Jasper Barenberg: Darauf sind die Sozialdemokraten noch heute stolz, dass Gerhard Schröder in seiner Zeit als Bundeskanzler den Militärschlag gegen den Irak und seinen Diktator Saddam Hussein im Jahr 2003 abgelehnt hat, von Anfang an, kategorisch und mit aller Entschiedenheit. So wird es kolportiert in der SPD, und zwar vor allem gegenüber den USA und ihrem Präsidenten George Bush.
O-Ton Gerhard Schröder: Wir haben auch hier klar gemacht, was wir vor der Wahl gesagt haben, danach auch, dass wir uns an einer militärischen Aktion im Irak nicht beteiligen.
Barenberg: Gerhard Schröder im November 2002 beim Gipfel der NATO in Prag. Und diese Haltung verteidigt er jetzt auch vehement, denn George Bush behauptet in seinen Memoiren das Gegenteil, dass der Sozialdemokrat ihm bei einem Gespräch im Weißen Haus Ende Januar 2002 die volle Unterstützung Deutschlands für einen Krieg in Aussicht gestellt hat und den Militärschlag dann erst im Wahlkampf ablehnte.
Wer hat recht? – Wir wollen darüber in den nächsten Minuten mit Bela Anda sprechen, damals Regierungssprecher und bei der Reise nach Washington dabei, wenn auch nicht unmittelbar bei dem fraglichen Gespräch im Raum. Einen schönen guten Morgen, Herr Anda.
Bela Anda: Guten Morgen!
Barenberg: Nach allem, was Sie wissen, was Sie miterlebt und gehört haben, wer hat denn nun recht, der Ex-Präsident oder der Ex-Kanzler?
Anda: Der Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat recht. Er hat dies ja klar und deutlich gesagt und er hat ja damals zwei sehr hochrangige Beamte bei diesem Gespräch gehabt. Das war der Leiter der außenpolitischen Abteilung im Kanzleramt, Herr Kastrup, und Wolfgang Ischinger, der damalige Botschafter Deutschlands in Washington, beides Männer mit damals drei Jahrzehnten außenpolitischer Erfahrung, und beide haben erklärt, dass niemand den Gesprächsverlauf als einen deutschen Blankoscheck für ein militärisches Vorgehen gegen den Irak interpretieren könnte, und so war es auch.
Barenberg: Kein Blankoscheck, sagt Herr Ischinger. Sie haben es erwähnt. Kein Freibrief, sagt Dieter Kastrup, der damalige Abteilungsleiter Außenpolitik im Kanzleramt. Das heißt ja nun im Gegenteil nicht unbedingt, dass es auch eine vehemente Ablehnung jeder Unterstützung war?
Anda: Nein. Was Gerhard Schröder sehr deutlich gemacht hat, im Übrigen noch in seiner Rede damals bei Ausbruch des Krieges, dass Deutschland im Irak, wenn sich tatsächlich der Irak wie zuvor Afghanistan als Schutzraum und Zufluchtsort für El-Kaida-Kämpfer erweisen würde, zuverlässig an der Seite der USA stehen würde. Einen entsprechenden Entschluss der Vereinten Nationen gab es ja auch damals, und da stand Deutschland klar zu den Bündnisverpflichtungen, die Gerhard Schröder ja auch im Deutschen Bundestag kurz zuvor mit der Vertrauensfrage verknüpft hatte, um die Unterstützung für die USA im Kampf gegen den Terrorismus zu ermöglichen, damals nach dem Anschlägen des 11. September und dem entsprechenden Vorgehen in Afghanistan.
Deutschland war damals auch der größte Truppensteller außerhalb der EU. Wir waren am Horn von Afrika engagiert, in Afghanistan eben auch, und ABC-Schutzpanzer standen in Kuwait später. Also das war klar: Bündnisverpflichtung ja, wenn sich die angeblichen Terroristen tatsächlich im Irak oder im Gebiet des Iraks versteckt hielten. Nur das erwies sich dann ja später, genauso wie die Behauptung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, als Schall und Rauch.
Barenberg: Müssen wir trotzdem, Herr Anda, vielleicht dem Gedanken näher kommen, dass die Ablehnung der Bundesregierung nicht ganz so kategorisch gemeint war von Anfang an, wie man es ja seitdem gerne kolportiert?
Anda: Nein, dem kann ich überhaupt nicht folgen, denn was Deutschland von Anfang an gesagt hat, das war, dass wir zu den Bündnisverpflichtungen stehen, und ich kann da überhaupt keine Doppeldeutigkeit oder Doppelzüngigkeit erkennen, wie es nachher im Zuge dessen einmal behauptet worden ist. Es war ganz klar, dass wir keinerlei militärische Abenteuer unterstützen. Wenn sich die Bedingungen erweisen würden, die ein Eingreifen gerechtfertigt hätten, eben dass Terroristen sich auf diesem Gebiet des Irak versteckt hätten, dann, hat Gerhard Schröder deutlich gemacht, muss man das auf der Basis dessen, was entschieden worden ist, auch klar und deutlich eben so entscheiden. Ganz klar hat er gesagt, dass es hier solche Lösungen nicht geben kann, und schon gar nicht hat er solche Formulierungen verwendet, die George Bush in seinen neuen Memoiren zitiert, nach dem Motto, wenn Sie es schnell und entschieden erledigen, dann bin ich mit Ihnen. Das ist sicherlich nicht die Sprache Gerhard Schröders.
Barenberg: Das ist also pure Geschichtsfälschung auf der Seite von George Bush?
Anda: Das ist es.
Barenberg: Nun gibt es ja Vorbereitungen, nehme ich an, für solche Treffen, es gibt eine Nachbereitung. Wie kann es denn überhaupt Missverständnisse geben, was die Ergebnisse eines solchen Gespräches angeht?
Anda: In der Tat gibt es da sehr detaillierte Vorbereitungen und Nachbereitungen auch. Solche Reisen werden ja vorbereitet von einem ganzen Stab von Mitarbeitern, von der deutschen Botschaft, aber auch von der außenpolitischen Abteilung. Es gibt Gespräche im Vorfeld mit dem Sicherheitsberater des Weißen Hauses, damals Condoleezza Rice. Insofern ist es ja höchst erstaunlich wie die Darstellung von George Bush, dass sich gerade zwei der hochrangigsten Beamten, nämlich Wolfgang Ischinger, der damalige deutsche Botschafter, und Dieter Kastrup, der damalige wirklich sehr honorige Leiter der außenpolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes, die bei dem Gespräch dabei waren, ganz klar erklärt haben. Ich kann mir nicht erklären, was acht Jahre nach dem Treffen George Bush jetzt dazu bewogen hat, diese Szene so darzustellen, wie er sie dargestellt hat. Fakt ist: Drei der Anwesenden erinnern sich anders als er.
Barenberg: Gibt es denn gewöhnlich ein Gedächtnisprotokoll, irgendeine schriftliche Fixierung der Ergebnisse des Verlaufs solcher Gespräche, wenn sie unter vier Augen oder in diesem Fall in einem Raum mit drei, vier Personen stattfinden?
Anda: In der Regel werden Berichte angefertigt über ein solches Gespräch. Wie detailliert die sind, das ist dem Verfasser eines solchen Berichtes überlassen. Insofern gibt es da eine extensive Vorbereitung und auch Nachbereitung mit entsprechenden auch Grundzügen. Die Positionen, die das Land, in diesem Falle Deutschland hat in den verschiedenen politischen Agenden, die zu besprechen sind, die werden ganz klar fixiert, werden besprochen. Es steht allerdings dem Regierungschef oder auch dem Außenminister oder wem auch immer, dem Delegationsleiter, dem politischen Kopf frei, sich in diesen Gesprächen darüber hinwegzusetzen und aus der Situation heraus Dinge zu entscheiden. Das geschieht allerdings sehr selten.
Barenberg: Zum Schluss, Herr Anda. Wem, glauben Sie, werden die Amerikaner glauben, Bush oder Schröder?
Anda: Das ist eigentlich unerheblich, denn die Amerikaner haben, was den Irakkrieg angeht, eine sehr klare politische Entscheidung getroffen. Sie haben die Amtszeit der Konservativen nicht mehr verlängert und sie haben auch in ihrer eigenen historischen Betrachtung eine sehr kritische Bilanz dieses Irakkrieges gezogen. George Bush war am Ende der unbeliebteste Präsident aller Zeiten und dieses aufgrund seines Engagements im Irak.
Barenberg: Bela Anda, Staatssekretär damals und Regierungssprecher der rot-grünen Bundesregierung. Heute arbeitet er für den Finanzdienstleister AWD. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Anda.
Anda: Ich danke Ihnen auch.
O-Ton Gerhard Schröder: Wir haben auch hier klar gemacht, was wir vor der Wahl gesagt haben, danach auch, dass wir uns an einer militärischen Aktion im Irak nicht beteiligen.
Barenberg: Gerhard Schröder im November 2002 beim Gipfel der NATO in Prag. Und diese Haltung verteidigt er jetzt auch vehement, denn George Bush behauptet in seinen Memoiren das Gegenteil, dass der Sozialdemokrat ihm bei einem Gespräch im Weißen Haus Ende Januar 2002 die volle Unterstützung Deutschlands für einen Krieg in Aussicht gestellt hat und den Militärschlag dann erst im Wahlkampf ablehnte.
Wer hat recht? – Wir wollen darüber in den nächsten Minuten mit Bela Anda sprechen, damals Regierungssprecher und bei der Reise nach Washington dabei, wenn auch nicht unmittelbar bei dem fraglichen Gespräch im Raum. Einen schönen guten Morgen, Herr Anda.
Bela Anda: Guten Morgen!
Barenberg: Nach allem, was Sie wissen, was Sie miterlebt und gehört haben, wer hat denn nun recht, der Ex-Präsident oder der Ex-Kanzler?
Anda: Der Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat recht. Er hat dies ja klar und deutlich gesagt und er hat ja damals zwei sehr hochrangige Beamte bei diesem Gespräch gehabt. Das war der Leiter der außenpolitischen Abteilung im Kanzleramt, Herr Kastrup, und Wolfgang Ischinger, der damalige Botschafter Deutschlands in Washington, beides Männer mit damals drei Jahrzehnten außenpolitischer Erfahrung, und beide haben erklärt, dass niemand den Gesprächsverlauf als einen deutschen Blankoscheck für ein militärisches Vorgehen gegen den Irak interpretieren könnte, und so war es auch.
Barenberg: Kein Blankoscheck, sagt Herr Ischinger. Sie haben es erwähnt. Kein Freibrief, sagt Dieter Kastrup, der damalige Abteilungsleiter Außenpolitik im Kanzleramt. Das heißt ja nun im Gegenteil nicht unbedingt, dass es auch eine vehemente Ablehnung jeder Unterstützung war?
Anda: Nein. Was Gerhard Schröder sehr deutlich gemacht hat, im Übrigen noch in seiner Rede damals bei Ausbruch des Krieges, dass Deutschland im Irak, wenn sich tatsächlich der Irak wie zuvor Afghanistan als Schutzraum und Zufluchtsort für El-Kaida-Kämpfer erweisen würde, zuverlässig an der Seite der USA stehen würde. Einen entsprechenden Entschluss der Vereinten Nationen gab es ja auch damals, und da stand Deutschland klar zu den Bündnisverpflichtungen, die Gerhard Schröder ja auch im Deutschen Bundestag kurz zuvor mit der Vertrauensfrage verknüpft hatte, um die Unterstützung für die USA im Kampf gegen den Terrorismus zu ermöglichen, damals nach dem Anschlägen des 11. September und dem entsprechenden Vorgehen in Afghanistan.
Deutschland war damals auch der größte Truppensteller außerhalb der EU. Wir waren am Horn von Afrika engagiert, in Afghanistan eben auch, und ABC-Schutzpanzer standen in Kuwait später. Also das war klar: Bündnisverpflichtung ja, wenn sich die angeblichen Terroristen tatsächlich im Irak oder im Gebiet des Iraks versteckt hielten. Nur das erwies sich dann ja später, genauso wie die Behauptung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, als Schall und Rauch.
Barenberg: Müssen wir trotzdem, Herr Anda, vielleicht dem Gedanken näher kommen, dass die Ablehnung der Bundesregierung nicht ganz so kategorisch gemeint war von Anfang an, wie man es ja seitdem gerne kolportiert?
Anda: Nein, dem kann ich überhaupt nicht folgen, denn was Deutschland von Anfang an gesagt hat, das war, dass wir zu den Bündnisverpflichtungen stehen, und ich kann da überhaupt keine Doppeldeutigkeit oder Doppelzüngigkeit erkennen, wie es nachher im Zuge dessen einmal behauptet worden ist. Es war ganz klar, dass wir keinerlei militärische Abenteuer unterstützen. Wenn sich die Bedingungen erweisen würden, die ein Eingreifen gerechtfertigt hätten, eben dass Terroristen sich auf diesem Gebiet des Irak versteckt hätten, dann, hat Gerhard Schröder deutlich gemacht, muss man das auf der Basis dessen, was entschieden worden ist, auch klar und deutlich eben so entscheiden. Ganz klar hat er gesagt, dass es hier solche Lösungen nicht geben kann, und schon gar nicht hat er solche Formulierungen verwendet, die George Bush in seinen neuen Memoiren zitiert, nach dem Motto, wenn Sie es schnell und entschieden erledigen, dann bin ich mit Ihnen. Das ist sicherlich nicht die Sprache Gerhard Schröders.
Barenberg: Das ist also pure Geschichtsfälschung auf der Seite von George Bush?
Anda: Das ist es.
Barenberg: Nun gibt es ja Vorbereitungen, nehme ich an, für solche Treffen, es gibt eine Nachbereitung. Wie kann es denn überhaupt Missverständnisse geben, was die Ergebnisse eines solchen Gespräches angeht?
Anda: In der Tat gibt es da sehr detaillierte Vorbereitungen und Nachbereitungen auch. Solche Reisen werden ja vorbereitet von einem ganzen Stab von Mitarbeitern, von der deutschen Botschaft, aber auch von der außenpolitischen Abteilung. Es gibt Gespräche im Vorfeld mit dem Sicherheitsberater des Weißen Hauses, damals Condoleezza Rice. Insofern ist es ja höchst erstaunlich wie die Darstellung von George Bush, dass sich gerade zwei der hochrangigsten Beamten, nämlich Wolfgang Ischinger, der damalige deutsche Botschafter, und Dieter Kastrup, der damalige wirklich sehr honorige Leiter der außenpolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes, die bei dem Gespräch dabei waren, ganz klar erklärt haben. Ich kann mir nicht erklären, was acht Jahre nach dem Treffen George Bush jetzt dazu bewogen hat, diese Szene so darzustellen, wie er sie dargestellt hat. Fakt ist: Drei der Anwesenden erinnern sich anders als er.
Barenberg: Gibt es denn gewöhnlich ein Gedächtnisprotokoll, irgendeine schriftliche Fixierung der Ergebnisse des Verlaufs solcher Gespräche, wenn sie unter vier Augen oder in diesem Fall in einem Raum mit drei, vier Personen stattfinden?
Anda: In der Regel werden Berichte angefertigt über ein solches Gespräch. Wie detailliert die sind, das ist dem Verfasser eines solchen Berichtes überlassen. Insofern gibt es da eine extensive Vorbereitung und auch Nachbereitung mit entsprechenden auch Grundzügen. Die Positionen, die das Land, in diesem Falle Deutschland hat in den verschiedenen politischen Agenden, die zu besprechen sind, die werden ganz klar fixiert, werden besprochen. Es steht allerdings dem Regierungschef oder auch dem Außenminister oder wem auch immer, dem Delegationsleiter, dem politischen Kopf frei, sich in diesen Gesprächen darüber hinwegzusetzen und aus der Situation heraus Dinge zu entscheiden. Das geschieht allerdings sehr selten.
Barenberg: Zum Schluss, Herr Anda. Wem, glauben Sie, werden die Amerikaner glauben, Bush oder Schröder?
Anda: Das ist eigentlich unerheblich, denn die Amerikaner haben, was den Irakkrieg angeht, eine sehr klare politische Entscheidung getroffen. Sie haben die Amtszeit der Konservativen nicht mehr verlängert und sie haben auch in ihrer eigenen historischen Betrachtung eine sehr kritische Bilanz dieses Irakkrieges gezogen. George Bush war am Ende der unbeliebteste Präsident aller Zeiten und dieses aufgrund seines Engagements im Irak.
Barenberg: Bela Anda, Staatssekretär damals und Regierungssprecher der rot-grünen Bundesregierung. Heute arbeitet er für den Finanzdienstleister AWD. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Anda.
Anda: Ich danke Ihnen auch.