DLF: Werden Sie unterschreiben?
Koch: Ja, selbstverständlich werde ich unterschreiben und ich werde auch in Hessen vielen Bürgern die Listen zur Unterschrift vorlegen. Und ich bin auch sicher: Sehr viele werden unterschreiben.
DLF: Ab wieviel Stimmen, ab wieviel Prozent kann man von einem Erfolg sprechen?
Koch: Ach, das - gebe ich zu - habe ich mir noch nicht überlegt. Wir werden deutlich machen, daß mit einer solchen Aktion sicherlich es Hunderttausende sein werden und nicht einige wenige. Und das wird auch in Hessen sicherlich eine große Menge sein, aber ich glaube nicht, daß wir uns dort jetzt eine Meßlatte auflegen müssen. Ich denke, es ist ein deutliches Signal - und die Aufregung der anderen Seite zeigt ja auch, daß es ein deutliches Signal ist.
DLF: Herr Koch, mehrere hunderttausend Menschen haben hierzulande zwei Pässe. Muß man denen jetzt einen wegnehmen?
Koch: Nein. Wir haben immer gesagt, daß Ausländerrecht nicht ein Recht mit dem Schwert sein kann, das alle Probleme gleichermaßen löst. Wer aus dem Iran hierher gekommen ist - und der Iran entläßt einen Bürger nicht aus dieser Staatsbürgerschaft -, der muß deshalb nicht dauerhaft vor den Türen der deutschen Staatsbürgerschaft stehen. Wenn aber jemand - wie die meisten, über die wir sprechen - aus der Türkei kommt, sich vollständig in die soziale Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland integriert hat, dann können wir von ihm erwarten, daß er, nachdem wir internationale Abkommen mit der Türkei geschlossen haben, die seine Rechte in der Türkei sichern, auch wenn er die Staatsbürgerschaft aufgibt, daß er dann ein eindeutiges Bekenntnis zu seiner neuen Heimat ablegt und deshalb sagt: Ich gebe die eine Staatsbürgerschaft auf und nehme die deutsche Staatsbürgerschaft an. Das ist möglich und zumutbar, und deshalb sollte es die Regel sein.
DLF: Schafft diese Ungleichbehandlung Integration?
Koch: Es ist keine Ungleichbehandlung, weil die Regel eindeutig die sein soll, daß es nur eine Staatsbürgerschaft gibt.
DLF: Aber es gibt Ausnahmen, das haben Sie gesagt.
Koch: Es gibt nur eine Ausnahme, wie wir Gott sei Dank im deutschen Recht für fast jede Regel eine Ausnahme haben, unter Billigkeitsgesichtspunkten zumutbare Regelungen zu treffen. Aber für die Bürger, die aus einer anderen Staatsbürgerschaft entlassen werden können, ohne dabei Rechte zu verlieren, die dauerhaft in Deutschland leben wollen, ist es zumutbar, sich dauerhaft zu einer Loyalität zu bekennen. Diese Loyalität soll zur deutschen Situation - und damit auch zur deutschen Staatsbürgerschaft führen.
DLF: Die Doppelstaatsangehörigkeit würde die Sicherheitslage in Deutschland mehr gefährden als die Terroraktionen der Rote-Armee-Fraktion in den 70er und 80er Jahren - meint der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Sehen Sie das auch so?
Koch: Nun, ich weiß nicht, ob uns solche Vergleiche in der Diskussion sehr viel weiterführen, aber ich sage ganz klar: Natürlich gibt es auch Sicherheitsfragen, die dabei eine Rolle spielen. Wir haben in Deutschland die Verurteilung oder den Prozeß gegen Herrn Öcalan deshalb vermieden, weil die Bundesregierung zu große Angst vor dem Druck von 11.000 Aktivisten der PKK in Deutschland hatte. Das sind nicht alles Straftäter, aber es sind alles Menschen, die von unserem Verfassungsschutz beobachtet werden, weil die Sorge besteht, daß sie im Zweifel illoyal zu diesem Staat und loyal zu einer anderen ethnischen Gruppe sind. Das kann nicht eine Voraussetzung sein, um deutscher Staatsbürger zu werden. Heute können wir diese 11.000, wenn sie auf die Straße gehen, ausweisen. Das will ich auch. Wenn sie deutsche Staatsbürger werden, können wir das nicht mehr. Und deshalb müssen wir es prüfen, bevor sie deutsche Staatsbürger werden.
DLF: Ja, wie wollen Sie das prüfen? Sie können doch keine Gesinnungsprüfung durchführen.
Koch: Doch, selbstverständlich. Es ist ja auch im heutigen Ausländerrecht eine Erkenntnis der Verfassungsschutzbehörden über mögliche verfassungsfeindliche Aktivitäten eine Voraussetzung, die deutsche Staatsbürgerschaft nicht zu erlangen. Wir haben heute keinen Automatismus, daß man die deutsche Staatsbürgerschaft ersitzen kann, sondern wir haben die Situation, daß die deutsche Staatsbürgerschaft von den Behörden nach Prüfung vergeben wird. Das wird im Regelfall selbstverständlich bei jemand, der lange in Deutschland lebt, der Fall sein. Aber wir haben die Möglichkeit, es auch zu verwehren. Und diese Möglichkeit wird im neuen Staatsbürgerschaftsrecht bei meiner festen Überzeugung auch eine Rolle spielen müssen, und sie kann nicht damit unterlaufen werden, daß die Kinder solcher Menschen, denen wir die deutsche Staatsbürgerschaft nicht geben würden - aus Gründen, die dem deutschen Interesse entsprechen -, automatisch Deutsche werden und damit auch die Eltern dauerhaft in Deutschland ein Bleiberecht haben. Dieser Automatismus widerspricht den Interessen dieses Landes und würde übrigens auch in keinem anderen Land so akzeptiert.
DLF: Die Antikampagne wird eine engagierte christliche Klientel noch weiter von den C-Parteien entfremden - schrieb gestern die Süddeutsche Zeitung. Wird die CDU jetzt zum Magnet für Rechtsextremisten?
Koch: Ich bin ganz sicher, daß sie es nicht wird. Nur: Wir müssen aufhören, ein Thema, das eine große Zahl von Menschen in diesem Land interessiert, als demokratische politische Parteien zu tabuisieren. Rot-Grün empfiehlt uns, bloß nicht über doppelte Staatsbürgerschaft reden, aber schafft eine Gesetzgebung, die irreversibel eine Veränderung der Situation in Deutschland herbeiführt. Das geht nicht. Wir sind in der Situation, daß Rot-Grün ein wichtiges Gesetz verabschieden will, und wir werden darüber eine demokratische Debatte führen. Und in dieser Debatte wäre es fatal, wenn die Meinungen, die nach allem, was wir in den Umfragen wissen - 60, 70 oder 80 Prozent der Deutschen warnen, daß die doppelte Staatsbürgerschaft ein gefährlicher Weg ist -, von keiner demokratischen Partei offen vertreten wird. Damit treibt man die Menschen ja geradezu in die Arme rechtsradikaler Parteien. Parteien dürfen nicht so arrogant sein zu glauben, sie könnten ein Thema tabuisieren - und dann ist das Volk zufrieden. Wenn die Parteien nicht das tun, was auch die Bevölkerung in ihrer Meinung widerspiegelt, dann werden die Bürger sich neue Parteien suchen. Und das will die CDU vermeiden.
DLF: Herr Koch, Ihr Parteivorsitzender Wolfgang Schäuble scheint aber doch die Gefahr ernst zu nehmen, daß damit möglicherweise auch die falschen Stimmen zusammenkommen. Er verweist darauf, der Aufruf müsse unmißverständlich in jede Richtung sein.
Koch: Ja, da hat er natürlich auch recht. Selbstverständlich müssen wir uns immer vor falschen Freunden schützen. Ich würde mir wünschen, daß die linke Seite sich immer vor falschen Freunden geschützt hätte, sonst wären sie mit der PDS nicht zusammen . . .
DLF: . . . mobilisieren Sie nicht die falschen Freunde? . . .
Koch: . . . wir können nicht - ich sage das noch einmal - ein Thema, das eine große Zahl von Menschen in diesem Lande interessiert und zu dem sie eine Meinung haben, aus dem politischen Meinungskampf heraushalten, wenn eine der politischen Gruppen eine grundlegende Veränderung herbeiführen will. Dann ist die demokratische Kultur aufgerufen, das im Streit zu entscheiden. Es ist uns ein sehr wichtiges Thema: Wir halten die Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft für in einer sehr gefährlichen Weise falsch. Und deshalb müssen wir es auch sagen. Und das ist die einzige Chance, dafür zu sorgen, daß eine solch kritische Debatte unter demokratischen Parteien stattfindet, und daß nicht unter einer Tabuzone der demokratischen Parteien radikale Gruppen ihre Chance sehen können.
DLF: Ausländerpolitik aus dem Bauch heraus - wirft Ihrer Partei der frühere Koalitionspartner F.D.P. vor. Steuert die Union in die Isolation?
Koch: Nun, wir müssen doch nicht in der Opposition mit den Kollegen von der F.D.P. in jeder Frage einer Meinung sein, wobei ich hinzufüge: Auch die F.D.P. lehnt den Gesetzentwurf der rot-grünen Koalition zur doppelten Staatsbürgerschaft nach meiner Kenntnis ab . . .
DLF: . . . hat aber ganz andere Vorstellungen als Ihre Partei . . .
Koch: . . . so weit sind die Positionen da gar nicht entfernt, sondern wir haben unterschiedliche Vorstellungen im Staatsbürgerschaftsrecht - schon zu Zeiten der gemeinsamen Regierungskoalition, ja auch mit öffentlich beobachteten Schmerzen - gehabt. Daran hat sich nichts geändert. Die CDU ist eine eigenständige Partei. Wir haben auch eine klare Position in der Frage, und die vertreten wir. Das ist die Aufgabe der Opposition, da gibt es keine Koalition.
DLF: Sie haben Ihrer Partei Dampf gemacht - Sie vermissen die Offensive. Woran und an wem liegt das?
Koch: Es liegt vor allen Dingen daran, daß die Zeit seit der Bundestagswahl, die wir verloren haben, und heute noch sehr kurz ist, und deshalb viele noch beginnen, sich erst in die Oppositionsarbeit einzurichten. Und es gibt auch eine Meinung, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in den Parteien, der jeweils anderen Seite, die jetzt Regierungsverantwortung hat, ein Stück Vorlauf und Kredit zu geben. Ich befinde mich in einem Landtagswahlkampf und habe keine Zeit für Kredite, sondern die Bürger werden am 7. Februar das erste Mal eine Chance haben, über die politische Stimmung in Deutschland eine Auskunft zu geben. Das ist eine Auskunft über Landespolitik, aber selbstverständlich auch eine erste Bilanz der rot-grünen Bundespolitik. Deshalb müssen wir jetzt heftig angreifen. Und ich denke, die ersten Tage des neuen Jahres zeigen ja auch, daß Wolfgang Schäuble, Edmund Stoiber, Angela Merkel und ich da völlig einer Meinung sind.
DLF: Spekulationen um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer: Sie haben der Bundesregierung anhaltenden Wahlbetrug mit Blick auf die Hessenwahl vorgeworfen, obwohl die Regierung den Bericht über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer dementiert hat. Können Sie den Betrug beweisen?
Koch: Das werde ich wahrscheinlich nicht können, weil ich nicht in der Regierung sitze. Aber ich nehme zur Kenntnis, daß in dem Papier, das am Wochenende das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat und das in den Zeitungen veröffentlicht worden ist, ja nicht nur stand, was man macht, sondern auch schon abgesprochen war, daß man es heftig dementiert, um die Hessenwahl nicht zu gefährden. Die Kassen des Bundes sind blank. Die Regierung hat in den letzten Monaten die Wohltaten ausgeteilt und wird jetzt langsam dazu kommen müssen, wie sie diese Wohltaten finanziert . . .
DLF: . . . wobei sie auch Schulden geerbt hat, das muß man dazu sagen . . . Koch . . . ja, es geht nicht darum, einen Konsolidierungskurs fortzusetzen, sondern es geht darum, daß alle wichtigen Reformen, die zu einer Konsolidierung geführt hätten - von der Gesundheitsreform über die Rentenreform bis zur Finanzpolitik -, aufgehoben werden. Damit entstehen neue Löcher in den Staatshaushalten, und die muß Herr Lafontaine nun decken. Und jetzt wird er kommen müssen und der Bevölkerung die Rechnung dafür präsentieren. Und diese Rechnung wird Steuererhöhungen bedeuten: Nicht nur bei der Heizung, nicht nur beim Strom, nicht nur beim Benzin - wie es im Augenblick schon öffentlich bekannt ist, sondern am Ende werden zusätzliche Steuererhöhungen kommen müssen. Und die ganze Strategie der SPD ist, daß das vor dem 7. Februar niemand merkt. Und das werden wir ihnen natürlich nicht durchgehen lassen.
DLF: Wobei damit auch die alten Löcher gedeckt werden müssen, die von Waigel.
Koch: Theo Waigel hat einen Bundeshaushalt für das Jahr 1999 vorgelegt. Wenn Herr Lafontaine bei diesem Haushalt bleibt, braucht er keine Steuererhöhung.
DLF: Roland Koch, der hessische CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank und auf Wiederhören.