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Drohende US-Strafzölle für deutsche Autos
Westphal: Gegenzölle als letzte Eskalationsstufe

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal rät davon ab, im Falle von US-Strafzöllen auf deutsche Autos sofort mit Gegenzöllen zu reagieren. Das sei eine "Eskalationsstufe, die kommt erst nach dem fünften, sechsten Schritt", sagte er im Dlf. Niemand habe Interesse an einer Spirale von Handelssbeschränkungen.

Bernd Westphal im Gespräch mit Christoph Heinemann | 18.02.2019
    Westphal spricht im schwarzen Jackett in die Mikrofone und gestikuliert mit den Händen.
    Der SPD-Abgeordnete Bernd Westphal am 5.12.2014 am Rednerpult des Deutschen Bundestages in Berlin. (imago / Metodi Popow)
    Christoph Heinemann: Harte Kritik der Bundeskanzlerin an der US-Regierung an diesem Wochenende während der Münchener Sicherheitskonferenz in der Außenpolitik – Stichwort Iran -, in der Handelspolitik mit Blick auf die deutsche Automobilindustrie, oder die Energieversorgung mit russischem Gas. Wobei sie weder das Regime in Teheran, noch die russische Führung verharmlost hat. Angela Merkels hartnäckiges Werben für eine internationale Zusammenarbeit konterte US-Vizepräsident Pence mit dem Ausruf: "Gott schütze Amerika!"
    Bei den Autos bleiben wir, denn das US-Handelsministerium hat seinen Prüfbericht über die Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Autoimporte an Donald Trump übergeben. Der hat jetzt 90 Tage Zeit, um über Zölle zu entscheiden. Vor dieser Sendung haben wir Bernd Westphal erreicht, den Obmann der SPD im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, Wahlkreis Hildesheim. Ich habe ihn gefragt, ob er mit solchen Zöllen auf deutsche Autos rechne.
    Bernd Westphal: Das ist durchaus zu befürchten. Da gibt es jetzt den Bericht, der der Administration vorliegt, und es kann sein, dass der Präsident in diese Richtung entscheidet. Die Äußerungen, die wir bisher wahrgenommen haben, lassen diese Option zu.
    "Das wäre ein herber Einschnitt"
    Heinemann: Was würde das für die deutsche Automobilindustrie bedeuten?
    Westphal: Das wäre schon ein herber Einschnitt. Das, was wir an Autos und Autoteilen in die USA liefern, hat natürlich erhebliche Bedeutung für unseren Export. Allerdings ist die Begründung, die die Amerikaner anführen, um diese Zölle verhängen zu können, dass das mit nationaler Sicherheit zu tun hat, das ist natürlich völliger Unsinn, weil deutsche Autos werden ja auch in den USA gebaut und produziert. Deshalb ist das natürlich überhaupt nicht nachzuvollziehen.
    Heinemann: Wer sollte jetzt reagieren, Berlin oder Brüssel?
    Westphal: Beide zusammen. Es gibt ja ein Mandat, das die Handelsminister der Europäischen Kommission gegeben haben, über Industriezölle mit den Amerikanern zu verhandeln. Cecilia Malmström ist in erster Linie dort gefragt. Aber natürlich sind die einzelnen Mitgliedsstaaten auch aufgerufen, hier eine starke Position zu entwickeln, und deshalb muss man mit den Amerikanern ganz intensiv über diese Fragen verhandeln.
    "Das ist im 21. Jahrhundert kein adäquates Mittel"
    Heinemann: Was genau heißt jetzt "starke Position"?
    Westphal: Na ja, dass man Einigkeit hat, dass das einseitig eine Schädigung ist der Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU. Die Amerikaner machen da "America First" und "Schranken hoch". Das ist im 21. Jahrhundert kein adäquates Mittel. Es stört die weltwirtschaftliche Entwicklung. Da kommt einiges aus dem Gleichgewicht. Wir wären gut beraten, uns da gut vorzubereiten auf so eine neue Politik.
    Heinemann: Was fordern Sie konkret?
    Westphal: Wir haben kein Interesse, und das sage ich wirklich ausdrücklich vorweg: Wir haben kein Interesse, dass Handelsschranken, eine Spirale sich in Gang setzt, wo wir Handel behindern, sondern wir müssen natürlich konkret gucken, vielleicht gibt es andere Optionen, mit anderen Regionen Handel zu treiben. Das ist Asien, das ist auch auf dem Prüfstand, was ist mit Russland. Deshalb muss man da auch gucken, wo wir eventuell Marktpotenziale haben, die außerhalb der USA liegen.
    Heinemann: Im Stahlstreit, Herr Westphal, gab es ja schon europäische Gegendrohungen: Zölle auf Motorräder, Jeans, Whisky, Orangensaft. Reicht dieser Umfang aus, wenn es tatsächlich jetzt zu Zöllen auf deutsche oder europäische Automobile käme?
    Westphal: Nein, natürlich nicht. Man muss sich vorbereiten – sicherlich! Das wird Cecilia Malmström machen. Man muss gucken, was ist an amerikanischen Importen in Europa auf dem Zettel und wo kann man die Amerikaner sicherlich auch dementsprechend empfindlich treffen. Aber das ist eine Eskalationsstufe, die kommt erst nach dem fünften, sechsten Schritt, sondern vorher muss man natürlich gucken, wie kriegt man die Kuh vom Eis. Wir haben in Europa auch Zölle auf amerikanische Autos. Da müssen wir drüber diskutieren, ob wir nicht von unserer Seite auch das eine oder andere in die Waagschale werfen, um den Amerikanern entgegenzukommen. Das wäre meine Strategie.
    Auf der anderen Seite sich gut vorzubereiten, wenn die Amerikaner nicht locker lassen, und das kann bei Trump durchaus sich auch so nachher einstellen, dass man gut vorbereitet ist. Deshalb sage ich ja, muss man gucken, welche Produkte kommen aus den USA, wo müssen Zölle drauf, dass man sich da nicht einfach nur als Zuschauer in diesen Verhandlungen begnügt, sondern auch aktiv was einbringen kann.
    "Eskalationsstufen, die noch in der Zukunft liegen"
    Heinemann: Wie erklären Sie Ihren Gesprächspartnern in Washington, warum kaum US-Autos auf deutschen Straßen fahren?
    Westphal: Na ja, das hat mit Wettbewerb zu tun und mit Technologie und mit Innovationsvorsprung. Dort hat man in den amerikanischen Autoindustrien sicherlich Entwicklungsschritte verpasst. Das ist Marktwirtschaft, das ist Wettbewerb. Da gibt es immer ein Ringen um das beste innovative Produkt und um den besten Preis, und das überzeugt Verbraucherinnen und Verbraucher. Da haben die Amerikaner halt Nachholbedarf in den Bereichen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Technologievorsprung, zum Beispiel, wenn man sieht, Microsoft, Apple, Google, Plattform-Ökonomie, da sind die Amerikaner vorne.
    Heinemann: Käme es jetzt zum Äußersten, Herr Westphal, wo ließe sich die US-Wirtschaft treffen?
    Westphal: Das will ich jetzt gar nicht spekulieren. Natürlich weiß jeder die Produkte, die aus den Vereinigten Staaten hier nach Europa kommen, ich sage mal auch im landwirtschaftlichen Bereich, Stichwort Soja und andere Dinge. Ich will jetzt da gar nicht sagen, die fordern jetzt auf Autos, also müssen wir jetzt auf andere Produkte. Das sind dann Eskalationsstufen, die noch in der Zukunft liegen. Wir müssen uns darauf vorbereiten. Aber jetzt damit zu spekulieren, halte ich für nicht den richtigen Zeitpunkt.
    Heinemann: Muss man nicht gerade jetzt die Folterinstrumente zeigen?
    Westphal: Nein, das muss man nicht. Deshalb setze ich immer noch auf Diplomatie und auf Gespräche. Das ist die Stärke. Letztendlich hat der amerikanische Präsident ja auch gesagt, mit Juncker ein Agreement verhandelt, wo wir zumindest für einen Übergang den alten Status quo beibehalten konnten. Es gibt die Möglichkeit, dass er sagt, ich verhänge Zölle, aber mache die Ausnahme für deutsche Autos. Da will ich jetzt erst einmal sagen, die Gespräche sind noch nicht beendet. Wenn Cecilia Malmström signalisiert als die Hauptverantwortliche, da ist nichts zu machen, dann muss man sich andere Instrumente vorstellen, und da sind wir nicht unvorbereitet. Da können Sie sicher sein.
    Begründung Trumps "völliger Unsinn"
    Heinemann: In welchem Ton muss man mit der Trump-Regierung verhandeln?
    Westphal: Deutlich und klar und auch europäische Interessen sehen, aber gleichzeitig auch gucken, wo gibt es Handlungsbedarf bei amerikanischen Importen. So stelle ich mir Verhandlungen vor. Das ist immer ein Miteinander. Es gibt eine historische Verbindung zwischen EU und den Amerikanern. Gerade wir Deutschen haben den Amerikanern viel zu verdanken. Die USA sind mehr als Mr. Trump und der Botschafter, den wir zurzeit in Berlin haben.
    Heinemann: Herr Westphal, wie erklären Sie es sich, dass Trump seinen Wählerinnen und Wählern offenbar glaubhaft versichern kann, dass deutsche Autos die nationale Sicherheit gefährden?
    Westphal: Das ist natürlich völliger Unsinn. Ich glaube, auch die Amerikaner müssen dabei ein bisschen schmunzeln, wenn sie das lesen. Da sind ja BMW mit einem großen Produktionsstandort in South Carolina. Ich habe mir den mal ansehen dürfen. Da sind Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen worden für amerikanische Bürgerinnen und Bürger. Die müsste man mal fragen, inwieweit Amerikaner, die in diesen Werken arbeiten, dann auch die Sicherheit gefährden. Das ist natürlich weit hergeholt. Das sind eher, sage ich mal, Ausflüchte, weil man keine vernünftigen Argumente hat. Deshalb ist das Unsinn.
    Heinemann: Herr Westphal, kurzer Blick zurück auf das Wochenende: die Sicherheitskonferenz: Angela Merkel hat sich in München sinngemäß für erleichterte Rüstungsexporte ausgesprochen. Sie sagt, eine gemeinsame Kultur der Rüstungsexporte bilde die Voraussetzung für gemeinsame Waffensysteme, etwa deutsch-französische. Muss Deutschland bei den Rüstungsexporten flexibler werden?
    Westphal: Wenn es um Lieferungen an NATO-Partner geht, oder befreundete Staaten, ist das sicherlich etwas, wo man drüber nachdenken kann. Wir werden nicht Rüstungsausrüster der Welt werden, das wollen wir auch nicht, sondern wir wollen eher dazu beitragen, dass wenn Rüstungsgüter exportiert sind, es eingebettet ist in eine außenpolitische und in eine humane Strategie, die eher befriedet als mehr Konflikte schafft.
    Rüstungsexporte: Europäischer Regelungsrahmen wäre wünschenswert
    Heinemann: Wie bekommt man die französische und die deutsche Exportkultur unter einen Hut?
    Westphal: Na ja. Es gibt ja einen europäischen Rahmen. Wir haben ja einen Rahmen abgesteckt, nicht nur national, sondern auch europäisch, was die Exporte von Rüstungs- und Sicherheitsgütern angeht. Sicherlich sind die nicht so streng. Wir haben in Deutschland die restriktivsten Rahmenbedingungen. Aber Sie haben völlig recht: Es wäre zu begrüßen, wenn wir in Europa einen Regelungsrahmen hätten, auf den wir uns verständigen können, und dann wären auch gemeinsame Projekte sicherlich einfacher zu realisieren.
    Heinemann: Mit Angela Merkel gefragt: Sind wir moralischer als Frankreich oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als Großbritannien?
    Westphal: Wir haben eine andere Historie und da bin ich auch froh drüber, dass wir bei Rüstungsexporten noch mal eine andere Schmerzgrenze haben, noch mal zu beleuchten. Aber natürlich muss man das genau prüfen, in welche Länder man liefert, und Kleinwaffen und andere Dinge, die man nicht kontrollieren kann, ob sie dann auch wirklich im Land verbleiben, ob sie wirklich zur Befriedung, zur Erhöhung der Sicherheit in einer Region beitragen, das sind außen- und sicherlich auch verteidigungspolitische Aspekte, die da mit reinspielen. Und Sie fragen mich jetzt als Wirtschafts- und Energiepolitiker der Fraktion. Das geht nicht nur um wirtschaftliche Entwicklung, um Technologien oder Arbeitsplätze, sondern hier sind andere Aspekte, die man mit einbeziehen muss.
    Heinemann: Aber das spielt eben auch eine Rolle. Und mit Blick auf die unterschiedlichen Handhabungen konkret: Wer muss sich jetzt bewegen?
    Westphal: Ich sage ja: Es ist sicherlich so, wenn man Gemeinschaftsprojekte macht, muss man sich darauf verlassen können. Wenn Deutschland in einem Gemeinschaftsprojekt einen Beitrag leistet, dann muss das auch heißen, dass andere Partner, mit denen man das zusammen macht, sich darauf verlassen können. Auf der anderen Seite muss für uns klar sein, dass wir Technologie nur dann entwickeln und weiterverfolgen, wenn es dementsprechend auch klare Rahmenbedingungen für Rüstungsexporte gibt. Sonst werden diese Projekte schwer möglich sein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.