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Doris Fitschen: Deutsche Frauen immer noch Weltspitze

Der Medienrummel bei dieser Frauenfußball-WM sei enorm gewesen, sagt die ehemalige Nationalspielerin Doris Fitschen. Ob das schlechte Abschneiden der deutschen Mannschaft darauf zurückzuführen sei, "das ist schwer zu sagen".

Doris Fitschen im Gespräch mit Jürgen Liminski | 18.07.2011
    Jürgen Liminski: Es war ein Finale der Superklasse, schnell, abwechslungsreich und mit etlichen Torchancen. Aber es konnte nur ein Gewinnerteam geben, wenn auch der Frauenfußball insgesamt gewonnen hat. Groß ist nun der Jubel in Japan. Der Tonfall ist eigentlich der gleiche überall auf der Welt, aber jetzt weiß man auch, was "Tor" auf Japanisch heißt. In China wurde sie während der Weltmeisterschaft 1991 der weibliche Franz Beckenbauer genannt wegen ihres eleganten Spielstils. Heute ist Doris Fitschen, wenn man so will, der Oliver Bierhoff des Frauenfußball-Nationalteams. Die ehemalige Mittelfeldspielerin ist selbst 144mal im Nationaltrikot aufgelaufen und seit 2009 ist sie die Teammanagerin der Frauen-DFB-Auswahl. Sie ist nun am Telefon. Guten Morgen, Frau Fitschen!

    Doris Fitschen: Guten Morgen.

    Liminski: Frau Fitschen, Japan ist Weltmeister. Lindert das den Schmerz, gegen den neuen Weltmeister im Viertelfinale ausgeschieden zu sein?

    Fitschen: Natürlich nicht. Wir sind nach wie vor noch immer sehr traurig, dass wir so früh ausgeschieden sind. Aber die Japanerinnen haben einfach einen tollen Fußball gezeigt und sie sind noch nie Weltmeister geworden. Deshalb habe ich persönlich ein bisschen mehr zu Japan gehalten.

    Liminski: Wenn Sie die WM in Deutschland Revue passieren lassen, hat Japan den Weltmeistertitel auch verdient?

    Fitschen: Das sehe ich auf jeden Fall so. Wenn man sieht, welche Teams sie aus dem Turnier geschlagen haben, nicht nur den Gastgeber Deutschland, also uns, sondern auch Schweden, die auch einer der Mitfavoriten waren, und jetzt eben auch noch USA im Endspiel besiegt, also wer diese Teams schlägt, der ist schon verdient Weltmeister geworden.

    Liminski: Was machen die USA und Japan besser als die Deutschen? Warum ist Frauenfußball in Amerika deutlich populärer als hierzulande?

    Fitschen: In den USA ist Fußball wirklich ein Breitensport auch für Mädchen. Unheimlich viele Mädchen spielen dort Fußball und dadurch haben sie eben eine sehr breite Basis und das ist natürlich die Grundlage dann für eine gute Spitze. Aber man muss ja sagen, dass wir in Deutschland wirklich mit dem Frauenfußball auch sehr erfolgreich sind. Wir haben jetzt ein Spiel bei dieser Weltmeisterschaft verloren, haben zugegebenermaßen nicht überragend gespielt, aber wir haben die beiden letzten Weltmeisterschaften gewonnen, wir sind auch im Nachwuchsbereich sehr stark, unsere U19-Frauen-Nationalmannschaft ist erst vor knapp vier Wochen Europameister geworden. Also von daher sind wir immer noch in der Weltspitze dabei.

    Liminski: Wenn Sie wählen dürften, Frau Fitschen, welche Spielerin wäre dann für Sie die Spielerin des Turniers? Eine der großen Favoritinnen auf diesen Titel, die Brasilianerin Marta, ist ja früh gescheitert.

    Fitschen: Marta ist natürlich eine überragende Spielerin. Sie hat natürlich das Pech gehabt, dass Brasilien im Viertelfinale auch schon ausgeschieden ist und dass sie deshalb in den letzten entscheidenden Spielen gar nicht mehr zeigen konnte, was für eine gute Spielerin sie ist. Die beste Spielerin, das ist ja Homare Sawa geworden, die schon ihre fünfte Weltmeisterschaft gespielt hat, gegen die sogar ich damals noch gespielt habe, die ich schon sehr lange kenne, und das ist eine überragende Technikerin und hat das Spiel der Japanerinnen gelenkt und geprägt und ist für mich absolut zurecht beste Spielerin geworden.

    Liminski: Unabhängig vom Abschneiden der Deutschen nahezu ausverkaufte Stadien, Top-Einschaltquoten im Fernsehen. Die WM in Deutschland ist ein Erfolg für den Frauenfußball, allerdings nicht für die deutsche Auswahl. Wie bewerten Sie das frühe Ausscheiden Ihrer Mannschaft?

    Fitschen: Ja das ist natürlich schade gewesen, weil natürlich viele, viele Fans gerade der deutschen Mannschaft in Deutschland zugejubelt haben. Aber was eben sehr positiv war, dass obwohl wir dann draußen waren im Halbfinale, also in allen Halbfinalspielen und auch in dem Spiel um Platz drei und im Finale immer noch eine Riesenbegeisterung herrschte, nicht nur in den Stadien, sondern auch auf den Fanmeilen in Deutschland, und das war einfach ein tolles Zeichen. Man hat einfach gesehen, es ging jetzt nicht nur um die deutsche Mannschaft, sondern um Frauenfußball. Die Leute haben gefeiert und das war einfach fantastisch.

    Liminski: Schauen wir nach vorne. Was viele schmerzt: Durch das Ausscheiden im Viertelfinale hat die deutsche Auswahl die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 in London verpasst. Hat man damit auch den erhofften Boom im deutschen Frauenfußball verspielt?

    Fitschen: Ich glaube nicht, dass das jetzt an der Teilnahme an Olympia hängt. Natürlich ist es sehr schade, weil so ein großes Event bringt immer noch mal sehr große Aufmerksamkeit. Aber ich denke, wir werden schon den Schwung der WM mitnehmen, auch in die Frauenbundesliga. Wir haben viele interessante Spielerinnen, die es sich auf jeden Fall lohnt, auch Woche für Woche in der Frauen-Bundesliga anzuschauen. Und ich glaube, der Stellenwert des Frauenfußballs wird schon wachsen, in den nächsten Jahren auch noch. Aber natürlich ist es trotzdem schade, dass wir bei Olympia nicht dabei sind.

    Liminski: Nach der WM ist vor der EM. 2013 steht die Verteidigung des Europameister-Titels an. Silvia Neid macht als Trainerin weiter bis 2016, der Kader soll so bleiben. Wann geht es los und sind hier schon Vorbereitungen getroffen worden? Werden Dinge vielleicht als Lehre aus der WM anders gemacht?

    Fitschen: Also die WM ist jetzt seit wenigen Stunden vorbei. Wir sind seit einer Woche nicht mehr dabei und da hat man sich natürlich schon ein bisschen Gedanken gemacht. Aber wir werden uns jetzt nach der WM in Ruhe zusammensetzen und auch das Team etwas neu aufstellen, hinter dem Team, und dann beginnt die EM-Qualifikation am 17. September und dann müssen wir uns halt erst mal wieder qualifizieren. Aber das ist auch gut, dass wir dann wichtige Testspiele haben, und dann geht es von Neuem los.

    Liminski: Kritiker bemerken, das deutsche Team sei der Aufgabe bei der WM im eigenen Land mental nicht gewachsen gewesen, die Mannschaft sei außerdem zu jung gewesen. Sie werden das beurteilen können. 1989 bei der Europameisterschaft der Frauen in Deutschland waren Sie mit 20 Jahren die jüngste Spielerin im Kader. Ist an so einer Kritik etwas dran?

    Fitschen: 1989 ist natürlich überhaupt nicht vergleichbar mit dieser Weltmeisterschaft. Was hier für ein Medienrummel war, das war für jeden in der Mannschaft, für jede Spielerin, aber auch für alle aus dem Umfeld etwas ganz Neues und das hat natürlich auch schon Druck gebracht oder diese Aufmerksamkeit, damit mussten die Spielerinnen dann erst mal lernen umzugehen. Ob es aber jetzt daran lag, dass die Leistungen dann nicht so gebracht wurden, wie wir uns das erhofft hatten, oder nicht, das ist schwer zu sagen. Ich kann eben nur sagen, dass wir uns wirklich top auf die Weltmeisterschaft vorbereitet haben, dass alle Spielerinnen topfit waren, dass alles dafür getan wurde, sowohl von den Spielerinnen, als auch vom Trainerteam, dass wir eine erfolgreiche Weltmeisterschaft spielen. Das hat dann trotzdem nicht hingehauen und jetzt muss man eben sehen, woran das liegt und das bei dem nächsten Turnier dann besser machen.

    Liminski: Trotz allem, eine neue Ära für den Frauenfußball hat begonnen. Das war Doris Fitschen, die Teammanagerin des deutschen Frauen-Nationalteams, und sie ist auch zuversichtlich, dass es bei der EM in Schweden in zwei Jahren schon wieder deutlich besser läuft. Frau Fitschen, besten Dank für das Gespräch.

    Fitschen: Sehr gerne!

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