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Drum prüfe, wer sich länger bindet

Studieren im Land Baden-Württemberg ist gar nicht so einfach: 90 Prozent aller Studiengänge sind zulassungsbeschränkt. Wer zum Beispiel an der Fachhochschule Pforzheim das Fach Wirtschaftswissenschaften belegen möchte, dem reicht ein gute Schulnote nicht aus. Er muss einen Studierfähigkeitstest machen. Er soll die Eignung des Studierenden für das Fach überprüfen.

Von André Hatting |
    Diese Tests schwächten aber keinesfalls die Bedeutung der Abiturnote, glaubt Peter Frankenberg, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg:

    "Ich sehe sogar die Gefahr, dass wenn wir uns alleine auf die Abiturnote konzentrieren, dass dann weiter die Mentalität der Dezimalstellen vorherrscht. Dass also in der Schule es einen Wettbewerb um gute Noten gibt und dass eigentlich Notenunterschiede zählen, die überhaupt nicht mehr rechtfertigen, dass diese unterschiedliche Zugänge zum Studium bedeuten. Also wenn wir sehen, dass es inzwischen Studiengänge gibt wie Medizin in Heidelberg, bei denen man unter den 1,0-Abiturienten über Tests Auswahl trifft, dann weiß man eigentlich, wie schwierig das ist, allein über Abiturnoten auszuwählen."

    Den Mediziner-Test entwickelt hat die ITB Consulting GmbH. Günter Trost, Mitbegründer des Unternehmens:

    "Der Test prüft deutlich spezifischer einige Dinge, die in der Abiturnote so nicht zum Ausdruck kommen. Das hat eben damit zu tun, dass die Abiturdurchschnittsnote die Bewältigung des zurückliegenden Bildungsabschnitts attestiert. Der Test ist orientiert an den Anforderungen des bevorstehenden Abschnitts. "

    Diagramme auswerten, Tabellen verstehen, Einnahmen- Überschussrechnungen begreifen - der Test für Wirtschaftswissenschaftler stellt dem angehenden Studenten ganz praxisnahe Aufgaben. Der Hochschule bietet er außerdem die Möglichkeit, ihre besonderen Anforderungen im Test abzufragen. Jede Universität bekommt so den für sie passenden Studenten. Das ist die Theorie. Die Praxis aber ist komplizierter. Studierfähigkeitstests mögen die fachliche Eignung für das Studium besser prüfen. Über die psychologische oder soziale sagen sie nichts.

    "Ein solcher standardisierter Test kann die nicht prüfen. Der Hauptgrund ist der, wir hier im Grunde auf Selbstauskünfte der Betroffenen angewiesen sind und die sind in einer Auswahlsituation, wie man leicht wird nachvollziehen wird können, verfälschbar. Es wird sich jemand gern so darstellen, wie er wohl von der Hochschule erwartet, wie sie ihn sich wünscht."

    Ein weiteres Problem ist die zunehmende Profilbildung der Universitäten. Je spezialisierter die Hochschulen, desto schwieriger wird es, die richtige zu finden. Die angehenden Studenten könnten deshalb zu Test-Touristen werden. Sie probieren so lange, bis sie in der unübersichtlichen Angebotsvielfalt schließlich ihre Uni gefunden haben. In Baden-Württemberg kennt man das Problem, sagt Wissenschaftsminister Frankenberg:

    "Wir haben im Land deshalb ein eigenes Referat im Ministerium eingerichtet, das Studienberatung, Studienorientierung im übergreifenden Sinn macht. Wir haben Studienbotschafter geschult in den Schulen. Studienbotschafter sind überwiegend fortgeschrittene Studierende, die dann über ihre Fächre informieren. Und wir haben ein sehr umfassendes Internetangebot aufgebaut und sicherlich werden die meisten Abiturienten sich erstmal im Internet einen Überblick verschaffen."

    Das sollten sie auch. Vor allem, bevor sie sich für einen Test anmelden. Der kostet nämlich Geld. Und da die Universitäten in Baden-Württemberg nur durch Projekte, nicht aber finanzielle Mittel unterstützt werden, müssen sie den zusätzlichen Personalaufwand und die Kosten für die Studierfähigkeitstest an den Bewerber weitergeben. 50 Euro kostet zum Beispiel bei der ITB Consulting GmbH die Eignungsprüfung zum wirtschaftswissenschaftlichen Studium. Trotzdem: Die Akzeptanz unter den angehenden Studierenden wächst, sagt Günter Trost von der ITB Consulting:

    "Da hat sich über die letzten fünfzehn Jahre etwas entscheidend gewandelt. Es gibt eine aktuelle Untersuchung bei einer größeren Zahl von Studieninteressierten, die zeigt, dass Studierfähigkeitstests heute an der Spitze der Beliebtheitsskala stehen, wenn gefragt wird, mit welchen Verfahren möchten Sie gerne ausgewählt werden? Und erst dann mit einigem Abstand gefolgt von Auswahlgesprächen, und zwar strukturierten Auswahlgesprächen, und Schulnoten."