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Dortmunder Jugenddezernentin befürchtet Klagewelle um Kita-Plätze

Ab 2013 soll jedes dritte Kind Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz haben. Zurzeit fehlen 230.000 Plätze. In Dortmund beispielsweise sind die entsprechenden Fördermittel bereits aufgebraucht. Jugenddezernentin Waltraud Bonekamp erwartet "eine Welle von Klagen".

Waltraud Bonekamp im Gespräch mit Bettina Klein |
    Jasper Barenberg: Hunderttausende neue Kitaplätze hat die Regierung einst versprochen, haben auch Kommunen und Länder zugesagt. Familie und Beruf sollen besser vereinbar sein. Jetzt aber ist es amtlich: Im Westen des Landes jedenfalls geht der Ausbau der Betreuungsplätze viel zu langsam voran. 230.000 der zugesagten Plätze fehlen nämlich noch. Das hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden jetzt ausgerechnet. Die vereinbarte Quote von 35 Prozent liegt demnach in weiter Ferne.
    Wie gehen die Verantwortlichen vor Ort damit um? Welche Verantwortung tragen sie für das Dilemma? – Meine Kollegin Bettina Klein hat sich darüber mit Waltraud Bonekamp unterhalten. Sie ist Jugenddezernentin in Dortmund.

    Waltraud Bonekamp: Wir haben in Dortmund natürlich auch den hohen Bedarf und den Druck, bis 2013 den Rechtsanspruch zu erfüllen. Wir haben im Moment eine Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren von 20 Prozent und es ist ein sehr ehrgeiziger Plan, bis 2013 das Ziel auch zu erreichen. Wir sind dringend darauf angewiesen, dass von Bund und Land die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, denn wir sehen, dass wir es aus eigener Kraft natürlich gar nicht schaffen können. Wir sind ja noch in einer vergleichbar günstigen Lage in Dortmund, weil wir noch nicht im Nothaushalt sind, aber es ist natürlich auch für uns immer sehr, sehr schwierig, die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

    Bettina Klein: In Ihrem Falle, wo hängt das Geld im Augenblick? Sie sprachen es an, das Geld muss aus dem Bund und dem Land kommen. Wo hängt es denn im Augenblick?

    Bonekamp: Das Bundesinvestitionsprogramm von vier Milliarden hat 480 Millionen für NRW vorgesehen. Diese Mittel, die sind verbraucht. Wir haben im vergangenen Jahr noch das Glück gehabt, dass wir durch den Nachtragshaushalt in NRW weitere 150 Millionen zur Verfügung hatten für Gesamt-NRW, und für 2011 sind es noch mal zusätzlich 100 Millionen. Das sind fachbezogene Pauschalen. Wie gesagt, die Bundesmittel, die nach NRW geflossen sind, sind verbraucht. Das Land hat noch zusätzlich nachgesteuert und dennoch reicht es nicht aus. Es reicht auch in Dortmund nicht aus. Wir haben uns jetzt deshalb entschlossen, dass wir die zusätzlichen Plätze – es sind bei uns noch 2000 Plätze, die geschaffen werden müssen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen – über Investoren schaffen lassen, und die Träger, sowohl die freien Träger in der Stadt als auch der städtische Träger, mieten dann quasi bei den Investoren die entsprechenden Plätze an. Dennoch brauchen wir natürlich weitere Ressourcen, um die Betriebskosten aufrecht zu erhalten, und das ist natürlich bei einer großen Stadt auch ein sehr, sehr anspruchsvolles Programm.

    Klein: Frau Bonekamp, Sie haben jetzt uns viele Zahlen genannt von Geld, was praktisch schon geflossen ist. Deshalb noch mal meine Frage: Weshalb ist es denn nicht möglich, oder wird es sehr, sehr schwierig sein für Sie, bis 2013 diesen Rechtsanspruch zu erfüllen?

    Bonekamp: Die Summen, die sind zwar sehr hoch, wie Sie richtig sagen, aber sie sind trotzdem nicht auskömmlich. Wir sind als Stadt nicht in der Lage, diese hohe Anzahl von 2000 Plätzen zu schaffen in dem kurzen Zeitraum.

    Klein: Ist denn von Anfang an da zu wenig Geld eingeplant worden, oder haben Sie dann später eben auch feststellen müssen, dass Sie eben mehr brauchen?

    Bonekamp: Na ja, der Rechtsanspruch, der gilt noch nicht so lange. Wir haben jetzt eine Versorgungsquote von weit über 20 Prozent und wir haben im letzten Jahr viele, viele Plätze eben auch noch geschaffen. Aber das ist alles auch sehr schwierig, weil wir die Bauplätze finden müssen, weil entsprechendes Erziehungspersonal nicht vorhanden ist und wir an der Stelle natürlich auch noch einen Entwicklungsbedarf haben. Wir sind im Moment dabei, in hohem Maße städtische Grundstücke zu eruieren, um eben auf eigenem städtischen Bauland diese Plätze möglichst kostengünstig zur Verfügung zu stellen, aber das ist natürlich bei 2000 Plätzen ein hoher Aufwand.

    Klein: Um noch mal nachzufragen: Das war, als diese Mittel bewilligt wurden, noch nicht in dem Maße klar, wie hoch der Finanzbedarf eigentlich konkret sein wird?

    Bonekamp: Ja, doch. Man kann sich eine Summe für die Erstellung eines Platzes durchaus errechnen. Nur es sind eben sehr viele Plätze und man muss sehen, dass man dann entsprechend viele Ressourcen zur Verfügung stellt.

    Klein: Direkt gefragt: Wer hat zu wenig Geld bewilligt?

    Bonekamp: Na ja, es ist eine Frage des Konnexitätsprinzips, heißt auf Deutsch: Wer die Musik bestellt, muss auch im Grunde den Kopf dafür hinhalten und die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen. Wenn der Bund sagt, es ist erforderlich, 35 Prozent bis 2013 zu schaffen, was wir natürlich hier auch so sehen – also es ist ja nicht so, dass das fachlich kein erforderliches Ziel ist; im Gegenteil: Wir brauchen eigentlich noch viel mehr Plätze -, wenn ab 2013 eine Familie einen Platz einklagt und wir die 35 Prozent nicht erreicht haben, dann werden wir eine Welle von Klagen miterleben und die werden sich kommunal abbilden. Das ist das Schlimme. Wir bleiben letztendlich auf der Miete hängen.

    Klein: Wo sehen Sie jetzt sozusagen die Verantwortlichen, die da nachlegen müssten, auf welcher Ebene?

    Bonekamp: Bund, Land und auch die kommunalen Spitzenverbände müssen sich noch mal zusammensetzen und es muss eine neue Form der zusätzlichen Finanzierung sichergestellt werden.

    Klein: Die Kommunen sind bisher dabei aber nicht in dem Maße im Boot?

    Bonekamp: Ja, doch. Wir bringen ungefähr 20 Millionen ein, um diese 2000 Plätze, die uns bis 2013 noch fehlen, finanzieren zu können.

    Barenberg: Die Dortmunder Jugenddezernentin Waltraud Bonekamp im Gespräch mit meiner Kollegin Bettina Klein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.