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Dobrindt: "Wir wollen die Menschen entlasten"

Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU, hält eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes für richtig. Sie erhalte bis zum Aufschwung Arbeitsplätze. Die CSU wolle zudem den Menschen mit weiteren Entlastungen helfen.

Alexander Dobrindt im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Alexander Dobrindt: Grüß Gott, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Dobrindt, mit welcher Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt rechnen Sie?

    Dobrindt: Ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten noch eine relativ stabile Entwicklung haben, aber befürchten müssen, wenn die Konjunktur nicht sehr schnell anzieht, dass wir dann natürlich auch möglicherweise damit zu rechnen haben, dass Kurzarbeit sich in Arbeitslosigkeit umwandelt, und das ist natürlich tragisch.

    Heinemann: Vier, fünf, sechs Millionen?

    Dobrindt: Man kann heute keine Zahl sagen. Ich höre heute auch aus der Industrie schon wieder positive Botschaften, die sagen, jawohl, wir kommen in der zweiten Hälfte des Jahres schon wieder an einen gewissen Aufstieg. Es zeigt sich schon, dass neue Aufträge reinkommen, es zeigt sich, dass die Arbeit da zunimmt. Und wir schaffen es bis dahin, mit den neuen Kurzarbeiterregelungen und mit den Weiterbildungsmöglichkeiten, die die Bundesregierung da reingepackt hat, die Zeit zu überbrücken, sodass wir also uns nicht entscheiden müssen, Arbeitsplätze freizusetzen.

    Heinemann: Mit oder ohne soziale Unruhen?

    Dobrindt: Ja, also das ist natürlich irgendwie dummes Geschwätz, das muss man sagen. Wir haben einen Sozialstaat, der in der Tat sich um alle Menschen kümmert. Wir haben ein politisches System, das dafür sorgt, dass alle mitgenommen werden und dass solche konjunkturellen Dellen, die jetzt weltweit stattfinden, auch zu einem Höchstmaß abgefedert werden. Ich halte überhaupt nichts davon, jetzt hier eine Krise nach der anderen an die Wand zu malen, sondern wichtig ist es, den Menschen jetzt Vertrauen zu geben, zu sagen, Politik handelt, Politik tut das Möglichste, um bald eine Trendwende herbeizuführen. Und dafür haben wir gute Instrumente, dafür haben wir ein Konjunkturpaket 2 gemacht, und man sieht ja zum Teil, dass es auch schon wirkt. Also da von sozialen Unruhen zu reden, halte ich im höchsten Maß für unverantwortlich.

    Heinemann: Folgt auf Nummer zwei Nummer drei?

    Dobrindt: Es ist erst mal abzuwarten, dass das Konjunkturpaket 2 seine volle Wirkung entfaltet. Ich glaube, dass da noch ne Menge mehr getan werden kann von allen Seiten. Man sieht also, dass zum Beispiel die Weiterbildungsmaßnahmen, die gefördert werden, für diejenigen, die in Kurzarbeit sind, noch nicht in vollem Maße ausgeschöpft werden. Das wäre wichtig für die Arbeitnehmer, dass sie nach der Krise besser vorbereitet sind als jetzt vor der Krise. Wenn man all das noch richtig ausnutzt, ich glaube, dann sind wir auf einem guten Weg, da sollte man noch nicht über den nächsten Schritt sich unterhalten.

    Heinemann: Herr Dobrindt, der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, hat die geplante Verlängerung des Kurzarbeitergeldes von 18 auf 24 Monate hier bei uns im Deutschlandfunk kritisiert, es bestehe die Gefahr von Mitnahmeeffekten und auch von Missbrauch. Es gebe eben Unternehmen, die sich von Lohnkosten entlasten, indem sie Kurzarbeitergeld beantragen, und zwar Firmen, in denen gar keine Entlassungen drohen. Ist diese Maßnahme kontrollier- und steuerbar?

    Dobrindt: Ja, die Maßnahme ist steuerbar und die Maßnahme ist aus meiner Sicht deswegen wichtig, weil es insgesamt notwendig ist, dafür zu sorgen, die Phase der Überbrückung, bis der Aufschwung wieder kommt, möglichst kurzzuhalten für den Arbeitnehmer. Und wenn wir eine Chance sehen, dass dieser Aufschwung stattfindet, dann sollte es uns möglich sein, gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Arbeitsplätze in dieser Zeit erhalten bleiben und nicht Leute freigesetzt werden. Wenn man das durch eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds schaffen kann, dann ist es eine richtige Maßnahme. Mitnahmeeffekte muss man da entsprechend nicht diskutieren, sondern man muss die Chance diskutieren, dass die Arbeitnehmer in den Unternehmen bleiben können, und man muss die Chance für die Unternehmen diskutieren, die dann, wenn es wieder an die Abarbeitung von neuen Aufträgen geht, nicht Mitarbeiter suchen müssen, sondern auf ihr qualifiziertes Personal zurückgreifen können, das da ist. Ich glaube, das ist die Logik, die dahinterstehen muss.

    Heinemann: Und wie schließt man aus, dass Steuergelder eben für Mitnahmeeffekte, für Missbrauch verschleudert werden?

    Dobrindt: Man muss nicht immer in jedem Fall Missbrauch unterstellen, sondern man sollte mal unterstellen, dass diejenigen, die heute in einer verantwortlichen Position in der Wirtschaft stehen, auch mit den Möglichkeiten, die ihnen der Staat gibt, verantwortlich umgehen. Ich unterstelle nicht jedem, der heute sich in einer schwierigen Situation in der Wirtschaftskrise befindet, dass er als Erstes an Missbrauch denkt, sondern die meisten, die ich aus dem Mittelstand kenne, denken daran, wie komme ich über die Runden, wie kann ich meinen Mitarbeitern helfen, wie kann ich das Unternehmen fortsetzen. Auf der Basis muss man diskutieren.

    Heinemann: Herr Dobrindt, nun gibt es viele Programme zur Bekämpfung der Krise, die Konjunkturprogramme, jetzt das Kurzarbeitergeld. Gibt es darüber hinaus überhaupt noch Spielraum für Steuersenkungen, wie die Union das fordert?

    Dobrindt: Es ist ja auch eines ganz, ganz wichtig: Wir haben natürlich die Verantwortung, dass wir nicht die Schulden in die nächste Generation weitergeben, wir haben aber auch die Verantwortung, dass wir nicht eine Krise in die nächste Generation weitergeben. Und deswegen muss man Lösungsansätze dafür entwickeln. Die CSU hat ein Lösungspaket dafür geschnürt, das heißt letztlich, dass wir ein steuerliches Gesamtpaket zur Entlastung der Bürger auf den Weg bringen müssen. Nur Menschen, die jetzt mehr Chancen, mehr Flexibilität, auch in finanzieller Hinsicht, haben, können sich selber auch gegen die Krise ein Stück weit wehren. Wir glauben, dass das das richtige Konzept ist. Und deswegen muss man diese Spielräume schaffen.

    Heinemann: Wissenschaftler, wie zum Beispiel Professor Franz, der Wirtschaftsweise, sehen einfach dafür gar keinen Spielraum.

    Dobrindt: Ja, wenn man wenig Fantasie hat, dann findet man auch keine Spielräume, und wenn man sagt, Politik ist hilflos, dann kann man auch nichts gegen die Krise machen. Das ist nicht die Art und Weise, wie wir Politik verstehen. Wir glauben, dass wir einen Weg aus der Krise finden können. Dieser Weg geht über Entlastungen der Menschen, das ist die einzige Möglichkeit. Das, was andere heute sagen – Steuerschraube weiter anziehen, dem Staat Handlungsfähigkeit erhalten, lieber den Bürgern mehr Geld wegnehmen –, ich glaube, dass das definitiv nicht der Weg aus der Krise ist, sondern das verschärft die Krise. Wir gehen einen anderen Weg, wir wollen die Menschen entlasten.

    Heinemann: Die Ausgabefantasie wird vor Wahlen besonders rege – besteht da ein Zusammenhang?

    Dobrindt: Nein, da besteht kein Zusammenhang. Die Situation ist, dass wir feststellen, dass bei den Menschen auch eine Angst vor Arbeitslosigkeit um sich greift, und diese Angst vor Arbeitslosigkeit, die muss mit Fantasie und Ideen von der Politik aus mit bekämpft werden. Und das wollen wir tun. Und ich glaube, wir haben jetzt dargelegt, dass die nötigen Konzepte dafür letztlich da sind. Wir werden das in unserem Wahlprogramm Ende Juni entsprechend auch vorstellen, und wir haben als CSU auch in unserem Steuerpaket schon deutlich gemacht, wo wir die Chancen sehen.

    Heinemann: Stichwort Fantasie, Herr Dobrindt: Schließen Sie eine Verringerung der Renten bis zum Jüngsten Gericht aus?

    Dobrindt: Ich weiß nicht, wann das Jüngste Gericht kommt, ich hoffe, es ist noch sehr lange hin. Und von daher würde ich mal sagen, für die Zeit, die ich überschaubar übersehen kann, und das sind noch einige Jahrzehnte, würde ich sagen, kommen Rentenkürzungen wie das, was ich da alles lese, in der Form sicher nicht infrage.

    Heinemann: Das heißt, Fortsetzung der Politik von Helmut Kohl, die Rentner – die ja fleißig wählen – ruhigstellen und andere, zum Beispiel die Familien, im Regen stehen lassen?

    Dobrindt: Nein, das heißt, denjenigen die Leistung gönnen, die sich diese Leistung erarbeitet haben, das ist die Rentnergeneration. Ich glaube, dass das etwas ist, was gesellschaftlich Konsens ist, dass hier etwas erarbeitet wurde und diesen Menschen zusteht. Die Rentenformel bindet ja auch die Rentenerhöhung eindeutig an das Wachstum der Arbeitsentgelte, von daher ist auch da eine ganz klare Regelung da. Das wird auch zu weiterem Wachstum bei den Rentnern führen, das ist richtig.

    Heinemann: Und wenn die Entgelte im Zuge der Krise zurückgingen, sollte man dann die Rentenformel über Bord werfen?

    Dobrindt: Ich sehe momentan überhaupt keine Situation auf uns zukommen, dass insgesamt die Löhne dermaßen zurückgehen, dass es sich auf die Rentenformel auswirkt.

    Heinemann: CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Dobrindt: Danke schön, Herr Heinemann, auf Wiederhören!