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Drei auf Krawall gebürstete Charaktere

Julia Klöckner, CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz und Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion sind sich einig: Der TV-Dreikampf zwischen Gregor Gysi, Rainer Brüderle und Jürgen Trittin sei sehr "krawallig" gewesen. Klöckner hat es an Informationen gemangelt, Heil nennt das Duell unterhaltsam und informativ.

Hubertus Heil und Julia Klöckner im Gespräch mit Jasper Barenberg | 03.09.2013
    Jasper Barenberg: Die Kanzlerin eher staatstragend, der Herausforderer zumindest mäßig angriffslustig. Das einzige Aufeinandertreffen zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück am Sonntag ist nach Meinung der meisten Beobachter unentschieden ausgegangen. Auf das Duell folgte nun gestern der Wettstreit von Brüderle, Trittin und Gysi, und es ging eine Stunde lang richtig zur Sache.
    Am Telefon begrüße ich Hubertus Heil, den stellvertretenden Fraktionschef der SPD im Bundestag. Schönen guten Morgen!

    Hubertus Heil: Schönen guten Morgen.

    Barenberg: Und auf der anderen Leitung Julia Klöckner, die Fraktions- und Landeschefin der CDU in Rheinland-Pfalz, und die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ist sie auch noch. Schönen guten Morgen, Frau Klöckner.

    Julia Klöckner: Hallo, guten Morgen! Ich grüße Sie.

    Barenberg: Frau Klöckner, wenn wir uns das noch mal vor Augen führen, was da gestern ja recht munter eine Stunde lang gelaufen ist zwischen den drei, können wir dann alle lernen, im Unterschied gerade zur Veranstaltung am Sonntag, was so ein leidenschaftlicher Streit in der Politik sein kann?

    Klöckner: Man kann lernen, dass es unterschiedliche Charaktere gibt. Man kann lernen, wie diskutiert wird, wenn sich zwei um das Kanzleramt bewerben, und wie drei diskutieren, die noch ein bisschen was anderes verteidigen. Es waren drei Alphatiere, wenn man das sagen darf. Wer es krawallig mag, der kam gestern auf seine Kosten. Es gab Informationen, aber man musste da schwer hinhören. Gegenseitig fielen sich die Herren auch ins Wort und Rainer Brüderle – das muss man auch ganz fair sagen – hatte es hier mit am schwierigsten, weil er gegen zwei argumentieren musste. Aber ich fand, er hat das sehr gut gemacht.

    Barenberg: Sagen Sie das auch, Herr heil?

    Heil: Ganz allein war er nicht. Für mich sind die Verlierer des Duells gestern im Wesentlichen der Herr Gottlieb von der CSU gewesen. Ich fand das unsäglich, wie da jemand seine politische Überzeugung als Journalist sozusagen als Gesprächsthema eingebracht hat. Und ich fand Herrn Brüderle auch erstaunlich schwach, angesichts der Tatsache, dass die FDP ja alles tun muss, um zu überleben und über die Fünfprozenthürde zu kommen. Ich fand Jürgen Trittin sehr sachlich und auch ökonomisch gründig, und es sind Unterschiede deutlich geworden. Mit Schwarz-Gelb wird es keinen gesetzlichen Mindestlohn geben. Insofern war die Sendung unterhaltsam und informativ. Aber ich teile die Auffassung von Frau Klöckner: Für mich war das auch ein Stück zu krawallig.

    Barenberg: Wo Sie gerade "krawallig" sagen. Ist es nicht anders herum gesagt eher interessant, eher unterhaltsam für die Zuschauer, wenn es ein bisschen zur Sache geht, als wenn zwei Politiker mehr oder weniger aneinander vorbei reden, wie das beim Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück war?

    Heil: Ich fand das Duell zwischen Peer Steinbrück und Angela Merkel schon eine harte Auseinandersetzung. Das muss nicht immer sein, indem man sich ins Wort fällt. Ein bisschen ist ein Unterschied sozusagen in den Extremen der Moderation erkennbar. Vier Moderatoren finde ich, ehrlich gesagt, beim Kanzlerduell zu viel. Aber gestern waren offensichtlich zwei Moderatoren auch nicht so ganz gewachsen, das Ganze vernünftig zu leiten. Insofern sind das Unterschiede in den Charakteren, das ist vollkommen richtig. Aber ich fand am Sonntagabend sozusagen die Kontraste auch sehr deutlich, und insofern: Man muss sich nicht immer dazwischenquatschen.

    Barenberg: Über die Veranstaltung gestern heißt es ja nun, dass inhaltlich jedenfalls für die, die sich dafür interessieren, nichts Neues dabei herumgekommen war. Das war doch am Sonntag auch nicht anders, wenn man mal von Angela Merkels Halskette absieht und von den Kommentaren, die Stefan Raab als Moderator bekommen hat. Oder was ist Ihnen noch in Erinnerung geblieben?

    Heil: Verzeihung! Frau Klöckner, wenn Sie mögen?

    Klöckner: Gerne, wir möchten uns ja nicht ins Wort fallen (lacht). Natürlich war das am Sonntag zum Teil auch Erwartbares. Alles andere hätte ja die Presse umtreiben müssen. Auf der anderen Seite kam aber noch mal deutlicher auch einiges hervor, dass zum Beispiel Herr Steinbrück zwar viele Fakten gelernt hatte, aber dass er mehr als Fachminister überzeugte und Angela Merkel noch mal deutlich machte, warum letztlich die Bürgerinnen und Bürger auch Vertrauen in sie haben, weil sie Regierungserfahrung hat, weil sie sehr authentisch, glaubwürdig ist, weil sie den Überblick und das große Ganze auch im Blick hat.

    Und ich habe schon aufgehorcht, als Herr Brüderle, nicht Herr Brüderle, sondern Herr Steinbrück am Sonntag die Pensionen ansprach, und ich habe auch mal an die kleinen Beamtenpensionen gedacht. Wer da heran will, da wird es schon schwierig und das muss natürlich dann ein Wahlkampfthema sein. Aber dass das gestern Abend zum Beispiel nicht zu vielen neuen Erkenntnissen kam, finde ich auch gar nicht schlimm, denn wenn man drei Diskutanten hat in einer kurzen Zeit, die sich in der Tat ins Wort häufig gefallen sind, dann ist das auch schwierig, ein ruhiges Gespräch zu führen. Aber ich bin schon dankbar, dass man noch mal deutlich erkannt hat, für was dunkelrot und grün stehen und für was gelb steht, aber auch in Zusammenarbeit mit der christlich-liberalen Bundesregierung. Insofern ist das Wahlkampf und Demokratie.

    Barenberg: Und wenn Sie sagen, dass inhaltlich nicht sehr viel Neues dabei herausgekommen ist und dass Sie das auch ganz nachvollziehbar finden, heißt das nicht auch, dass am Ende tatsächlich für die Menschen Köpfe zählen und nicht Programme?

    Klöckner: Nein. Die Köpfe müssen zusammenpassen zu den Programmen. Das eine ohne das andere funktioniert nicht. Mein Eindruck zumindest bei Herrn Steinbrück war längere Zeit, dass er auch mit sich selbst kämpft, welcher Peer Steinbrück darf er denn sein, der, der damals die Agenda vertreten hatte und jetzt aber etwas linkssozialdemokratischer werden muss, oder eben nicht. Und da merkt man schon, dass Programm und Kopf zusammenpassen muss. Aber wie im normalen Leben auch – übrigens auch bei Journalisten ist das so: Wenn sie sympathisch oder authentisch sind, bieten sie auch einen Zugang für ihr Medium, und so ist das auch in der Politik.

    Barenberg: Herr Heil, es gibt ja Umfragen, die zeigen, dass 52 Prozent, also eine Mehrheit der Deutschen, mit der Bundesregierung ganz zufrieden ist. Das sind die besten Werte, seit Union und FDP überhaupt miteinander regieren. Es gibt viele Menschen, die signalisieren, es geht dem Land ganz gut, der Wirtschaft geht es gut. Ist das ein Grunddilemma, das gestern deutlich wurde und das auch am Sonntag deutlich geworden ist, ein Grunddilemma auch für die SPD, dass es dem Land eigentlich gut geht und man deswegen sozusagen eine Alternative gar nicht nötig hat?

    Heil: Nein, darum ging es nicht. Es war deutlich, dass Frau Merkel an der Sache vorbeigeredet hat. Sie hat ja länger geredet als Peer Steinbrück, aber sie hat weniger gesagt. Und dieser Kontrast zwischen Peer Steinbrück, der klar und deutlich Position bezogen hat, und Frau Merkel, die in vielen Bereichen tatsächlich versucht hat, um die Themen herumzureden, war sehr aufklärerisch. Und ich finde, das hilft auch bei Wahlentscheidungen an dieser Stelle.

    Ich fand es gut, dass Peer Steinbrück nicht unser Land schlecht geredet hat. Wir sind ein wirtschaftlich starkes Land im Vergleich zu anderen, aber wir leben auch von der Substanz, von Entscheidungen auch von Vorgängerregierungen, und wir haben vier verlorene Jahre in vielen Bereichen. Das ist deutlich zum Beispiel im Chaos der Energiepolitik erlebbar. Solche Themen haben eine Rolle gespielt und das, finde ich, macht eine Wahlentscheidung auch einfacher. Insofern glaube ich, dass das TV-Duell am Sonntag auch dazu geführt hat bei den hohen Einschaltquoten, dass eine Chance besteht, dass mehr Menschen sich für Politik interessieren, auch zur Wahl gehen, und eine hohe Wahlbeteiligung ist nicht nur gut für die Demokratie, sondern macht das Rennen auch noch mal spannend.

    Barenberg: Letzte Frage mit der Bitte um eine relativ kurze Antwort an Frau Klöckner. Union und FDP legen ja immer wieder nahe, dass es am Ende sein könnte, dass sich SPD und Grüne mit der Linkspartei zusammentun. Wenn man gestern gesehen hat, wie sich Gysi und Trittin gezankt haben, können wir dann jetzt sagen, das ist ein Märchen, das Sie nicht weiter im Wahlkampf beschreiben, beschwören sollten?

    Klöckner: Märchen werden auch wahr und natürlich wird Rot-Rot-Grün alles nutzen, wie wir auch in NRW gesehen haben, um Union zu verhindern, und das muss man vorher wissen.

    Barenberg: Julia Klöckner, die Fraktions- und Landeschefin der CDU in Rheinland-Pfalz. Danke Ihnen für das Gespräch.

    Klöckner: Vielen Dank!

    Barenberg: Danke auch an Hubertus Heil, den stellvertretenden Fraktionschef der SPD im Bundestag.

    Heil: Bitte.


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