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Dopingkontrollen bei der WM
Der mächtigste Sportfachverband der Welt stellt sich auf stur

Rund um die Dopingkontrollen während der WM in Russland gibt es viele Fragen. Doch bei der FIFA mache man die Schotten dicht, kommentiert Hajo Seppelt im Dlf. Dabei sollte Weltverband angesichts der großen Dopingskandale der vergangenen Jahre längst begriffen haben, was das Gebot der Stunde ist: Transparenz und Unabhängigkeit.

Von Hajo Seppelt |
    Eine Dopingkontrolle während des WM-Spiels Uruguay gegen Frankreich.
    Eine Dopingkontrolle während des WM-Spiels Uruguay gegen Frankreich. (imago )
    Wer glaubt, dass Dopingkontrollen im Sport wirklich umfänglich sind und Sportverbände oder Anti-Doping-Agenturen wirklich stets nach allem suchen, was an verbotenen Substanzen oder Methoden womöglich im Sport eingesetzt wird, der sollte sich nicht täuschen lassen. Das Dokument, das den schönen Schein entlarvt und das kaum ein Außenstehender kennt, sondern nur wirkliche Experten, heißt "Technisches Dokument für sportspezifische Analysen". Und es offenbart den Widerspruch zwischen der Propaganda etlicher Lobbyisten des organisierten Sports und der Realität.
    Fakt ist: in etlichen durchaus dopinganfälligen Sportarten wird im Regelfall nur jede 10. Probe auf hochwirksame und mutmaßlich zu den Klassikern der Betrugsbranche zählende Substanzen getestet: nämlich EPO, Wachstumshormone und Peptide. So etwa im Fußball. Das heißt im Umkehrschluss: bei 90 Prozent der Dopingproben im Fußball werden Analysen auf diese harten und effektiven Mittel des Sportbetrugs gar nicht durchgeführt.
    Dazu kommt, dass bei manchen dieser Mittel das Nachweisfenster, in dem man sie aufspüren könnte, nicht größer ist als bis zu 24 oder 48 Stunden nach der Verabreichung. Somit ist klar: die Chance, Betrüger im Fußball und in manch anderen Sportarten zu finden - diese Chance ist hier verschwindend gering.
    Bessere Kontrollsysteme könnten aus der Portokasse bezahlt werden
    Verteidiger dieser laschen Regeln argumentieren gern, dass es immerhin ja schon mal für eine gewisse Abschreckung sorgen würde. Aber: Wer weiß das schon und wie sollte man das überhaupt messen können? Immerhin, so erklärt die FIFA jetzt, würden bei dem Ausdauerturbomittel EPO während der WM signifikant mehr Analysen gemacht werden.
    Nach der WM fällt man aber wieder im globalen Fussballbetrieb auf das vorgeschriebene Minimum an Proben zurück. Fakt ist: die milliardenschwere Branche könnte es aus der Portokasse bezahlen, ein umfangreicheres, effektiveres und wirklich glaubwürdiges Kontrollsystem weltweit aufzuziehen. Wer sonst als die FIFA hat solche finanziellen Möglichkeiten?
    Als der einstige Chefmediziner des Weltverbandes, Jiří Dvořák, mehr und bessere Standards einforderte - zum Beispiel ein weltweites System der Messung und Kontrolle von Blutwerten - , dauerte es nicht lange, da war er seinen Job bei der FIFA los. Er hatte auch mehr Engagement bei der Aufklärung des russischen Staatsdopings befürwortet. Dass er gerade dann gehen musste, wird von Kritikern nicht als Zufall gewertet. Doch beim Weltverband macht man die Schotten dicht: auf Interview-Anfragen zu den Dopingkontrollen bei der WM wird nicht reagiert, dünne nichtssagende Statements bei Pressekonferenzen, es wird nicht einmal gestattet, sich ein Bild von den örtlichen Gegebenheiten der FIFA-Dopingtest-Organisation in Russland zu machen.
    Fußball-Protagonisten reden Probleme eher klein
    Ein Closed Shop. Dabei sollte doch auch die FIFA angesichts der großen Dopingskandale der vergangenen Jahre längst begriffen haben, was das Gebot der Stunde ist: Transparenz und Unabhängigkeit. Doch der mächtigste Sportfachverband der Welt stellt sich auf stur, Fußball-Protagonisten reden die Probleme eher klein oder leugnen sie ganz.
    Dabei sind die offenkundigen Verstrickungen des Fußballs ins Dopingmilieu in Vergangenheit und Gegenwart längst aktenkundig: ob in Italien oder Spanien, ob in Russland oder Brasilien. Auch in Deutschland, wie Toni Schumacher es als erster schon vor 30 Jahren beschrieb. Die arrogante Haltung, so etwas kleinzureden oder auszublenden, hat sich auch schon bei anderen Sportverbänden gerächt. Die Lobby der Verharmloser im Fußball ist zwar immer noch lautstark - aber an die Mär vom sauberen Fußball glaubt das Publikum immer weniger.