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Drittmittelwerbung für die Forschung
"Der Umfang ist problematisch"

Für Wissenschaftler ist es wichtig zu wissen, wie sie Drittmittel für ihre Forschung einwerben können. Denn fast 40 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen werden mittlerweile aus Drittmitteln bezahlt, sagte die Wissenschaftsberaterin Neela Enke im DLF. Eine Entwicklung, die sie durchaus kritisch sieht.

Neela Enke im Gespräch mit Michael Böddeker | 11.11.2015
    Ein Schild mit der Aufschrift "Referat Drittmittel" hängt in der Domstraße an einem Gebäude der Universität von Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), aufgenommen am 28.01.2013.
    Mehr als 255.000 Euro pro Jahr wirbt im Schnitt jede(r) Professor(in) an einer deutschen Universität an Drittmitteln für die Forschung ein. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Michael Böddeker: Mehr als 255.000 Euro pro Jahr, so viel Geld hat jede Professorin und jeder Professor an einer deutschen Universität im Schnitt an Drittmitteln für die Forschung eingeworben. Das besagen die aktuellsten Zahlen vom Statistischen Bundesamt, die sich auf das Jahr 2013 beziehen, und das entspricht immer wieder fünf Prozent mehr als im Vorjahr. An anderen Hochschularten wie den Fachhochschulen ist der Durchschnitt zwar deutlich niedriger, aber auch da sind die Einnahmen gestiegen. Wer zum ersten Mal Fördergelder für die eigene Forschung beantragt, also junge Forscher zum Beispiel, der kann dabei Hilfe gebrauchen. Viele Hochschulen bieten dazu auch Seminare und Workshops an. Beratung zu dem Thema bietet auch Neela Enke, mit ihr habe ich vor der Sendung gesprochen und sie gefragt: Worauf muss man denn achten, wenn man Erfolg haben will beim Einwerben von Drittmitteln?
    Neela Enke: Da gibt es natürlich sehr viele Kriterien. Ich sage meinen Klienten dann oft, dass das Wichtigste zuerst die Passgenauigkeit auf die Ausschreibung ist, dass man genug Informationen über das jeweilige Förderprogramm sammelt, um sich sicher zu sein, dass man mit seiner Idee, seinem Projekt da gut aufgehoben ist. Das kann durchaus auch mal ein Anruf bei den Forschungsförderern sein, es gibt meistens Leitfäden für die Antragstellung, die auch zu beachten sind, oder man fragt eben Personen, die man kennt, die dort bereits einen Antrag gestellt haben.
    Böddeker: Sprich: Die Bewerbung sollte möglichst passgenau sein auf das Programm, bei dem man sich bewirbt. Aber gibt es auch allgemeine Dinge, die man beachten sollte?
    Enke: Ja, auf jeden Fall. Ein wichtiges Kriterium ist die wissenschaftliche Exzellenz des Projektes, aber auch, wie innovativ ist mein Projekt und was könnte es beitragen zur aktuellen gesellschaftlichen, ökonomischen und so weiter Lage beziehungsweise zu den Trends in den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen. Es ist immer ein wichtiges Kriterium, was trage ich dazu bei, um diese Disziplin voranzubringen. Und da ist es nicht schlecht, wenn man ein Gespür entwickelt für die Strömungen innerhalb der Disziplin.
    "Das System belohnt die besten Anträge"
    Böddeker: Ist es für Forscher wichtiger geworden, sich heute auch mit dem Thema Drittmittel zu befassen?
    Enke: Auf jeden Fall. Also, gerade da fast 40 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen auf Drittmitteln angestellt sind, ist es für junge Wissenschaftler sehr, sehr wichtig, diese Drittmittel einzuwerben, zumal auch oft die Summe der eingeworbenen Drittmittel eine wichtige Grundlage ist für die Verteilung von Mitteln der Universität an die Fachbereiche. Das heißt, je mehr Drittmittelakquise man betreibt, desto mehr ist man auch wert für die Hochschule oder die Universität.
    Böddeker: Und die jungen Forscher, die Sie gerade angesprochen haben, die beraten Sie ja auch. Was sind da so die häufigsten Fragen, mit denen die auf Sie zukommen?
    Enke: Viele haben einfach noch gar keine Vorstellung davon, wie ich einen Antrag schreibe. Anders als in Publikationen ist so ein Antrag anders aufgebaut. Und so trivial es klingt: Die Gutachter müssen zuallererst mal verstehen, worum es geht und warum das jetzt gerade eine gute Idee ist. Und das ist für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerade im Nachwuchsbereich sehr schwierig, Ideen auf so eine Fragestellung, eine Kernfragestellung herunterzubrechen. Selbstverständlich hat man immer das Gefühl, man macht wichtige Forschung, aber das zu begründen, warum das wichtig ist, ist für viele sehr schwierig. Und das ist oft etwas, woran wir zuerst arbeiten.
    Böddeker: Heißt das nicht, dass das System am Ende nicht unbedingt die beste Forschung, sondern vielleicht auch die besten Anträge oder die besten Antragsteller belohnt?
    Enke: Sicherlich belohnt das System die besten Anträge, denn wissenschaftliche Exzellenz ist immer nur ein Kriterium. Ein anderes Kriterium, was wichtig ist: Ist das Projekt durchführbar, habe ich mir einen guten Zeitplan, einen guten Finanzplan gemacht, ist den Gutachtern klar geworden, dass ich das mit den beantragten Mitteln umsetzen kann? Und das ist manchmal ein wichtigeres Kriterium als die wissenschaftliche Exzellenz, oder ein gleich wichtiges Kriterium.
    "Nicht sehr hilfreich, um nachhaltige Forschungskompetenzen zu verankern"
    Böddeker: Also, viele Forscher verwenden heutzutage schon sehr viel Zeit darauf, Drittmittelanträge zu schreiben, das wird auch immer wichtiger. In der Zeit, in der sie diese Anträge schreiben, können sie ja nicht forschen. Was würden Sie sagen, ist dieses System sinnvoll?
    Enke: Ja und nein. Sicherlich ist es sinnvoll, Drittmittel einwerben zu können und auch eine zusätzliche Finanzierungsquelle zu haben. Was ich problematisch sehe, ist der Umfang, mit dem dies im Moment geschieht. Also, gerade junge Wissenschaftler, wenn sie auf einer befristeten Stelle sitzen, drei Jahren haben, müssen im Grunde genommen nach anderthalb Jahren anfangen, den nächsten Antrag vorzubereiten, da der ja auch sehr lange zur Begutachtung braucht, um ihre Weiterfinanzierung sicherstellen zu können. Und das ist sicherlich auf lange Sicht nicht sehr hilfreich, um nachhaltige Forschungskompetenzen auch an einer Hochschule zu verankern oder überhaupt zu fördern. Also, das würde ich schon sehr kritisch sehen.
    Böddeker: Sagt Neela Enke. Sie berät junge Forscherinnen und Forscher unter anderem zum Thema Drittmittelanträge. Und nach neusten Zahlen des Statistischen Bundesamts sind die deutschen Hochschulen, was das angeht, immer erfolgreicher. Mehr als 155.000 Euro pro Jahr hat jeder Universitätsprofessor zuletzt im Durchschnitt eingeworben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.