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DRK-Präsident fordert Einhaltung der Genfer Konventionen

Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, hat an das israelische Militär und an die radikal-islamische Hisbollah-Miliz appelliert, die Genfer Konventionen zu achten. Ärzte und Zivilisten dürften nicht das Ziel von Militäraktionen sein, sagte Seiters. Zugleich rief er zu Spenden für die Bevölkerung im Libanon und in Israel auf.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Wenn alles gut geht, dann werden heute alle Deutschen, die den Libanon verlassen wollen, das Land verlassen haben. Auch wenn ihr Schicksal noch ungewiss ist, Hals über Kopf ein Land im Krieg verlassen, sehen wo man denn nun unterkommen kann, keine rosigen Aussichten, aber immerhin, sie sind in Sicherheit, anders als die, die zurückbleiben mussten. Libanesische Behörden rechnen mit 300.000 Menschen, die im eigenen Land auf der Flucht sind. Die Verneinten Nationen und das Internationale Rote Kreuz schätzen die Zahl der Flüchtlinge im Libanon selbst auf eine halbe Millionen Menschen.

    Am Telefon begrüße ich nun den Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters. Guten Morgen, Herr Seiters!

    Rudolf Seiters: Schönen guten Morgen!

    Breker: In solchen Kriegen leiden die Zivilisten wie immer am meisten. Wie kann man ihnen helfen?

    Seiters: Ja Sie haben völlig Recht und darüber sind wir natürlich auch besonders betroffen und traurig, denn hunderte Todesopfer und zigtausende Flüchtlinge und die Zerstörung von Wohnhäusern und Infrastruktur, das hinterlässt ja bleibende Wirkungen. Der Preis wird also wieder einmal für einen politischen Konflikt von der Zivilbevölkerung gezahlt. Was können wir tun außer dem mehr oder weniger hilflosen Appell, die Kämpfe einzustellen? Die Hauptaufgabe besteht für die humanitären Organisationen darin, die Verwundeten zu evakuieren, medizinisch zu versorgen, sie brauchen Lebensmittel, sie brauchen Wasser, sie brauchen sanitäre Anlagen. Wir haben vom DRK einen Spendenaufruf erlassen, um gemeinsam mit dem libanesischen Roten Kreuz und mit dem Internationalen Roten Kreuz den Konfliktopfern zu helfen. Wir haben mehrere Hunderttausend Euro als erste Hilfe zur Verfügung gestellt. Wir haben auch der Israelischen Hilfsgesellschaft, Schwesterngesellschaft "Magen-David-Adom" unsere Unterstützung angeboten. Beide Hilfsgesellschaften sind rund um die Uhr mit tausenden Helfern im Einsatz, auch das IKRK. Es ist zwingend erforderlich, das ist vielleicht im Augenblick das wichtigste, dass medizinische Teams Zugang zu den Opfern erhalten und dass sie nicht behindert werden.

    Breker: Sie haben es gesagt, es geht auch um die verletzten Menschen. Die lokalen Krankenhäuser sind einfach überfordert, aber es kommt noch niemand von außen rein.

    Seiters: Es sind also allein vom Libanesischen Roten Kreuz rund 3000 freiwillige Helfer mit vielen hundert Rettungswagen unterwegs. Das Rote Kreuz betreibt dort 50 Kliniken und Blutbanken und ähnlich ist es in Israel mit Rettungswagen und mobilen Kliniken, die aktiv im ganzen Lande sind. Aber wir haben ja leider einen Vorfall gehabt im Libanon, wo die israelischen Streitkräfte also in Nablus, wo die Räumlichkeiten des Palästinensischen Roten Halbmondes blockiert wurden und die Bewegungsfreiheiten der Ambulanzen des Personals und der Patienten behindert wurden und das geht natürlich nicht, denn alle medizinischen Einheiten des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes haben Anspruch auf den vollen Schutz des humanitären Völkerrechts und deswegen war zum Beispiel diese Aktion der israelischen Streitkräfte eine Missachtung der Verpflichtung, medizinische Einrichtungen zu achten und zu schützen. Deswegen sage ich, es muss sicher gestellt sein, dass medizinische Teams Zugang zu allen Konfliktopfern bekommen.

    Breker: Die Israelis zerstören ja die Infrastruktur im Libanon. Im Vorfeld war gar die Rede, "Wir werden dieses Land um 20 Jahre zurückbomben". Ist das nicht eine Angelegenheit, wo man sagen muss, dass hier die Verhältnismäßigkeit nicht mehr ganz gewahrt ist?

    Seiters: Ich will eine Vorbemerkung machen. Man muss sich natürlich schon immer wieder in die Lage Israels versetzten, sein Existenzrecht wird erneut von radikalen Organisationen bestritten, seine Bevölkerung wird von terroristischen Angriffen bedroht. Deswegen darf niemand das Recht Israels bestreiten, sich zu verteidigen, den Terrorismus zu bekämpfen und Israel braucht dabei auch ganz sicher die Solidarität und die Unterstützung der Welt. Dennoch Ihre Frage: Ist der Appell wichtig und notwendig, die Zivilbevölkerung zu schonen und die Genfer Konventionen zu achten? Zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Rettungstransportwagen, auch sie waren unmittelbar gefährdet, dürfen nicht Ziel von militärischer Gewalt sein und deswegen, wenn man an das humanitäre Völkerrecht denkt, ist natürlich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel schon berechtigt, denn es gibt die Verpflichtung zwischen Zivilisten und zivilen Objekten einerseits und militärischen Zielen andererseits zu unterscheiden und bei Militäroperationen eben diesen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu achten, um unnötige Leiden zu hindern und da gibt es berechtigte Fragen und auch berechtigte Kritik.

    Breker: Herr Seiters, gestern konnte man sehen, wie israelische Hubschrauber Flugblätter über den Südlibanon abgeworfen haben, in denen die Bevölkerung aufgefordert wird, das Gebiet zu verlassen. Gleichzeitig laufen in Israel offenbar Vorbereitungen für einen groß angelegten Bodenangriff. Haben denn die Menschen überhaupt die Chance, den Süden zu verlassen?

    Seiters: Ja das ist eine sehr schwierige Frage, denn wir haben ja heute schon die Situation, dass zehntausende Menschen in den Bergen rund um Beirut sich aufhalten, nach Angaben des UNHCR, also der Vereinten Nationen. 140.000 Personen sind vom Libanon nach Syrien geflohen. Also alles das macht die Schwierigkeit sehr, sehr deutlich und gerade auch vor diesem Hintergrund, dass viele Menschen möglicherweise gar nicht die Chance haben, militärischen Operationen zu entgehen, bleibt natürlich der dringende Appell an die Staatengemeinschaft mitzuhelfen, zu vermitteln, damit Kämpfe eingestellt werden und auch an die Konfliktparteien, Zivilisten zu schonen.

    Breker: Dennoch im Moment hat die Staatengemeinschaft und auch das Rote Kreuz die Rolle eines ohnmächtigen Zuschauers, der appelieren kann. Das Einzige, was derzeit möglich ist, Herr Seiters, habe ich das richtig verstanden, ist finanzieller Transfer in den Libanon?

    Seiters: Ja das ist richtig. Wir haben nach wie vor ja engen Kontakt zu allen unseren Schwesterngesellschaften vom Roten Kreuz und vom Roten Halbmond und auch von der israelischen Schwesterngesellschaft. Das macht ja die Effektivität der Arbeit, speziell auch einer so weltweit agierenden Organisation wie die des Roten Kreuzes aus, und wir wären natürlich außerordentlich dankbar, wenn die Bevölkerung in Deutschland auch uns unterstützen würde, damit wir weiter helfen können, und ich möchte versichern, dass die Gelder, die uns zur Verfügung gestellt werden, so schnell wie möglich auch die betroffene Bevölkerung erreichen.

    Breker: In Israel und im Libanon ?

    Seiters: Natürlich in beiden Ländern, soweit die Hilfsorganisationen das von uns wünschen. Sowohl im Libanon, die sind im Augenblick besonders bedroht, aber selbstverständlich auch in Israel, denn unschuldige Mensche, die betroffen werden, gibt es in beiden Ländern.

    Breker: Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters war das im Deutschlandfunk. Herr Seiters, danke für dieses Gespräch.