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Dresden
Neue Freunde kennenlernen

Wer aus Dresden kommt, hat es momentan nicht leicht. Ständig müssen Dresdner erklären, was in ihrer Stadt los ist, in der sich Montag für Montag die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung trifft. Dabei gibt es auch in Dresden viele Menschen, die offen auf die neu angekommenen Flüchtlinge zugehen. So auch bei der Veranstaltung "Meet new Friends".

Von Bastian Brandau | 01.02.2016
    Die Elbe fließt zwischen der Dresdner Altstadt und der Neustädter Elbseite.
    Dresden, eine weltoffene Stadt. Das wollte "Meet new Friends" zeigen. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Nicht immer wird in den staatlichen Kunstsammlungen Dresden Tischfußball gespielt, aber an diesem Nachmittags ist eh alles anders. Menschen schieben sich dicht an dicht durch den fußballfeldgroßen überdachten Innenhof des Albertinums, Kunst spielt eine Nebenrolle. In einer Ecke lassen vier Jungs – alle im Grundschulalter – die weiße Kugel hin und herflitzen. Magnus Eljen, zehn Jahre alt, macht eine Pause und schaut zu, wie sich sein kleiner Bruder so schlägt.
    "Es macht eigentlich Spaß, mit anderen Kindern, die man nicht kennt, und mit denen man sich auch nicht unterhalten kann, mit denen einfach zu spielen, aber man versteht sich trotzdem."
    Die Sprache auf der anderen Seite des Tisches ist gerade Farsi, einer der kleinen Kicker kann sich aber auf Deutsch schon selbst vorstellen.
    "Ich bin Mutassar, neun Jahre alt."
    Kinder, die Tischfußball spielen, auch das ist in diesen Zeiten irgendwie politisch, weiß die Mutter von Magnus, Arvid Eljen. Sie ist gekommen, um zu zeigen, "dass nicht alle Dresdner Pegida sind. Und dass die Dresdner durchaus weltoffen sind. Und fremdenfreundlich. Dass das ganze Zusammenleben hervorragend klappt. Man muss es nur wollen und einen Schritt auf die anderen zugehen."
    Und dass wollen an diesem Nachmittag viele. So viele, dass sich teilweise Schlangen bilden. Mehr als 1.400 Menschen dürfen aus Sicherheitsgründen nicht ins Gebäude - und die Sammlungen sind natürlich geöffnet. Die Veranstalter von "Meet new Friends" bemühen sich um eine Atmosphäre, in der die Menschen den einen Schritt auf die anderen zugehen, den man im Alltag vielleicht nicht tut. Den Sound dazu liefert unter anderem die Banda Internationale, ein Musik-Projekt mit Dresdnern und geflüchteten Musikern.
    Kennengelernt und Kekse ausgetauscht
    Von der Bühne kommt neben Musik und Gesang immer wieder die Aufmunterung, sich gegenseitig anzuschauen, ins Gespräch zu kommen. Und was am Anfang etwas gezwungen wirkt, funktioniert immer besser. Dresdner und Neu-Dresdner kommen schnell ins Gespräch. Dann kann man sich verabreden - zum Beispiel, um zu einem Spiel des Drittligisten Dynamo zu gehen. Am Stand von Mitarbeiterin Marie Strobel herrscht reger Andrang.
    "Wir machen es so, sie sollen zuerst ein Fußballquiz ausfüllen, wir gucken, ob das so halbwegs richtig ist, sehen das aber auch nicht so kritisch, wenn zwei, drei Fragen nicht stimmen. Und dann bekommt das Tandempärchen, wie es bei anderen Ständen auch ist, die Freitickets."
    Über 50 Ziele sind im Angebot, neben Fußball gibt es Museums- oder Theaterbesuche, Konzerte oder Stadtführungen. Außerdem suchen auf Aushängen Musiker Bands, Sprachschüler Lehrer oder Menschen neue Freunde.
    Abseits des großen Trubels, im Garderobenbereich, geht es etwas ruhiger zu. Im Seminarraum ist eine Kinderecke aufgebaut. An der Seite sind eine syrische und eine deutsche Familie zusammengerückt. Die Kinder sitzen bei den Müttern und basteln, stehend unterhalten sich mit verschränkten Armen die Väter. Kai Jeschke aus Dresden: "Wir waren ungefähr eine Stunde hier, und wie das so ist, haben wir uns kennengelernt, angelächelt, Kekse ausgetauscht, und sind sofort ins Gespräch gekommen."
    Doch wie funktioniert das, ohne gemeinsame Sprache?
    "Er spricht schon ein paar Brocken Deutsch, er kann Englisch, wir können Englisch. Wir können auch Englisch und mit Händen und Füßen und mithilfe der Kinder und mit dem, was man eigentlich so hat, ist es relativ gut zu kommunizieren."
    Ein Fest feiern und positive Signale setzen
    Und wenn es doch mal hakt, helfen an diesem Tag Dolmetscher, leicht zu erkennen an ihren gelben T-Shirts. So kann Familienvater Ahmad von seinem Unternehmen erzählen, dass er verlassen musste. Und wie er, seine Frau und die drei Kinder versuchen, sich in Deutschland einzuleben. Ähnliche Szenen spielen sich hier zu Hunderten ab. Zur großen Zufriedenheit von Gastgeberin Hilke Wagner, der Direktorin des Albertinums:
    "Für uns geht es einfach darum, hier ein Fest zu feiern, positive Signale zu setzen. Wir wissen es hier in Dresden, die Gesellschaft hat sich gespalten, wer bringt mehr Leute auf die Straße, und heute geht es um etwas ganz anderes. Nämlich einfach darum, Integration möglich zu machen, zu erleichtern. Und es gibt so wahnsinnig viele Dresdner, die sich gerne engagieren möchten, die aber vielleicht nicht die diejenigen sind, die immer auf die Straße gehen und auf Gegendemos sind, die Möglichkeit zu geben, einen Ansatz zu finden, wie es überhaupt möglich sein könnte."
    Zum Beispiel, in dem man sich gegenseitig bekocht. Das haben Thomas Lorenz, Zen Shadfch und Marina Malhem an diesem Nachmittag ausgemacht.
    "Nächste Woche haben wir gesagt" – "Ja, ja, genau." – "Und was kochen Sie dann?" - Ich weiß noch nicht." – "Aber syrische Essen. Sy-risch-e Essen."