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Doping-Studie
Ja, es wird gedopt

Laut einer jetzt erst veröffentlichten, aber seit Jahren bekannten Studie hat rund ein Drittel der Teilnehmer der Leichtathletik-WM vor sechs Jahren gedopt. Die Daten seien ein weiterer Beleg für ein weltweites Dopingsystem, von dem korrupte Funktionäre profitiert haben, kommentiert Andrea Schültke.

Von Andrea Schültke | 29.08.2017
    Eine Frau hält eine kleine Glasflasche des Mittels Mildronat in der Hand.
    Die Studie gibt es seit fünf Jahren, die Ergebnisse sind längst durchgesickert. Doch die Arbeit der Wissenschaftler durfte bis heute nicht veröffentlicht werden. (Rainer Jensen/dpa)
    Es waren einmal Verbandsfunktionäre. Die handelten zum Wohle des Sports und der Athleten. In der Welt des fairen Wettbewerbs.
    Diese Welt wurde aber dann von etwas Bösem heimgesucht.
    Von einer Studie nämlich, die wissenschaftlich belegt: Ja, es wird gedopt. Und ja, das Ausmaß des Dopings übertrifft die Anzahl positiver Tests bei Weitem.
    Die Studie, die das - zumindest für die Leichtathletik nachweist - gibt es seit fünf Jahren. Auch die Ergebnisse sind längst durchgesickert. Die Arbeit der Wissenschaftler durfte aber bis heute nicht veröffentlicht werden. Der Welt-Leichtathletik-Verband, IAAF, hatte was dagegen.
    Ein System aus Korruption und Geldwäsche
    Der Präsident damals: Lamine Diack. In seinen 16 Jahren an der Spitze hatte der Senegalese im Verband ein perfides System installiert, das weltweit Doping gegen Geld vertuschte, Marketingverträge zum persönlichen Vorteil abschloss und den Sport benutzte, um das große Geld in die eigenen Taschen zu wirtschaften. Lamine Diack steht wegen des Verdachts auf Korruption und Geldwäsche unter Hausarrest. Sein Sohn Papa Diack, der ebenfalls in die IAAF-Machenschaften verstrickt war, wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.
    Nach dem erzwungenen Rücktritt Diacks vom Amt des IAAF-Präsidenten hätte sein Nachfolger für Transparenz sorgen können: Sebastian Coe. Der Mann, der acht Jahre lang unter Lamine Diack Vize-Präsident war und von den Machenschaften seines Vorgängers nichts gewusst haben will.
    Zwei Jahre nach Coes Amtsantritt darf die Welt nun die bisher unter Verschluss gehaltene Studie endlich kennenlernen und offiziell wissen, was ihr seit Jahren bekannt ist: Ja, in der Welt-Leichtathletik und wohl auch in anderen Sportarten wird umfassend gedopt.
    Und wer ist dafür verantwortlich?
    Es sind nicht die Athleten, sondern die Funktionäre, die wirksamere Kontrollen verhindern und damit dafür sorgen, dass gesunde Sportler krankmachende Substanzen einnehmen, damit sie Medaillen gewinnen. Neben den Erkenntnissen über den russischen Dopingskandal sind die heute veröffentlichten Daten ein weiterer Beleg für ein weltweites Dopingsystem, von dem korrupte Funktionäre profitiert haben.
    Eine Studie als Augenöffner
    Für die heute veröffentlichte Studie wurden im Jahr 2011 auch deutsche Sportler anonym befragt. Auch ein Drittel von ihnen könnte auf die Frage nach dem Doping mit "Ja" geantwortet haben.
    Wäre dies ein Märchen, würden jetzt den Erfindern der Leistungssportreform in Deutschland die Augen aufgehen. Sie würden sich fragen: Tun wir das Richtige, wenn wir von unseren Athleten mehr Medaillen wollen und gleichzeitig sauberen Sport? Sie würden umdenken. Ihnen wären die Athleten wichtiger als Medaillen. Es ginge ihnen um Spaß am Leistungssport und - ja - auch um seine Werte.