Ruhetag im Sindbad in der Dresdner Südstadt: Issam Bou Hamze serviert in seinem Restaurant Wasser und arabischen Kaffee. Und erzählt, mal nachdenklich, mal lachend, aus seinem Leben: Zum Studium kommt er 1986 aus dem Libanon in die DDR. Nach der Wende bleibt er, wie er sagt, hängen. Und Issam Bou Hamze erzählt von seiner Religion. Er ist einer von weltweit ungefähr einer Million Drusen:
"Wir glauben an die Einzigkeit Gottes. Also deswegen nennt man uns ‚al-muwaḥḥidūn‘."
Also die "Bekenner der Einheit Gottes".
Salem Al Saad: "Wir glauben daran, dass Gehirn oder Intellekt der wichtigste Wert ist für die Menschheit. Und von diesem Ausgangspunkt strahlt unser Glaube aus - und entsprechend auch die Regeln, nach denen wir leben und unseren Glauben praktizieren."
"Beziehung zwischen Mensch und Gott gestalten"
Auch Salem Al Saad ist an diesem Abend zum Interview ins Sindbad gekommen. Mit seiner Familie ist der Ingenieur 2014 aus Syrien vor dem Assad-Regime geflohen.
Syrien, Libanon, Israel: Hier leben heute die meisten Drusen. Es gibt auch überwiegend drusische Städte, etwa im Süden Syriens im Dschabal ad-Duruz, dem "Gebirge der Drusen". Im 11. Jahrhundert hat sich ihre Religion in Ägypten aus dem schiitischen Islam entwickelt. Ausgangspunkt war der Gelehrte Hamza ibn ʿAlī ibn Ahmad. Er entwarf eine ganz eigene religiöse Lehre. Und einer seiner Missionare hieß ad-Darzi - aus dessen Namen entstand die Bezeichnung Drusen. Historisch sind die Drusen also mit dem Islam verbunden, aber weil einige ihrer Glaubensgrundsätze sich fundamental unterscheiden, gelten sie als eigene Religion.
Issam Bou Hamze: "Wir haben zum Beispiel keine Pflichten wie bei den sunnitischen oder schiitischen Glaubensrichtungen, dass man zum Beispiel nach Mekka gehen muss. Oder die täglichen Gebete. Es ist jedem überlassen, die Beziehung zwischen Mensch und Gott selber zu gestalten. Wichtig ist, in dieser Beziehung rein zu bleiben."
Nur die "Wissenden" kennen die ganze Lehre
Drusen sind angehalten, immer die Wahrheit zu sagen. Und sich loyal an ihr Umfeld anzupassen, oft auch als Bedienstete des Staates. Ein tiefer Einblick in die religiöse Lehre bleibt dabei den meisten Drusen verwehrt: Er ist den sogenannten Wissenden vorbehalten. Entweder wird man in eine Familie von Wissenden hineingeboren oder man entscheidet sich um das 40. Lebensjahr für diesen Weg.
Salem Al Saad: "In diesem Fall ergeben sich die Leute komplett der Religion, und sie verzichteten auf viele leichte Seiten des Lebens. Die Wissenden stellen drei bis fünf Prozent jeder drusischen Gesellschaft. Unabhängig vom Ort, also entweder Israel, Libanon, Syrien, Jordanien."
Zu den Wissenden gehören auch Frauen. Die Wissenden genießen Respekt, sind aber hierarchisch nicht höhergestellt. Die religiöse Lehre, die sie bewahren, wird teils auch als Geheimlehre bezeichnet, weil kaum etwas davon bekannt ist.
Die Seelen wandern von Körper zu Körper
Die Drusen haben eine eigene heilige Schrift, die "Sendschreiben der Weisheit". Und sie glauben an Wiedergeburt. Dieses Element haben sie wohl aus der antiken griechischen Philosophie übernommen. Es heißt, die Seelen der Drusen wandern seit Millionen Jahren von Körper zu Körper.
Issam Bou Hamze: "Der Gott testet ihn in verschiedenen Umständen und dafür braucht man die Seele. Wir glauben an die Seele, an das Gehirn, an den Intellekt. Der Körper gilt für uns als Behälter der Seele. Die Seele muss am Ende zum Gericht kommen, die Seele, nicht der Körper. Und die Seele braucht verschiedene Behälter, um sich zu zeigen. Sie wird getestet in verschiedenen Situationen."
Reihe "Wir sind die Sonstigen – kleine Religionen in Deutschland"
In Deutschland leben Christinnen und Christen, Konfessionslose und Religionsfreie, Muslime und Jüdinnen, Buddhistinnen und Hindus. Und "Sonstige". So werden kleinere Religionsgemeinschaften in Statistiken oft bezeichnet. Doch wer verbirgt sich dahinter? Wir haben Drusen und Jainas getroffen, ein daoistisches Zentrum und einen Sikh-Tempel besucht, mit Mandäern, Jesidinnen und Bahá’i gesprochen – und nach langer Suche sogar jemanden gefunden, der sein Leben am Shintoismus ausrichtet.
In Deutschland leben Christinnen und Christen, Konfessionslose und Religionsfreie, Muslime und Jüdinnen, Buddhistinnen und Hindus. Und "Sonstige". So werden kleinere Religionsgemeinschaften in Statistiken oft bezeichnet. Doch wer verbirgt sich dahinter? Wir haben Drusen und Jainas getroffen, ein daoistisches Zentrum und einen Sikh-Tempel besucht, mit Mandäern, Jesidinnen und Bahá’i gesprochen – und nach langer Suche sogar jemanden gefunden, der sein Leben am Shintoismus ausrichtet.
Die Zahl der Drusen bleibt weltweit ungefähr gleich. Man kann dem Glauben nicht beitreten, auch missioniert haben die Drusen nur eine kurze Zeit ganz zu Beginn der Religion. Als Drusin oder Druse gilt nur, wer als Kind zweier drusischer Elternteile zur Welt kommt. Ein Generationenkonflikt ist vorprogrammiert.
Issam Bou Hamze: "Also gibt es viele Drusen, die Menschen aus anderen Religionen geheiratet haben, auch im Libanon oder in Syrien. Und auch die im Ausland – viele, die vielleicht durchs Studium in andere Länder geflogen sind und dort studiert haben. Die haben dann auch dort geheiratet. Und das ist natürlich nicht so gut. Aber mit der Zeit wurden sie auch akzeptiert, wie auch die Frau von George Clooney."
Dating-Probleme in der drusischen Community
Die Juristin und Menschenrechtsaktivistin Amal Clooney ist Drusin. Als die Hochzeit mit dem Schauspieler bekannt wurde, fragte ihre Großmutter, ob es denn keine jungen Drusen mehr gebe. Im Internet finden sich gleich mehrere Artikel über die Dating-Probleme in der drusischen Community Kaliforniens. Denn die Auswahl in der Diaspora ist überschaubar, was auch für Deutschland gilt. Auch Issam Bou Hamze beschäftigt das Thema als Vater zweier Kinder:
"Ich habe zum Beispiel 40 Jahre hier gelebt, aber ich habe auch eine Frau aus dem Libanon, eine Drusin geheiratet. Ich habe auch viele Freunde, Drusen, die hier leben, und sie haben auch Deutsche geheiratet. Jeder wie er denkt sozusagen. Und wie die Kinder ihren Weg gehen, ist natürlich ihnen überlassen. Wir können ihnen das nicht vorschreiben. Wir geben die Möglichkeit, auch andere Drusen zu treffen, auch durch unseren Verein. Und ja, wenn sich da jemand findet von unserem Glauben, dann freuen wir uns natürlich."
Wie ist das Drusentum entstanden?
Das Drusentum war ursprüngliche eine Reformbewegung innerhalb der Ismailiten, einer Strömung des schiitischen Islams. Diese Bewegung entstand im 11. Jahrhundert vor allem in Ägypten durch das Wirken des persischen Missionars Hamza ibn ʿAlī ibn Ahmad. Zunächst missionierten die Drusen. Um Konflikten mit den islamischen Herrschern zu entgehen, stellten sie die Mission jedoch schnell wieder ein und lebten fortan in abgeschotteten Gruppen in entlegenen Regionen.
Sind Drusen Muslime?
Manche islamischen Gelehrten erkennen das Drusentum als Teil des Islams an, andere betrachten die Drusen als Abtrünnige, die einer falschen Lehre anhängen würden. Die Drusen selbst bezeichnen sich zumeist nicht als Muslime. Da ihre religiöse Lehre unter anderem die Seelenwanderung kennt und besagt, dass Gottesdienste überflüssig sind, gilt das Drusentum heute vielen als eine eigenständige Religion außerhalb des Islams.
Wofür ist das Drusentum bekannt?
Drusen gelten als politisch sehr loyal gegenüber den Staaten, in denen sie leben. Da sie jedoch vor allem in der Grenzregion von Syrien, Libanon und Israel zuhause sind, gerieten sie bei Kriegen und Konflikten teils zwischen die Fronten. Bekannteste Drusin weltweit ist die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Amal Clooney, Ehefrau des Schauspielers George Clooney.
Das Drusentum war ursprüngliche eine Reformbewegung innerhalb der Ismailiten, einer Strömung des schiitischen Islams. Diese Bewegung entstand im 11. Jahrhundert vor allem in Ägypten durch das Wirken des persischen Missionars Hamza ibn ʿAlī ibn Ahmad. Zunächst missionierten die Drusen. Um Konflikten mit den islamischen Herrschern zu entgehen, stellten sie die Mission jedoch schnell wieder ein und lebten fortan in abgeschotteten Gruppen in entlegenen Regionen.
Sind Drusen Muslime?
Manche islamischen Gelehrten erkennen das Drusentum als Teil des Islams an, andere betrachten die Drusen als Abtrünnige, die einer falschen Lehre anhängen würden. Die Drusen selbst bezeichnen sich zumeist nicht als Muslime. Da ihre religiöse Lehre unter anderem die Seelenwanderung kennt und besagt, dass Gottesdienste überflüssig sind, gilt das Drusentum heute vielen als eine eigenständige Religion außerhalb des Islams.
Wofür ist das Drusentum bekannt?
Drusen gelten als politisch sehr loyal gegenüber den Staaten, in denen sie leben. Da sie jedoch vor allem in der Grenzregion von Syrien, Libanon und Israel zuhause sind, gerieten sie bei Kriegen und Konflikten teils zwischen die Fronten. Bekannteste Drusin weltweit ist die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Amal Clooney, Ehefrau des Schauspielers George Clooney.
In Deutschland ist die Anzahl der Drusen in den vergangenen Jahren gestiegen, weil syrische Drusen als Folge des Bürgerkriegs hierhergekommen sind. Mehr als 10.000 sollen es inzwischen sein. Schwerpunkte des drusischen Lebens sind Berlin, aber auch Nordrhein-Westfalen.
"Wir führen keine religiösen Rituale durch"
Und auch in Dresden seien es etwa 200, weshalb Issam Bou Hamze und Salam Al Saad dabei sind, einen Verein zu gründen - einen lokalen Ableger des Vereins Drusen in Deutschland.
Issam Bou Hamze: "Wir wollen unser gesellschaftliches Leben einfach mal organisieren durch den Verein. Wir führen keine religiösen Rituale durch oder so etwas. Oder wie bei Sunniten oder im Islam den Koran zu lehren, das ist nicht unser Ziel."
Das Gebetshaus ist in drusischen Orten Treffpunkt, die Gemeinschaft sehr wichtig. Das gilt umso mehr in der Diaspora. Nur gibt es in Deutschland keine drusischen Gebetshäuser. Deshalb haben bundesweite Treffen auch schon in Issam Bou Hamzes Restaurant stattgefunden.
Religion spielt im Alltag kaum eine Rolle
Dort taucht nach Ende des Interviews sein Sohn auf. Hami Bou Hamze kommt gerade vom Sport. Er ist 19 Jahre alt, in Dresden geboren und studiert dort inzwischen an der TU. Welche Rolle spielt die Religion in seinem Leben?
"Hauptsächlich, wenn ich zu Hause bin, bei meiner Familie, bei meinen Großeltern, spielt das eine sehr große Rolle. Und dann kommt das hauptsächlich an den drusischen Feiertagen zur Geltung. Aber im Alltag nicht so sehr."
Und: Rami Bou Hamze sagt, er finde nicht, dass man zwingend innerhalb der drusischen Gemeinschaft heiraten muss.
Bastian Brandau: "Und das ist auch kein Problem? Oder mit den Großeltern wohl eher?"
Rami Bou Hamze: "Ja, eher mit den Großeltern und meiner Mum ein bisschen, aber sonst …"