Alexandra Gerlach: Zwei Jahre auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 576.000 Euro, ein mildes Urteil nach nur zwei Prozesstagen. Der Name Peter Hartz steht seit dieser Woche nicht mehr nur für eine umstrittene Arbeitsmarktreform, sondern auch für ein besonderes Husarenstück, das in der Geschichte der modernen Wirtschaftsstrafverfahren Schule zu machen scheint. Kommentatoren sprechen von einem schalen Nachgeschmack, von einem Ablasshandel, der nach diesem Urteil bleibe. Ein Urteil, das kein Urteil, sondern ein Handel gewesen sei, ganz nach dem Motto, gibst du mir ein umfassendes Geständnis, bekommst du von mir Milde. Juristisch korrekt, moralisch fragwürdig, meinen viele Bürger und fragen sich, ob man in einer bestimmten Liga spielen muss, um eine solche De-Luxe-Verurteilung zu bekommen. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Uwe Döring, dem Justizminister von Schleswig-Holstein. Guten Morgen!
Uwe Döring: Guten Morgen, Frau Gerlach!
Gerlach: Herr Döring, können Sie das verstehen? Die Bürgerinnen und Bürger tun sich schwer damit, diese Art von Gerechtigkeit nachzuvollziehen.
Döring: Ja wenn der Eindruck entsteht, dass man sich freikaufen kann, dass Wirtschaftsführer mit teuren Anwälten immer glimpflich davonkommen und dass es so was gibt wie eine Scheckbuchjustiz, das strapaziert natürlich das Rechtsempfinden. Das war beim Fall Ackermann so und jetzt bei Hartz natürlich ganz deutlich. Dieser Eindruck darf aber nicht entstehen. Ich möchte auch dieses Urteil eigentlich nicht so sehr kommentieren, ich kenne die Einzelheiten zu wenig, aber öffentlich kommt dieser Eindruck natürlich rüber, und deswegen ist es ganz wichtig, dass bei solchen Verständigungen im Strafprozess es Regeln gibt, und zur Zeit kennen wir eigentlich in der Strafprozessordnung so etwas gar nicht. Und der Bundesgerichtshof hat daher zurecht gefordert, dass der Gesetzgeber dieses jetzt so regeln muss, dass auch der Bürger versteht, warum man solche Verständigungen im Strafprozess macht, und das ist bisher nicht geschehen, und ich finde deswegen auch gut, dass Frau Zypries jetzt einen Referentenentwurf auf den Weg gebracht und im Frühjahr dieses im Bundeskabinett einbringen will, so dass wir hoffentlich in diesem Jahr eine gesetzliche Regelung für diese Fälle bekommen.
Gerlach: Nun fragt man sich natürlich, warum weicht die Justiz in diesem Falle überhaupt ab von dem normalen Prozedere, wo ja ganz normal eine Beweisaufnahme begonnen wird, dann werden alle möglichen Zeugen gehört und so weiter, warum verkürzt man es hier so drastisch, was bringt das?
Döring: Das ist nicht nur in diesem Fall so, dieses ist natürlich ein spektakulärer Fall. Wir kennen diese Verständigung seit vielen Jahren, und die ist eigentlich erforderlich, um auf die Arbeitsfähigkeit der Gerichte zu erhalten, dass man also nicht unnötig Dinge aufklärt, wenn man sie auch durch ein Geständnis entsprechend aufklären kann. Eingeführt worden ist so was mal im Bereich der Drogenkriminalität, wo man Kleindealer vor Gericht hat und sehr viele kleine Sachverhalte aufklären muss, eigentlich vielmehr Interesse daran hat, die Hintermänner zu bekommen, und da hat man solche Absprachen gemacht mit einem Geständnis, um dann prozessökonomisch schneller voranzukommen. Das ist allerdings jetzt übertragen worden auf Wirtschaftskriminalität, und da wird es natürlich bedenklich, wenn man nicht auch in diesen Fällen eine größtmögliche Sachaufklärung betreibt.
Gerlach: Die Ökonomisierung des Strafverfahrens steht ja hier auf der einen Seite. Die Frage ist natürlich auch, inwieweit wird denn der Glaube an das Recht zerbrechen auf Dauer mit so einer Lösung?
Döring: Ja, das darf eben nicht passieren. Wenn das passiert, haben wir ganz schweren Schaden beim Rechtsempfinden, und deswegen muss in der gesetzlichen Regelung auch unbedingt enthalten sein, dass Voraussetzung ein umfassendes, ein glaubwürdiges Geständnis ist, das auch vom Gericht überprüft wird. Also man kann nicht einfach das hinnehmen, was ein Angeklagter erklärt, sondern das Gericht muss sich auch selbst davon überzeugen, dass dieses nach seinen Erkenntnissen der Wahrheit entspricht. Darüber hinaus ist ganz, ganz wichtig, dass es eine ausführliche Dokumentation dieser Verständigung gibt, also ein Protokoll, und dass öffentlich begründet wird, warum man so verfährt. Und schließlich als Letztes, die Strafe muss angemessen sein. Es ist nicht so, dass ein Gerichtsaal ein Bazar ist. Dieser Eindruck darf nicht entstehen. Wenn das passiert, haben wir ganz schweren Schaden in unserem Rechtsempfinden.
Gerlach: Nun hat man gerade bei diesem Urteil gegen Peter Hartz natürlich zwiespältige Gefühle als ganz normaler Bürger. Halten wir mal fest: Er hat dem Volkswagenkonzern einen Schaden in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro verursacht. Er wird zur Kasse gebeten mit knapp 600.000 Euro aus seinem eigenen Portemonnaie, hat aber, das wissen wir inzwischen alle über die Zeitungen, über die Veröffentlichungen der letzten Tage, ein riesiges Vermögen. Es wird ihm mit anderen Worten nicht sehr wehtun, diese 600.000 Euro zu zahlen, und abgesehen davon, hat er zwei Jahre auf Bewährung. Das ist doch reichlich milde, oder?
Döring: Das ist ein relatives mildes Urteil, aber, wie gesagt, die Einzelheiten kenne ich nicht. Auf den ersten Eindruck ist es tatsächlich so, dass man sagt, er ist sehr glimpflich davon gekommen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die ich für eine seriöse Politikerin halte, hat dieses ja auch schon kritisiert. Aber das darf sich nicht, wie gesagt, gegen dieses Instrument der Absprache wenden, weil das in vielen Fällen sinnvoll ist.
Gerlach: Sie haben eben noch mal betont, dass man unbedingt das qualifizierte Geständnis braucht als unverzichtbare Grundlage für einen solchen Handel. Welche Rolle spielt denn die Reue?
Döring: Reue ist etwas, was sicherlich auch in einem Geständnis mit eine Rolle spielen kann, und es wird sicherlich eine Sache sein, die über das Strafmaß dann sich mit auswirkt. Das ist übrigens auch im ganz normalen Prozess so, dass ein Geständnis immer strafmildernd ist. Insofern kann es hier auch nicht anders sein, und Reue ist sicherlich etwas, was besonders zu berücksichtigen ist innerhalb eines solchen umfassenden Geständnisses.
Gerlach: Nun nehmen wir mal an, diese Regelung wird also tatsächlich in einem Gesetz weiter verfeinert. Wenn ich jetzt ein armer Schlucker bin und stehe vor Gericht, kann mich nicht freikaufen, ich benutze diesen Begriff jetzt ganz bewusst, was passiert dann mit mir?
Döring: Das hat nichts damit zu tun, ob man arm oder reich ist. Natürlich hat es damit was zu tun, ob man einen guten oder einen teuren Anwalt sich leisten kann oder nicht, aber unabhängig davon gilt eine solche Regelung, wenn sie in der Strafprozessordnung ist, natürlich für alle Fälle und auch für alle Angeklagten, unabhängig von ihrem persönlichen Einkommen oder Vermögen.
Gerlach: Was muss denn Politik tun, um dieses neue Vorhaben im Strafrecht auch den Bürgern schmackhaft zu machen in der Öffentlichkeit?
Döring: Ja, wir dürfen eben nicht den Eindruck erwecken, dass man sich hier tatsächlich freikaufen kann, sondern es muss klar werden, es gibt bestimmte Sachverhalte, bei denen ich jetzt, wenn ich sie weiter aufklären würde, sehr viel Zeit und sehr viel Geld kosten würde, es mich aber eigentlich nicht weiterbringen würde in der Frage der Schuldangemessenheit, in der Frage, welches Urteil kommt nachher dabei heraus. Wenn ich das vermittle, dass ich sage, ich würde jetzt noch zwei Monate weiter verhandeln, wäre am Ende dieser Verhandlung nicht viel weiter als jetzt, wenn das deutlich wird, dann, denke ich, können das auch Bürger verstehen. Dazu gehört aber, dass das nicht im stillen Kämmerlein geschieht, sondern dass in öffentlicher Verhandlung deutlich gemacht wird, warum man so verfährt, und dass dieses auch schriftlich festgehalten und begründet wird. Dann haben auch Journalisten die Möglichkeit, dieses alles nachzuprüfen, und dann kommt auch das Gericht und die Parteien eigentlich in den Zugzwang, dieses so zu begründen, dass jeder das verstehen kann, dass es eine sinnvolle Lösung ist. Dahin müssen wir kommen. Wenn das nicht gelingt, dann, wie gesagt, haben wir tatsächlich Schaden in unserem Rechtsempfinden und in unserem Rechtsstaat.
Uwe Döring: Guten Morgen, Frau Gerlach!
Gerlach: Herr Döring, können Sie das verstehen? Die Bürgerinnen und Bürger tun sich schwer damit, diese Art von Gerechtigkeit nachzuvollziehen.
Döring: Ja wenn der Eindruck entsteht, dass man sich freikaufen kann, dass Wirtschaftsführer mit teuren Anwälten immer glimpflich davonkommen und dass es so was gibt wie eine Scheckbuchjustiz, das strapaziert natürlich das Rechtsempfinden. Das war beim Fall Ackermann so und jetzt bei Hartz natürlich ganz deutlich. Dieser Eindruck darf aber nicht entstehen. Ich möchte auch dieses Urteil eigentlich nicht so sehr kommentieren, ich kenne die Einzelheiten zu wenig, aber öffentlich kommt dieser Eindruck natürlich rüber, und deswegen ist es ganz wichtig, dass bei solchen Verständigungen im Strafprozess es Regeln gibt, und zur Zeit kennen wir eigentlich in der Strafprozessordnung so etwas gar nicht. Und der Bundesgerichtshof hat daher zurecht gefordert, dass der Gesetzgeber dieses jetzt so regeln muss, dass auch der Bürger versteht, warum man solche Verständigungen im Strafprozess macht, und das ist bisher nicht geschehen, und ich finde deswegen auch gut, dass Frau Zypries jetzt einen Referentenentwurf auf den Weg gebracht und im Frühjahr dieses im Bundeskabinett einbringen will, so dass wir hoffentlich in diesem Jahr eine gesetzliche Regelung für diese Fälle bekommen.
Gerlach: Nun fragt man sich natürlich, warum weicht die Justiz in diesem Falle überhaupt ab von dem normalen Prozedere, wo ja ganz normal eine Beweisaufnahme begonnen wird, dann werden alle möglichen Zeugen gehört und so weiter, warum verkürzt man es hier so drastisch, was bringt das?
Döring: Das ist nicht nur in diesem Fall so, dieses ist natürlich ein spektakulärer Fall. Wir kennen diese Verständigung seit vielen Jahren, und die ist eigentlich erforderlich, um auf die Arbeitsfähigkeit der Gerichte zu erhalten, dass man also nicht unnötig Dinge aufklärt, wenn man sie auch durch ein Geständnis entsprechend aufklären kann. Eingeführt worden ist so was mal im Bereich der Drogenkriminalität, wo man Kleindealer vor Gericht hat und sehr viele kleine Sachverhalte aufklären muss, eigentlich vielmehr Interesse daran hat, die Hintermänner zu bekommen, und da hat man solche Absprachen gemacht mit einem Geständnis, um dann prozessökonomisch schneller voranzukommen. Das ist allerdings jetzt übertragen worden auf Wirtschaftskriminalität, und da wird es natürlich bedenklich, wenn man nicht auch in diesen Fällen eine größtmögliche Sachaufklärung betreibt.
Gerlach: Die Ökonomisierung des Strafverfahrens steht ja hier auf der einen Seite. Die Frage ist natürlich auch, inwieweit wird denn der Glaube an das Recht zerbrechen auf Dauer mit so einer Lösung?
Döring: Ja, das darf eben nicht passieren. Wenn das passiert, haben wir ganz schweren Schaden beim Rechtsempfinden, und deswegen muss in der gesetzlichen Regelung auch unbedingt enthalten sein, dass Voraussetzung ein umfassendes, ein glaubwürdiges Geständnis ist, das auch vom Gericht überprüft wird. Also man kann nicht einfach das hinnehmen, was ein Angeklagter erklärt, sondern das Gericht muss sich auch selbst davon überzeugen, dass dieses nach seinen Erkenntnissen der Wahrheit entspricht. Darüber hinaus ist ganz, ganz wichtig, dass es eine ausführliche Dokumentation dieser Verständigung gibt, also ein Protokoll, und dass öffentlich begründet wird, warum man so verfährt. Und schließlich als Letztes, die Strafe muss angemessen sein. Es ist nicht so, dass ein Gerichtsaal ein Bazar ist. Dieser Eindruck darf nicht entstehen. Wenn das passiert, haben wir ganz schweren Schaden in unserem Rechtsempfinden.
Gerlach: Nun hat man gerade bei diesem Urteil gegen Peter Hartz natürlich zwiespältige Gefühle als ganz normaler Bürger. Halten wir mal fest: Er hat dem Volkswagenkonzern einen Schaden in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro verursacht. Er wird zur Kasse gebeten mit knapp 600.000 Euro aus seinem eigenen Portemonnaie, hat aber, das wissen wir inzwischen alle über die Zeitungen, über die Veröffentlichungen der letzten Tage, ein riesiges Vermögen. Es wird ihm mit anderen Worten nicht sehr wehtun, diese 600.000 Euro zu zahlen, und abgesehen davon, hat er zwei Jahre auf Bewährung. Das ist doch reichlich milde, oder?
Döring: Das ist ein relatives mildes Urteil, aber, wie gesagt, die Einzelheiten kenne ich nicht. Auf den ersten Eindruck ist es tatsächlich so, dass man sagt, er ist sehr glimpflich davon gekommen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die ich für eine seriöse Politikerin halte, hat dieses ja auch schon kritisiert. Aber das darf sich nicht, wie gesagt, gegen dieses Instrument der Absprache wenden, weil das in vielen Fällen sinnvoll ist.
Gerlach: Sie haben eben noch mal betont, dass man unbedingt das qualifizierte Geständnis braucht als unverzichtbare Grundlage für einen solchen Handel. Welche Rolle spielt denn die Reue?
Döring: Reue ist etwas, was sicherlich auch in einem Geständnis mit eine Rolle spielen kann, und es wird sicherlich eine Sache sein, die über das Strafmaß dann sich mit auswirkt. Das ist übrigens auch im ganz normalen Prozess so, dass ein Geständnis immer strafmildernd ist. Insofern kann es hier auch nicht anders sein, und Reue ist sicherlich etwas, was besonders zu berücksichtigen ist innerhalb eines solchen umfassenden Geständnisses.
Gerlach: Nun nehmen wir mal an, diese Regelung wird also tatsächlich in einem Gesetz weiter verfeinert. Wenn ich jetzt ein armer Schlucker bin und stehe vor Gericht, kann mich nicht freikaufen, ich benutze diesen Begriff jetzt ganz bewusst, was passiert dann mit mir?
Döring: Das hat nichts damit zu tun, ob man arm oder reich ist. Natürlich hat es damit was zu tun, ob man einen guten oder einen teuren Anwalt sich leisten kann oder nicht, aber unabhängig davon gilt eine solche Regelung, wenn sie in der Strafprozessordnung ist, natürlich für alle Fälle und auch für alle Angeklagten, unabhängig von ihrem persönlichen Einkommen oder Vermögen.
Gerlach: Was muss denn Politik tun, um dieses neue Vorhaben im Strafrecht auch den Bürgern schmackhaft zu machen in der Öffentlichkeit?
Döring: Ja, wir dürfen eben nicht den Eindruck erwecken, dass man sich hier tatsächlich freikaufen kann, sondern es muss klar werden, es gibt bestimmte Sachverhalte, bei denen ich jetzt, wenn ich sie weiter aufklären würde, sehr viel Zeit und sehr viel Geld kosten würde, es mich aber eigentlich nicht weiterbringen würde in der Frage der Schuldangemessenheit, in der Frage, welches Urteil kommt nachher dabei heraus. Wenn ich das vermittle, dass ich sage, ich würde jetzt noch zwei Monate weiter verhandeln, wäre am Ende dieser Verhandlung nicht viel weiter als jetzt, wenn das deutlich wird, dann, denke ich, können das auch Bürger verstehen. Dazu gehört aber, dass das nicht im stillen Kämmerlein geschieht, sondern dass in öffentlicher Verhandlung deutlich gemacht wird, warum man so verfährt, und dass dieses auch schriftlich festgehalten und begründet wird. Dann haben auch Journalisten die Möglichkeit, dieses alles nachzuprüfen, und dann kommt auch das Gericht und die Parteien eigentlich in den Zugzwang, dieses so zu begründen, dass jeder das verstehen kann, dass es eine sinnvolle Lösung ist. Dahin müssen wir kommen. Wenn das nicht gelingt, dann, wie gesagt, haben wir tatsächlich Schaden in unserem Rechtsempfinden und in unserem Rechtsstaat.