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Dokumentationspflicht

Die Verbraucher sollen wissen, was bei ihnen auf den Tisch kommt - Landwirtschaft und Ernährungsindustrie haben das Konzept einer "gläsernen Produktion" erdacht, um diesen Anspruch einzulösen. Dazu gehört nach Meinung der Bundesregierung auch eine lückenlose Dokumentation der Medikamente, die die Tiere auf dem Bauernhof erhalten. Der Landwirt muss sie künftig in einem Bestandsbuch für Tierarzneien festhalten, der Bundesrat hat dieser Vorschrift am Freitag zugestimmt. Der Bauernverband hatte sich im Vorfeld übrigens allen Bekenntnissen zur gläsernen Produktion zum Trotz gegen dieses Vorhaben ausgesprochen, er befürchtete zu viel Bürokratie auf dem Bauernhof.

Von Annette Eversberg | 16.07.2001
    Für den Tierarzt ist die Dokumentation nicht neu. Bisher musste er bereits einen Beleg ausfüllen, aus dem klar hervorging, welche Tierarzneimittel er in einem landwirtschaftlichen Betrieb verabreicht hatte. Der Landwirt war dagegen nur verpflichtet, Wartezeiten einzuhalten. Das bedeutet, dass die Milch von Tieren, die mit einem Medikament behandelt wurden, erst nach sieben Tagen wieder an die Molkerei abgegeben werden darf. Bei Tieren, deren Fleisch für den Verzehr bestimmt ist, beträgt die Wartezeit sogar 28 Tage. Dabei war es bisher allerdings schwer zu kontrollieren, welche Mengen an Tierarzneimittel abgegeben wurden. Mit dem neuen Bestandsbuch für die Tierarzneimittelgaben, dem der Bundesrat soeben zugestimmt hat, muss nun auch der Landwirt die Behandlung in seinem Betrieb lückenlos dokumentieren, erläutert Dr. Martin Heilemann vom schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium in Kiel:

    Hieraus muss sich dann ergeben, welche Tiere behandelt worden sind, wer ihm hier fachliche Unterstützung gegeben hat, soll heißen, welcher Tierarzt ihn hier begleitet hat bei der Behandlung, welches Arzneimittel zum Einsatz gekommen ist. Dem steht gegenüber dann dieser Beleg des Tierarztes, dann bekommen wir über die Stufe Tierarzt-Landwirt hinweg eine neue Nachvollziehbarkeit, eine Qualität, die wir bisher nicht hatten.

    Ein Tierarzt muss künftig auch die Menge begrenzen. Der Landwirt erhält nur soviel Medikamente für ein erkranktes Tier, dass damit eine Behandlung von maximal 7 Tagen erfolgen kann. Bei einer Nachbehandlung liegt die Entscheidung beim Tierarzt. Neu ist, dass sich der Tierarzt bei seinen Maßnahmen vom Verbraucherschutz leiten lassen muss. Seine Stellung wird gestärkt, wie dies bereits an anderer Stelle der Fall ist. Martin Heilemann:

    Wir haben eine Schweinehaltungshygieneverordnung, in diesem Rahmen gibt es einen festgeschriebenen betreuenden Tierarzt. Hier hat der Tierarzt die Aufgabe eines Beraters und wird schon im Vorfeld von Erkrankungen tätig, und kann ,weil seine Anwesenheit früh erfolgt sich auch früh bei nachteiligen Veränderungen des klinischen Bestandsbildes hier drauf einstellen. Und im Einzelfall auch therapeutisch an den Bestand heranmachen.

    Denn nicht in allen Fällen ist ein Landwirt in der Lage, die richtige Diagnose zu stellen. Das gehöre, so Professor Edgar Schallenberger vom Institut für Tierzucht und Tierhaltung der Universität Kiel auch nicht zur guten fachlichen Praxis eines Landwirts.

    Ich würde sagen, sie gehört zur guten fachlichen Praxis des Tierarztes, der dafür ausgebildet ist. Es ist natürlich so, dass der Tierarzt nicht jedes Mittel bei jedem Tier auch selber applizieren muss. Das kann der Landwirt. Aber die Verantwortung sollte beim Tierarzt verbleiben.

    Das neue Bestandsbuch ist ein wichtiger Faktor im Konzept einer gläsernen Produktion. Bei unseren skandinavischen Nachbarn in Schweden zum Beispiel, ist die lückenlose Dokumentationspflicht schon längst gang und gäbe, betont Edgar Schallenberger:

    Am Abend weiß im Prinzip die zentrale schwedische Überwachungsbehörde, was, wo, wann im Land eingesetzt wurde. Und man muss natürlich sagen, das ist nicht nur negativ zu bewerten, sondern auch positiv. Weil wir dann auch in der Tierzucht viel klarere Angaben haben, welche Medikamente aber auch welche Diagnosen werden irgendwo gestellt, und wir können auch unsere Zucht besser darauf ausrichten. Das heißt, der ganze Komplex der Gesundheitsvorsorge sollte stärker betont werden, als es heute der Fall ist.

    Eines kann das neue Bestandsbuch jedoch nicht ersetzen. Die Rückstandskontrollen bei der Schlachtung. Zwar sind auch hier die in den Proben gefundenen verbotenen Substanzen rückläufig, aber es gibt sie noch immer, wie der Bericht des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zeigt. Für Martin Heilemann vom Kieler Landwirtschaftsministerium gibt es da nur einen Weg:

    Hier brauchen wir letztlich die Staatsanwaltschaft, wir brauchen nicht die Überwachung von tierärztlichen Hausapotheken.