Entscheidung dieser Frage gegen den Willen der CDU-Vorsitzenden denkbar?

    Lammert: Denkbar ist vieles. Es kommt nicht darauf an, nun die Reihe der denkbaren Konstellationen durchzuspielen, sondern eine vernünftige Konstellation auch tatsächlich umzusetzen. Nun haben sich beide Parteivorstände schon vor Monaten darauf verständigt, dass sie von den beiden Vorsitzenden einen gemeinsamen Vorschlag erwarten. Das steht nun in den nächsten Tagen, jedenfalls wenigen Wochen an.

    Remme: Jürgen Rüttgers, Ihr Landesvorsitzender, gilt als Stütze von Angela Merkel. Ansonsten scheint es einsam zu werden um die Parteivorsitzende. Herr Lammert, warum ist das so?

    Lammert: Das ist nicht so. Richtig ist, dass gerade nach manchen Aufregungen der vergangenen Wochen die Neigung zu öffentlichen Stellungnahmen deutlich zurückgegangen ist. Daraus jetzt zu schlussfolgern, die Unterstützung für Angela Merkel sei zurückgegangen, halte ich für eine unbegründet vorschnelle Schlussfolgerung. Wir haben allerdings - das ist zutreffend - innerhalb der CDU sicher sowohl Befürworter einer Kandidatur von Angela Merkel wie auch ein beachtliches Maß an Zustimmung für eine Kandidatur von Edmund Stoiber. Nur ich habe den begründeten Eindruck, dass die jeweiligen Seiten auch mit dem jeweils anderen Vorschlag gut zurecht kommen und dass deswegen ein Vorschlag, den beide Parteivorsitzenden gemeinsam unterbreiten, mit einem ganz hohen Maß an Zustimmung in der gesamten Union rechnen kann. Das ist präzise die Ausgangsposition, die man für einen Wahlkampf braucht.

    Remme: Herr Lammert, Sie haben bereits vor einigen Wochen dafür plädiert, den Zeitplan für die Benennung eines Kandidaten zu ändern, die Entscheidung vorzuziehen. Bleiben Sie dabei? Hat Angela Merkel zu lange gewartet?

    Lammert: Die Debatte hat sich erledigt, nachdem die Parteivorstände sich in der beschriebenen Weise verständigt haben und im übrigen der Bundesparteitag diesem Verfahren ja auch ausdrücklich zugestimmt hat. Ich will das jetzt nicht sozusagen rückblickend noch mal durchdiskutieren. Es gibt schon Argumente, die für ein anderes Verfahren gesprochen hätten, aber auch hier gilt: man muss sich auf ein Verfahren verständigen. Das Verfahren, auf das man sich verständigt, muss man dann auch durchhalten.

    Remme: Kann nach den Äußerungen von gestern beider Seiten einer von beiden noch verzichten, ohne beschädigt zu werden?

    Lammert: Beide können aus meiner Sicht problemlos den jeweils anderen vorschlagen. Ich erwarte, dass dies auch unter Einbeziehung der Überlegungen, die in den Führungsgremien der Partei in dieser Woche ja angestellt werden, von beiden auch mit der gebotenen Sorgfalt abgewogen wird und dass am Ende dieser Gespräche dann ein gemeinsamer Vorschlag kommt.

    Remme: Und sollte dies nicht geschehen, ist dann, wie Herr Ramsauer sagt, die Fraktion der Ort, wo die Entscheidung fallen wird?

    Lammert: Ich halte das auch für eine erstens nicht angestrebte, zweitens dann wohl aber am ehesten praktikable Lösung, weil es aus vielerlei Gründen eine in den Satzungen der beiden Parteien geregelte Verfahrensordnung für eine solche Entscheidung nicht gibt.

    Remme: Vielen Dank! - Das war Norbert Lammert, Chef der Unionslandesgruppe Nordrhein-Westfalen im Bundestag.

    Link: Interview als RealAudio