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Drittes Geschlecht
Weiblich, männlich, divers

"Divers" – so kann künftig offiziell das Geschlecht eines Menschen lauten, wenn es nicht eindeutig weiblich oder männlich ist. Die Große Koalition folgt mit dieser Regelung einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Kritik kommt von Aktivisten für Geschlechtervielfalt und von der AfD.

Von Panajotis Gavrilis | 14.12.2018
    Piktogramm von Mann und Frau gemischt, Intersexualität
    Neuregelung: Künftig wird es im Geburtenregister eine dritte Geschlechtsoption geben. (dpa / picture alliance / Christian Ohde)
    Bis Ende des Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht der Regierung Zeit gegeben, eine dritte Geschlechtsoption gesetzlich zu verankern.
    Gestern, am späten Abend, auf den sprichwörtlich letzten Drücker haben Union und SPD beschlossen: Wenn ein Kind geboren wird, das weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordneten werden kann, so heißt es im Gesetz, dann kann man in das Feld der Geschlechtsangabe "divers" eintragen.
    "Auch dieser Begriff erfüllt nicht alle Erwartungen. Die weitestgehend Forderung war: 20 Zeichen zur eigenen Bezeichnung der sogenannten geschlechtlichen Identität freizugeben."
    Gibt Marc Henrichmann von der Unionsbundestagsfraktion zu, um dann hinzuzufügen:
    "Aber das staatliche Interesse, Personenstandsregister mit Beweiswert zu führen, lässt eben keine subjektive Komponente oder Selbsteinschätzung zu. Und das nicht, um Betroffene zu ärgern oder zu diskriminieren, sondern auch, um insbesondere um Betroffene zu schützen."
    Nachweis durch ärztliche Bescheinigung
    Wenn eine Person ihre Geschlechtsoption ändern möchte, ist zwar kein umfassendes medizinisches Gutachten nötig, wie einst geplant. Einen Nachweis müssen intersexuelle Menschen dennoch erbringen:
    "Für die Änderungen braucht es unseres Erachtens objektive Kriterien. Und das ist der 45b Abs. 3 – die ärztliche Bescheinigung. Diese muss nicht neu sein, sie muss keine Diagnose enthalten und sie dürfte in den allermeisten Fällen, das hat die Anhörung ergeben, bereits vorliegen."
    Diese ärztliche Bescheinigung ist zu wenig, kritisiert Beatrix von Storch, Fraktions-Vize der AfD im Bundestag und lehnt die neue Geschlechter-Wahlmöglichkeit komplett ab.
    "Die Geschlechtszugehörigkeit ist seit Bestehen der Menschheit ein objektives Faktum, so wie Alter und Körpergröße auch."
    In wenigen Ausnahmefällen können Betroffene eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Zum Beispiel dann, wenn eine sogenannte "Variante der Geschlechtsentwicklung" medizinisch nicht mehr nachweisbar ist oder wenn keine ärztliche Bescheinigung mehr vorliegt und ein erneuter Arztbesuch Intersex-Menschen re-traumatisieren könnte.
    Auf körperliche Merkmale reduziert
    Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen, die sich für mehr Geschlechtervielfalt einsetzen, kritisieren die fehlende Selbstbestimmungsmöglichkeit im neuen Gesetz.
    Intersexualität werde nur auf körperliche Merkmale reduziert, heißt es.
    "Warum trauen sie Betroffenen nicht zu, selbst über ihr eigenes Geschlecht zu entscheiden?", fragt Jens Brandenburg von der FDP:
    "Ein Leben lang waren sie in ihrer Geschlechtlichkeit fremdbestimmt und stigmatisiert. Und nun garantiert Karlsruhe, das Bundesverfassungsgericht, diesen Menschen endlich eine staatliche Anerkennung ihrer eigenen geschlechtlichen Identität. Und Ihnen fällt in der Koalition nichts Besseres ein als die Frage des Geschlechts erneut zu reduzieren auf rein körperliche Merkmale und diesen Menschen auch noch abzuverlangen am Standesamt ein ärztliches Attest vorlegen zu müssen."
    Divers, die neue Wahlmöglichkeit, das sei nur eine Minimallösung, fügt der FDP-Politiker Brandenburg hinzu.
    Tatsächlich hätte Koalition auch weiter gehen können: In seiner Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit aufgezeigt, auf die Angabe des Geschlechts im Geburtenregister komplett zu verzichten.