Syrien
Die Drusen: Bedroht – und vereinnahmt?

In Syrien sollen islamistische Kämpfer Angehörige der Religionsgemeinschaft der Drusen getötet haben. Israel hat daraufhin syrische Gebiete angegriffen. Nach eigener Aussage, um die Minderheit zu schützen. Welche Rolle spielen die Drusen im Nahen Osten?

    Bei Kämpfen zwischen islamistischen Gruppierungen, syrischen Sicherheitskräften und Drusen Anfang Mai 2025 beschädigte Häuser in Sahnaja, einer Stadt in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus.
    Durch die Angriffe islamistischer Gruppierungen auf Drusen Anfang Mai 2025 sollen diese Häuser in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus beschädigt worden sein. (imago/ NurPhoto / Hasan Belal)
    In Syrien war es unter der islamistischen Übergangsregierung, die auf Machthaber Baschar al-Assad gefolgt ist, bereits im März 2025 zu Massakern an der religiösen Minderheit der Alawiten gekommen. Kurz darauf haben der Regierung nahestehende Kämpfer Angehörige der religiösen Minderheit der Drusen angegriffen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden mehr als hundert Menschen getötet, mehrheitlich drusische Kämpfer.
    Israel hat daraufhin wiederholt syrisches Territorium angegriffen. Vonseiten der israelischen Regierung hieß es, es gehe um den Schutz der Drusen. Die religiöse Minderheit lebt auch in Israel – und der Staat fühlt sich auch der Minderheit in Syrien verpflichtet.
    Wer sind die Drusen? Was zeichnet die religiöse Minderheit aus? Und in welchem Verhältnis stehen die syrischen Drusen zu Israel? Versucht Israels Regierung, die Minderheit zu instrumentalisieren?

    Inhalt

    Wer sind die Drusen und wo leben sie?

    Drusen sind eine religiöse Minderheit, die im 11. Jahrhundert in Ägypten aus dem schiitischen Islam hervorgegangen ist. Der Gelehrte Hamza ibn ʿAlī ibn Ahmad entwarf eine ganz eigene religiöse Lehre. Einer seiner Missionare hieß ad-Darzi – aus dessen Namen entstand die Bezeichnung Drusen.
    Einige der Glaubensgrundsätze unterscheiden sich fundamental von denen des Islam. Beispielsweise glauben die Drusen an die Wiedergeburt. Gottesdienste werden als überflüssig angesehen. Wegen dieser fundamentalen Unterschiede gilt der Glauben der Drusen als eigene Religion.
    Drusen sind angehalten, stets die Wahrheit zu sagen und sich loyal an ihr Umfeld anzupassen, oft auch als Bedienstete des Staates.
    Die Drusen haben eine eigene heilige Schrift, die „Sendschreiben der Weisheit“. Ein tiefer Einblick in die religiöse Lehre bleibt den meisten Drusen allerdings verwehrt: Er ist den sogenannten Wissenden vorbehalten, einer kleinen Minderheit innerhalb der Religionsgemeinschaft. Entweder wird man in eine Familie von Wissenden hineingeboren oder man entscheidet sich um das 40. Lebensjahr für diesen Weg. Die religiöse Lehre, die sie bewahren, wird teils auch als Geheimlehre bezeichnet, weil davon nur sehr wenig bekannt ist.
    Eine weitere Besonderheit der drusischen Religion: Man kann dem Glauben nicht beitreten. Als Drusin oder Druse gilt nur, wer als Kind zweier drusischer Elternteile zur Welt kommt. Missioniert haben die Drusen nur eine kurze Zeit, in den Jahren nach der Entstehung der Religion. Bekannteste Drusin ist die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Amal Clooney.
    Weltweit gibt es etwa eine Million Drusen. Viele leben in abgeschotteten Gruppen in entlegenen Regionen des Nahen Ostens. Mehr als die Hälfte – rund 700.000 – lebt in Syrien. Dort machen Drusen etwa drei Prozent der Bevölkerung aus.
    Außerdem leben viele Drusen im Libanon und in Israel – besonders in der Grenzregion dieser Länder, und auch auf den Golanhöhen, die Israel 1967 von Syrien erobert und 1981 annektiert hat. In Jordanien gibt es ebenfalls Angehörige der religiösen Minderheit. Auch in Deutschland leben Drusen. 2020 waren es 10.000. Viele sind syrische Drusen, die in der Folge des Bürgerkriegs nach Deutschland gekommen sind.

    Die Angriffe auf die syrischen Drusen und Israels Intervention

    In Syrien kam es ab Ende April zu gewaltsamen Konflikten zwischen Kämpfern der islamistischen Übergangsregierung, Mitgliedern der drusischen Minderheit und staatlichen Sicherheitskräften. Die Kämpfe waren offenbar von islamistischen Extremisten, die der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit angehören, initiiert worden.
    Ausgelöst wurde die Gewalt durch eine Audiobotschaft, die einem Drusen zugeschrieben und von Muslimen als "blasphemisch" eingestuft wurde. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei den Unruhen mehr als hundert Menschen getötet, mehrheitlich drusische Kämpfer. Die Übergangsregierung in Damaskus schickte zusätzliche Sicherheitskräfte in die Drusen-Viertel, um die Lage zu beruhigen.
    Auf den Gewaltausbruch hin hat Israel wiederholt militärische Ziele auf syrischem Territorium angegriffen, darunter auch Ziele rund um den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Damaskus sowie in der Nähe von Damaskus.
    Von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hieß es Anfang Mai, es handle sich um die schwersten Angriffe seit Jahresbeginn. Seit dem Sturz des Assad-Regimes Anfang Dezember 2024 hat Israel bereits Hunderte Luftangriffe auf Ziele in Syrien geflogen. Außerdem hat das Land Truppen in die entmilitarisierte Pufferzone auf dem Golan entsandt. Für die israelische Regierung besteht die islamistische neue Führung in Damaskus aus Dschihadisten.
    Bei den jüngsten israelischen Luftangriffen wurden der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana zufolge mindestens ein Zivilist getötet und mindestens vier Menschen verletzt. Das Präsidialamt in Damaskus warf Israel eine gefährliche Eskalation vor. Die Vereinten Nationen riefen Israel dazu auf, die Angriffe gegen Ziele in Syrien sofort einzustellen.

    Reaktionen aus der drusischen Gemeinschaft

    Der religiöse Anführer der syrischen Drusen sprach angesichts der Angriffe von Islamisten von einer "Völkermordkampagne" der regierungsnahen Truppen. Diese sei "durch nichts zu rechtfertigen", erklärte Scheich Hikmat al-Hijri. Er rief "internationale Kräfte" zum sofortigen Eingreifen auf.
    Ein Mann führt in der syrischen Region Kafr Kila einen Esel, der Eichenholz transportiert, aus dem Kohle hergestellt werden soll. Die Einwohner von Kafr Kila sind mehrheitlich Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Drusen.
    Drusen transportieren Holz, aus dem Kohle gemacht wird. (picture alliance / dpa / Anas Alkharboutli)
    Das geistliche Oberhaupt der Gemeinschaft der Drusen im Libanon, Walid Dschumblat, kritisiert dagegen vor allem das Vorgehen Israels – und wirft dem Staat Vereinnahmung vor. Die israelische Regierung wolle "die Drusen in einen endlosen Krieg gegen die Muslime hineinziehen", sagte er. Dies müssten die syrischen Drusen ablehnen.

    Das Verhältnis der Drusen zu Israel

    In Israel dienen viele Drusen freiwillig in der Armee, in der Armeeführung gibt es drusische Offiziere. Anders als andere arabische Israelis werden die Söhne der arabisch-sprachigen drusischen Familien eingezogen. Der jüdische Staat sieht die Drusen als Alliierte – und er fühlt sich auch den Drusen im Nachbarland Syrien verpflichtet. Unter Drusen in Israel regt sich allerdings auch Protest gegen die Regierung. Denn Gesetze benachteiligen seit Jahren nicht-jüdische Menschen in Israel - und damit auch die Drusen.
    Anlässlich der Angriffe auf Drusen in Syrien hatte Israels Armee erklärt, sie stehe bereit, um die Minderheit zu schützen. Ihre Angriffe auf syrisches Territorium bezeichnete Israels Regierung als „klare Botschaft“ an die syrische Führung: Eine Bedrohung der Drusen in Syrien würde man nicht hinnehmen und mit aller Härte reagieren.
    In Israel blockierten Angehörige der drusischen Minderheit vorübergehend Straßen, um für den Schutz ihrer Glaubensbrüder in Syrien zu demonstrieren.

    Die Situation der Drusen in Syrien

    Die Drusen haben in den Ländern, in denen sie leben - so auch in Syrien -, meist eine von Funktionalität und Ambivalenz geprägte Beziehung zu den staatlichen Autoritäten.
    Die Politik der neuen Übergangsregierung in Syrien, die seit Ende März im Amt ist, gegenüber den Minderheiten ist noch nicht klar zu erkennen. Und damit auch ihre Haltung gegenüber den Drusen nicht. Im Kabinett sitzt – wie schon zu Zeiten von Baschar al-Assad – ein drusischer Minister. Kritiker monieren allerdings, inklusiv sei die Regierung nicht wirklich: Die wichtigen Schaltstellen sind von Islamisten oder islamistisch geprägten Politikern besetzt.

    Unterstützt die Regierung bewaffnete Kämpfer?

    Die neue syrische Führung hat wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen. Übergangspräsident al-Scharaa gibt sich seit dem Sturz Baschar al-Assads Anfang Dezember 2024 durch seine islamistische HTS-Miliz betont gemäßigt.
    Doch die entscheidende Frage, ob die jetzigen Machthaber bewaffnete islamistische Gruppen fördern, ist noch ungeklärt.
    Diese Gruppen waren im März 2025 gewaltsam gegen die religiöse Minderheit der Alawiten – der Assad angehört – und wenige Wochen darauf gegen Drusen vorgegangen.
    Manche Drusen – wie der religiöse Anführer Scheich Hikmat al-Hijri – werfen der Regierung vor, diese Gruppen zu unterstützen. Bisher gibt es dafür aber keine klaren Beweise. Möglicherweise hat die Regierung die bewaffneten Gruppen auch nicht unter Kontrolle.
    Nach dem Aufflammen der Gewalt gegen die Drusen entsandte die syrische Übergangsregierung laut der Nachrichtenagentur Sana Truppen in die betroffene Region, um dort "Sicherheit und Stabilität" wiederherzustellen. Die Regierung in Damaskus erklärte zudem ihre Entschlossenheit, "alle Teile des syrischen Volkes, ohne Ausnahme und einschließlich der Mitglieder der drusischen Gemeinde, die schon immer ein fester Bestandteil des syrischen Nationalgefüges waren und bleiben", zu schützen.

    Drusen waren weitgehend loyal zu Assad

    Unter dem vorherigen Machthaber Baschar al-Assad, der Syrien von 2000 bis 2024 regierte, hatten sich die meisten Drusen stillschweigend mit dem Regime arrangiert – auch wenn es drusische Assad-Gegner gab. Ab 2023 protestierten einige Drusen in Suweidah im Südwesten des Landes gegen das Assad-Regime und besonders gegen die wirtschaftliche Vernachlässigung ihrer Provinz. Die Proteste wurden vom Regime nicht mit Gewalt niedergeschlagen.
    Assads Taktik gegenüber Minderheiten war, vor der Mehrheit der Sunniten Angst zu schüren. Nach Einschätzung zahlreicher Experten spielte Assad die religiösen Gruppen in Syrien gegeneinander aus. Schutz gab es für Minderheiten nur, wenn sie sich regimetreu verhielten.

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