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Dschungel in Mecklenburg

Ein Dschungel in Deutschland? Der Fluss Peene zwischen dem Kummerower See und Anklam wird gerne als Amazonas des Nordens bezeichnet. Zwar herrscht in Mecklenburg kein Monsun, aber dennoch bietet die Region eine erstaunliche Tier- und Pflanzenwelt.

Von Eva Firzlaff |
    Ein Dschungel in Deutschland? Der Fluss Peene zwischen dem Kummerower See und Anklam wird gerne als Amazonas des Nordens bezeichnet. Zwar herrscht in Mecklenburg kein Monsun, aber dennoch bietet die Region eine erstaunliche Tier- und Pflanzenwelt.


    "Wir befinden uns hier in einem der größten zusammenhängenden und renaturierten Moorgebiete Mittel- und Westeuropas, in einem der größten zusammenhängenden Naturschutzgebiete unseres Landes. Und die Tier- und Pflanzenwelt ist so ziemlich einmalig, gehört auf alle Fälle zu dem Besten, was wir in Deutschland und ganz Mittel- und Westeuropa zu bieten haben."

    Frank Hennicke über den Naturpark Peenetal, dessen Leiter er ist. Wer zur Insel Usedom fährt, kommt zwar dran vorbei, ahnt aber nicht, was er verpasst, denn von der Straße sieht man die Peene selten, es gibt nur wenige Brücken über den Fluss, und auch kaum Orte direkt am Ufer. Man muss schon aufs Wasser gehen. Mit dem Solarboot, einem Paddelboot oder einem Ausflugsschiffchen.

    Die Peene ist nicht besonders breit, es reicht, dass darauf einst Lastkähne fahren konnten. Aber das Tal. Ein Werk der letzten Eiszeit, eine breite Abflussrinne für das Schmelzwasser. Später entstand ein ausgedehntes Moor.

    "Die wenigen Orte und Städte, die es am Peenetal gibt, die gründen auf Sandblasen, wie z. B. Anklam oder auch Menzlin, die Wikingersiedlung, die haben also die sie umschließenden Moore zur Verteidigung genutzt. Man konnte also insbesondere mit schweren Reiterarmeen nicht durch diese Moore durch, sondern es gab da bestimmte leicht zu verteidigende Brücken oder Straßen. Und da war man relativ geschützt."

    In der kleinen Kanu-Station Menzlin empfängt Rainer Vanauer seine Gäste gerne als Wikinger. Der Ort ist zwei Kilometer entfernt. Doch nur wenige Schritte vom Fluss siedelten einst Wikinger.

    "Hier befand sich vom Anfang des achten Jahrhunderts bis zum Anfang des zehnten Jahrhundert eine frühstädtische Ansiedlung der Wikinger, ein sogenannter Seehandelsplatz. Die Wikinger haben ihre Seehandelsplätze immer an topografisch günstigen Stellen angelegt, nie an der freien See, sondern an geschützten Flussläufen, denn man hatte immer Angst vor Überfällen. Diese Plätze waren immer reiche Plätze. Hier in Menzlin hat man nachweislich sehr viel Gold verarbeitet, man hat hier Silber verarbeitet, Goldbronze hergestellt. Hier wurde mit Perlen gehandelt, wurde Bernstein verarbeitet. Die Wikinger haben hier in Menzlin die älteste Steinstraße Mecklenburg-Vorpommerns angelegt."

    Diese Straße wurde gefunden und in der Peene Brückenpfähle aus dem Jahr 750 etwa. Die handlicheren Schätze liegen in den Museen von Greifswald und Stralsund.

    "Zu DDR-Zeiten wurde ja dieser ganze Hügel auch immer gepflügt. Und wenn wir als Bodendenkmalspfleger dann drüber gegangen sind, dann konnte man Karren weise Tonscherben aufsammeln. Man hat viel Pfeilspitzen gefunden, Perlen, sehr schöne Perlen, Bergkristall-Perlen, Halbedelstein-Perlen, Ware, die eigentlich aus dem Kaukasus gekommen ist."

    In einem angrenzenden Wäldchen sind etliche Wikinger-Gräber erhalten. Große Feldsteine im Kreis gelegt, oder in der Form eines Bootes.

    "Also der Bugstein vorne, Heckstein hinten, Bordwand in der Mitte fallend – so wie die Schiffe aus der See rausgeschaut haben, so sieht man jetzt über die Steinflächen hinweg, als ob das Schiff so raus guckt aus der See. Das sind die einzigen Bootsgräber im gesamten südlichen Ostseeraum. So wie das ist, wurde es ausgegraben – original. Wir stehen ja hier auf einer Wanderdüne und im 8. Jh. war hier noch kein Wald. Sand setzt sich immer hinter einen großen Stein, und so sind sämtliche Gräber bis zu zwei Meter überdünt worden. Und durch eine Raubgrabung ist das entdeckt worden in den 1960er Jahren."

    Die kleine Landestelle Menzlin eignet sich auch bestens für Naturbeobachtungen.
    Das Moor des Peenetals hatte gelitten. Über einige Jahrhunderte wurde großräumig entwässert, bis in die 1970er Jahre, um Felder und Weiden zu gewinnen. Dann ab 1993 wurde in einem großen Naturschutzprojekt das Peenemoor renaturiert. Nun breitet sich auch hier neben der Wikinger-Wiese eine Wasserfläche aus.

    "Es war ein Polder in Grünlandnutzung, wie ganz typisch im Peenetal. Dieser Polder ist dann im Jahr 2001 zurückgebaut worden, also ist wieder vernässt und geflutet worden und wir sehen hier die einsetzende Verlandung sehr schön."

    Es soll wieder Moor werden. Wer den Zauber des Peenetals erleben will, der sollte auch mal aussteigen aus dem Boot und eben die Wasserflächen hinter dem Deich erkunden.

    "Ja unbedingt. Das ist hier schon ein Paradies. Also wenn man hier mal in Ruhe herkommt, vielleicht auch in der Abenddämmerung … Hier sieht man eigentlich immer Dinge, von denen man anderswo in Deutschland nur träumt. Schwanennester findet man alle 50 – 100 Meter. Drei Seeschwalbenarten, die hier gerade fliegen, der Seeadler, der Fischadler, Rohrdommeln … 80 % aller in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt vorkommenden Brutvögel brüten auch allein schon im Peenetal. Solche Bedeutung hat das als Artenrückzugsgebiet. Nicht umsonst ist das ganze Peenetal flächendeckend europäisches Vogelschutzgebiet."

    Wer in den historischen Gutshof Liepen kommt, jetzt Hotel Am Peenetal, der staunt über die stimmungsvollen Fotografien an den Wänden. Wucherndes Grün, Lichtspiele auf dem Wasser, kleine und große Tiere … Und denkt: Oooh, wo ist das denn? Diese Bilder hat kein Starfotograf aufgenommen, sondern Stefan Wollert, der Leiter des Hotels.

    "Liepen ist ja eigentlich ein unscheinbares Dörfchen an der Bundesstraße. Manche Gäste wissen eigentlich gar nicht, was sich hinter diesem Örtchen versteckt. Mittlerweile habe ich über 3000 Bilder gemacht aus der ganzen Gegend, natürlich auch Peene, viel Natur, sodass die Leute auch inspiriert werden, hier Urlaub zu machen oder auch gezielt fragen können, wo muss ich hinfahren, um das zu sehen."

    Man braucht nicht weit zu fahren. Ein paar Paddelschläge nur mit dem Boot. Oder man geht einfach an dem kleinen Stichkanal, der das Hotel mit der Peene verbindet und in dem die Boote anlegen, man geht entlang dieses Kanals auf einem Trampelpfad zur Peene. Abends in der Dämmerung.

    Unser Weg wird immer mal gekreuzt von anderen Trampelpfaden, die kommen links aus dem Wasser und verschwinden rechts im Busch.

    "Da sehen wir schöne Biberspuren, hier sieht man den Biberpfad und hinter uns geht es weiter und seine Biberburg wird höchstwahrscheinlich so 20 – 30 m weiter im Inneren sein. Da, wo er seine Burg hat, wird er auch nie was abfressen."

    Was da so merkwürdig bellt, ist kein Hund, sondern ein Rehbock, der sich wohl gestört fühlt von uns.

    "Und ab August hören Sie hier die Hirsche direkt an der Peene. Ganz tolles Hirschkonzert. Hier in dem Bereich zwischen Liepen und Stolpe sollen 150 Hirsche sein."

    Stefan Wollert war Sternekoch im Gutshaus Stolpe, das Nachbardorf, und will jetzt als Hotelier seinen Gästen das Peenetal nahe bringen.

    "Die Peene wird ja auch Amazonas des Nordens genannt. Und wenn man mal so eine Tour hier auf der Peene mitgemacht hat, ob es mit dem Kanu, dem Solarboot oder mit dem Dampfer ist, dann ist das schon ein ganz tolles Abenteuer für die Leute. Hier sehn wir zum Beispiel gerade einen Wildwechsel. Hier gehen die Schweine rein, kommen hier rüber, momentan sind sie in der Phase, wo sie auch Fische fangen, um gerade ihren Eiweißbedarf zu decken."

    Als wir dann beide am Flussufer ankommen, ringsum uns Schilf und Ruhe, da zieht lautlos ein Biber durchs Wasser. Nur sein Kopf guckt raus, und eine leichte Welle glitzert im Mondschein.

    Es gibt noch eine Besonderheit: Auf der Peene kann sich der Paddler nicht auf eine Strömungsrichtung verlassen, denn die Peene kann auch rückwärts fließen. Marita Gehrke:

    "Die Peene steht fast still, auf 130 Kilometer Länge nur 30 cm Gefälle. Und wenn dann Wind an der Küste ist, dann spüren wir das sofort. Dadurch haben wir einen Fluss, wahrscheinlich den einzigen in Europa, der auch rückwärts fließen kann. Hier haben wir ungefähr 4,50 m Tiefe. Die Peene ist auf der ganzen Länge schiffbar, ohne dass sie jemals ausgebaggert oder begradigt wurde."

    Beliebtes Paddler-Ziel ist der kleine Ort Stolpe. Mit Pause im historischen Fährkrug gleich am Wasser.

    "Stolpe gibt es schon sehr, sehr lange, viel länger als 1135. Mit der Bestätigungsurkunde des Klosters, damit wurde Stolpe erstmals erwähnt. Wir wissen aber, dass es schon sehr viel länger den Fährkrug gegeben hat, weil das Kloster Stolpe als eine der ersten Einnahmen den Zehnten aus dem Fährkrug bekam."

    Den Fährkrug gibt es immer noch. Vom Kloster nur noch eine Ruine und die Ahnung, wie groß es war. Am Fährkrug vorbei führte eine uralte Handelsstraße mit einem der wenigen Übergänge über die Peene. Im 30-jährigen Krieg standen auf dem Südufer die Preußen und nördlich der Peene die Schweden. Beim Hin und Her wurde das Kloster zerstört. Nebenan der frühere Gutshof ist jetzt edles Hotel und in der kleinen Kirche gegenüber wird gerne geheiratet.

    Während die Peene gemächlich ruht in ihrem breiten Tal, ist der Oberlauf der Warnow östlich des Schweriner Sees fast schon ein Wildwasser. Und wie die Peene ein Naturwunder in Mecklenburg-Vorpommern.

    Kleine dunkelblaue Libellen umschwirren uns gleich zu Hunderten. Im Wasser wehen lange Tangfahnen wie Nixenhaare. Unser Boot gleitet durch leuchtend gelbe Seerosen. Auch am Ufer blitzen rote und gelbe Blüten. Immer mal müssen wir unter tief hängenden Ästen die Köpfe einziehen oder quer liegende Bäume geschickt umfahren. Ein umgestürzter Baum wird sogar zur Totalsperre und verlangt besondere Einfälle. Im Boot flach legen und drunter durch quetschen … oder aussteigen … oder das Boot über den Stamm bugsieren …

    Auch hier führen viele Trampelpfade durchs Schilf, durch hohes Gras oder Gestrüpp zum Wasser.

    "Das sind die Laufpfade vom Biber, wo er ins Wasser rein und raus geht. Auch hier hinter der Brücke sieht man das, wo er raus kommt, dann geht er rüber und auf der Waldseite ist ein Graben, da geht er wieder rein."

    Dicht neben uns platscht ein braunes Tier in ordentlicher Hundegröße aus dem hohen Gras der Böschung ins Wasser – ein Biber? Schon am Nachmittag?

    "Ja, der ist ja auch neugierig, der guckt auch mal nach. Und wenn er sich dann erschreckt, dann haut er ab."

    Wir sehen abgenagte kahle Äste am Ufer liegen, sehen kegelförmige Baumstümpfe. Da hat der Biber einen Baum gefällt. Und wenn es lange nicht geregnet hat, der Wasserstand flacher ist, dann fallen in der Uferböschung runde Einschlupflöcher auf, vom Durchmesser etwa eines Ofenrohres.

    "Das sind Erdröhren, die gräbt sich der Biber, als Einzeltier fangen sie damit an. Wenn sie dann eine Familie gründen, dann erweitern sie den Bau. Oder manchmal hat man, dass die Erdröhre oben brüchig wird und einstürzt. Dann fängt er an, die Erdröhre mit Knüppeln abzudecken, und dann entsteht daraus ein sogenannter Mittelbau."

    Jan Lippke vom Naturpark Sternberger Seenland.

    Diese Knüppel-Haufen sind dann die sichtbaren Biber-Baue. Die Eingänge zu den Erdröhren liegen normalerweise dicht unter Wasser. Eben nur bei Niedrigwasser kann man sie sehen. In der Naturschutzstation Haus Biber in Alt-Necheln ist ein Biberbau nachgebaut, kann man einen Blick in Bibers Wohn- und Schlafzimmer werfen und sieht auch mal Biber in voller Größe. Gabriele Frohberg:

    "Die sagen alle: oh, der ist aber groß. Denn wenn man ihn in Wasser sieht, dann sieht man ja nur die kleinen Ohren, das kleine Gesicht. Das ist ja auch ans Leben im Wasser angepasst, die kleinen Ohren, damit kein Wasser eindringt."

    Er hat richtige kleine Hände, damit er die Zweige anfassen kann, und seine hinteren Füße sehen aus wie die Paddelfüße der Enten. Eben angepasst ans Land- und Wasser-Leben. Der Biber war ausgerottet, er wurde gejagt, wegen seines Pelzes. Man hatte ihn sogar zum Fisch erklärt – weil er ja einen Schwanz hat und im Wasser schwimmt – und hat eben in der Fastenzeit Biberfleisch gegessen. An der Warnow – wie auch an der Peene – wurden Biber wieder angesiedelt. Und die haben sich prächtig vermehrt.

    "Paddler sind ja eigentlich Freunde des Bibers. Die sind ja immer begeistert, wenn er vorbei kommt. Die kommen dann hier an: Wir haben einen Biber gesehen, Biber gesehen …"

    Das Haus Biber ist aber auch Antwort auf die Probleme, die Einheimische mit dem Biber haben, wenn der Wassergräben versperrt oder Gartenbäume fällt.

    "Haben sich wieder Probleme herausgebildet, weil wir ja nicht gewohnt sind, mit dem Biber zu leben. Der war ja tot, 200 Jahre ausgestorben. Nun ist er wieder da. Natürlich gibt es dann unterschiedliche Auffassung von Landnutzung. Der Biber war übrigens eher auf der Welt als wie, die Menschen sind erst später gekommen. Da er eine FFH-Art (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, Naturschutz in der EU) ist und gewollt ist aus Artenschutz-Gründen, müssen wir sehen, dass wir damit klarkommen. Und das ist eben so eine Antwort, um Leute aufzuklären, zu informieren, denn das ist eigentlich der Hauptgrund, dass man ihn verfolgt, weil man nicht weiß, wie man damit umgehen soll."

    Auch diese hügelige Landschaft ist ein Werk der Eiszeit. Ein Gletscher hat die Endmoränen zusammengeschoben, durch die sich die Warnow gleich an drei Stellen ihren Weg geschnitten hat. Sven-Eric Musculus von Wanderer-Aktivtour.

    "An dieser Stelle – nachdem wir den Hang erklommen haben – ist wohl jedem klar, warum das hier Durchbruchstal heißt. Also der Fluss hat durch die Endmoräne ein relativ tiefes Tal geschnitten, fließt dort mit Geschwindigkeit und Rauschen durch und das macht die Gegend hier so besonders. Eigentlich sind wir in Mecklenburg ja eher flach und gewellt, aber hier ist so eine Stelle, da kann man so ein bisschen von Gebirge sprechen: steile Hänge, schnell fließendes Wasser, große Steine, hohe Bäume. Ein paar Gebirgsvögel stellen sich immer wieder mal ein, die Wasseramsel, die Gebirgsstelze, die es sonst in der Landschaft hier eher nicht gibt. Die Warnow als Besonderheit hat 3 dieser Durchbruchstäler, also dreimal durchbricht der Fluss eine Endmoräne."

    Das macht dem Paddler Spaß: Flachwasser, Kiesbänke, Stromschnellen. Das Wasser sprudelt, gurgelt und tanzt zwischen den großen Steinen.

    Doch wenn nach längerer Trockenheit das Wasser zu flach ist, dann geben die Kanu-Vermieter gerade für diese schönen Stellen der Warnow keine Boote raus. Denn dort lebt auch die Bachmuschel.

    "Diese Bachmuschel gibt es bei uns noch mit teilweise reproduzierenden Beständen. Das ist eine sogenannte FFH-Art und die hat eben eine ganz besondere Bedeutung für unser Öko-System. Wir haben auch eine nationale Verantwortung für diese Art und müssen eben dafür sorgen, dass der Zustand der Gewässer, wo diese Bachmuschel vorkommt, erhalten oder sogar verbessert wird. End deswegen haben wir teilweise schon Gewässerabschnitte sperren lassen im Naturschutzgebiet. Wenn der Wasserstand zu niedrig ist, besteht eben die Gefahr, dass mit den Kanus über die Sandbänke gefahren wird und dabei die ganzen Jungmuscheln platt gemacht werden. Und das können wir uns natürlich nicht leisten."

    Die besten Chancen für ein fröhliches Paddel-Erlebnis in den Durchbruchstälern hat man gleich zum Beginn der Saison oder nach einem gründlichen Regen. Die Warnow ist etwa 150 Kilometer lang, wovon man auf 120 Kilometer paddeln kann. Doch Warnow ist nicht gleich Warnow. Der Fluss hat viele Gesichter.

    "Im Oberlauf gibt es bachartige Abschnitte, das ist klein, gewunden, flach. Da sind mal Steine, Baumhindernisse. Das Ganze in schnellem Wechsel, auch eine schnellere Strömung. Im Mittellauf beruhigt sich das immer mal, dann kommt wieder ein schnellerer Abschnitt, auch mal enge Täler. Die Warnow hat ja – als Besonderheit – dreiDurchbruchstäler. Und je weiter man in Richtung Küste kommt, hinter dem letzten Durchbruchstal, wird es dann eher ein Wiesenfluss, breiter und gemächlicher fließend. Mindestens fünf Tage sollte man schon einplanen, sonst wird es eher eine sportliche Veranstaltung. Am Tag sind so in unserer Gegend 20 Kilometer realistisch."

    Ein Schwan brütet halb versteckt im Schilf. Kleine Entchen schlittern auf Seerosenblättern. Wir freuen uns über Seeadler, die am Himmel kreisen. Doch der Fischer Jörg Rettig vom Sternberger See tut abgeklärt. Für ihn ist der Seeadler wohl schon fast ein Haustier.

    "Den Seeadler gibt es ja doch in Mecklenburg schon wieder recht häufig. Also das ist jetzt nicht mehr die Sensation. Wir haben hier in unseren Seen 2 Pärchen und die sind eigentlich nicht mehr allzu scheu, weil sie den Menschen ja auch kennen über die Jahre. Wenn man zum Fischen fährt, und schmeißt mal einen Fisch hin, wenn man einen Seeadler gesehen hat, dann kommt der auch und holt sich den Fisch. Also bis auf 10 Meter kommen die ran ans Boot.

    In Schwaan kommen Sie durch die Warnow-Brücke durch, dann biegen Sie in die Beke ab, hinter einem großen Hinweisschild "Kunstmühle Schwaan" biegen Sie dann in den Mühlengraben ein. Und dann sind Sie auch schon - bis auf fast zehn Meter - vor dem Haus. Zumindest das Ufer ist so, dass man da gut aussteigen kann. Wir sind derzeit dabei, mit den Umweltbehörden einen Anlegesteg zu schaffen. Und das ist schon was Besonderes, mal mit dem Boot ins Museum zu fahren. Hat auch nicht jeder."

    Die Kunstmühle in Schwaan. Eine historische Wassermühle wurde zum Kunstmuseum. Hier sehen wir genau die Landschaften gemalt wieder, durch die wir gerade gepaddelt sind. Um 1900 war in Schwaan eine Künstlerkolonie ähnlich wie in Ahrenshoop oder Worpswede, nur wurde sie vergessen bis vor etwa 20 Jahren. Heiko Brunner:

    "Ausgehend von Barbizon, da haben wir die erste Künstlerkolonie. Und diese Bewegung schwappt so über ganz Europa. Hier in Schwaan ist sicher nicht das große künstlerische Klientel, aber ein großes Potenzial. Sie haben hier eine große Motiv-Vielfalt. Sie haben ja teilweise schon auf der Warnow einige Motive erleben können, wir hatten hier Torfstiche, bewaldete Hügellandschaften, viel Laubwald, die Warnowwiesen. Also es bietet schon abwechslungsreiche Motive für die Maler, die natürlich dann diese Motive aufnehmen wollten."

    Neu war um 1900, dass Maler raus gegangen sind aus dem Atelier und in der Natur gemalt, gezeichnet haben. Besonders stimmungsvoll sind die sogenannten Nebel-Bilder von Franz Bunke. Die Warnow am frühen Morgen.

    "Wo er dann diesen Dunst so aufträgt und dafür auch von der Fachliteratur doch sehr gelobt wird. Für diese Darstellung der Natur, diese Gefühlswahrnehmung letztendlich der Natur."

    Wieder im Boot versinken wir in blaugrüner Ruhe. Schilfbestandene Ufer, Seerosen, Wasserlilien, tief hängende Weidenäste … Nur selten dringt ein fremdes Geräusch zu uns – aus einer anderen Welt.