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DOSB-Ethikkommission rät zu Vertrauensfrage
Chance für einen Neuanfang

Die Ethik-Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) empfiehlt der in die Kritik geratenen Verbandsspitze, die Vertrauensfrage zu stellen. Damit hat sie Kritikern, aber auch der amtierenden Führungsriege Möglichkeiten des Handelns auf dem Silbertablett serviert, meint Andrea Schültke.

Ein Kommentar von Andrea Schültke | 08.06.2021
Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), bei der offiziellen Präsentation der Outfits für die deutsche Olympia- und Paralympics-Mannschaft
Die DOSB-Führungsspitze um Präsident Alfons Hörmann sollte den Weg für einen Neuanfang frei machen, meint Andrea Schültke (dpa/afp pool/Ina Fassbender)
Der Untersuchungsbericht ist eine Bankrott-Erklärung auf neun Seiten. Die Ethik-Kommission unter Vorsitz des Juristen Thomas de Maizière bescheinigt dem hauptamtlichen DOSB-Vorstand und dem ehrenamtlichen Präsidium um Alfons Hörmann einen Mangel in vielen Bereichen. Die Liste ist lang: Es fehle an Kommunikation und Transparenz, an Wertschätzung und Respekt, Führungskompetenz und klaren Zuständigkeiten. Die Arbeitsbelastung sei hoch, von Verunsicherung, Demotivation und Unzufriedenheit der Mitarbeitenden ist im Bericht die Rede.
Weikert spricht ernst in ein Mikrofon und gestikuliert.
Welt-Tischtennis-Präsident Weikert zum DOSB - "Ein Prozent Misstrauen ist hundert Prozent Thomas Weikert, der Präsident des Welt-Tischtennis-Verbandes, sieht beim DOSB externen Aufklärungsbedarf. Das Vertrauen der Mitarbeiter nach innen sei möglicherweise nicht mehr da.
Klingt, als sei das Vertrauen der Menschen in der DOSB-Zentrale in Präsidium und Vorstand vollkommen und unwiederbringlich zerstört. Die Führungspersonen, die bei jeder Gelegenheit Sport als verbindendes Element rühmen, bekommen diese Verbindung auf Augenhöhe zur engsten Arbeitsebene offenbar nicht hin, merken das aber nicht. Sie gaben an, von der vorgetragenen Kritik überrascht zu sein.

Kontakt zur Basis komplett verloren

Wie soll so eine Führungsriege dann ein Gespür haben, für das, was die Sporttreibenden in den Landesverbänden und den immer wieder stolz genannten 90.000 Vereinen im Land bewegt? Wie sollen diese Menschen Sportpolitik machen und Lobbyarbeit für die Basis, die sie vertreten?
Offenbar unzureichend, denn der Bericht der Ethikkommission konstatiert, dass die Beziehungen des Präsidenten, Präsidiums und Vorstands etwa zu Teilen der Spitzen – und Landesverbände und zum Internationalen Olympischen Komitee dringend verbessert werden müssten. Genauso wie die Verbindung zum Bundesinnenministerium, das in diesem Jahr knapp 300 Millionen an Steuergeldern an den Dachverband des organisierten Sports in Deutschland gegeben hat.
IOC-Präsident Thomas Bach (l.) und DOSB-Präsident Alfons Hörmann beim Empfang in der Stadthalle Tauberbischofsheim
Deutsche Sportverbände - "Neofeudale Art der Führung"
Chaos im DFB, massive Anschuldigungen gegen DOSB-Chef Hörmann: Die Struktur der Sport-Dachverbände führe zu solchen Problemen, sagen der Kulturwissenschaftler Klaus Zeyringer und der Sportökonom Jens Flatau im Dlf-Sportgespräch.
Es klingt, als schwebe die Führungsetage des Sport-Dachverbandes abgehoben in ihrer eigenen Welt und habe den Kontakt zur Basis komplett verloren. Die vielbeschworenen und immer wieder gern aufs Tablett gehobenen Werte des Sports wie Respekt, Toleranz, oder Fair Play haben bei denen, die sie bemühen, offenbar nicht gefruchtet. Die Ethikkommission empfiehlt dem Präsidenten und seinem kompletten Präsidium die Vertrauensfrage zu stellen. Auf der Mitgliederversammlung im Dezember.

Alte Führungsriege zu Veränderung fähig?

Der Präsident gelobt Besserung, will seinen Führungsstil hinterfragen und die Vorstandsvorsitzende das hundertste Leitbild erarbeiten und mit externer Hilfe einen sogenannten "Culture-Change-Prozess" in Gang bringen.
Wer aber traut diesen Personen, denen nun schriftlich und - noch vorsichtig formuliert - Unfähigkeit bescheinigt wurde, jetzt noch die Fähigkeit zur Veränderung und Erneuerung zu?
An der Basis rumort es seit Jahren. Vor jeder Neuwahl des Präsidiums wird an der aktuellen Verbandsführung herumgemeckert. Geht es dann aber um die Abstimmung, heben doch alle wieder die Hand für Hörmann und gegen Erneuerung. Weil sich niemand traut, offen in Opposition zu gehen, sich damit angreifbar zu machen.

Möglichkeiten des Handelns für alle Seiten

Die Ethikkommission hat mit ihrer Empfehlung allen Seiten Möglichkeiten des Handelns auf dem Silbertablett serviert. Das für den Spitzensport zuständige Bundes-Innenministerium, kann neu überdenken, ob und wie es einem Sport-Dachverband, dessen Führung in vielen Bereich Kompetenz vermissen lässt, große Summen an Steuergeld anvertrauen will. Die sportinternen Kritiker können sich jetzt aus der Deckung trauen. Sie haben ein halbes Jahr Zeit für ein qualifiziertes Erneuerungskonzept und die Suche nach geeigneten Personen für die Umsetzung.
Aber auch der noch amtierenden Führungsriege hat der Bericht der Ethikkommission eine Chance eröffnet. Nämlich geschlossen die Verantwortung zu übernehmen für die im Bericht aufgeführten Fehler und den Weg frei zu machen für einen Neuanfang geprägt von Wertschätzung und Respekt.