Montag, 29. April 2024

Eintracht Gladau
Fußballmannschaft mit Rechtsextremen darf weiterspielen

Die DSG Eintracht Gladau ist in den vergangenen Jahren von Rechtsextremisten unterwandert worden. Der Vorstand des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt schloss den Verein vom Spielbetrieb aus. Das Verbandssportgericht kippte diese Entscheidung aber nun.

Von Maximilian Rieger und Sebastian Trepper | 13.03.2024
Holger Stahlknecht steht an einem Rednerpult und spricht. Hinter ihm ist das Wappen des Landesverbandes zu sehen.
Holger Stahlknecht, Präsident des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt, wollte Eintracht Gladau gerne ausschließen und scheiterte (picture alliance / dpa / Ronny Hartmann)
„Ein klares Signal gegen Rechtsextremismus“ wollte der Fußballverband Sachsen-Anhalt im November 2023 mit der Entscheidung setzen, Eintracht Gladau aus dem Verband zu auszuschließen. Der Neuntligist aus dem Kreis Jerichower Land legte dagegen Einspruch ein und durfte daraufhin unter Auflagen weiterspielen. Jetzt hat das Verbandsgericht entschieden: Der Verein darf trotz rechtsextremer Spieler ohne Einschränkung am Spielbetrieb teilnehmen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie wurde die DSG Eintracht Gladau zum Problemfall?
Warum wurde der Verein ausgeschlossen?
Warum wurde Gladau wieder zugelassen?
Was bedeutet das Urteil für den Verband?
Wie geht es jetzt weiter?

Wie wurde die DSG Eintracht Gladau zum Problemfall?

Eintracht Gladau ist die Fortsetzung eines Problems, das spätestens 2011 begann: Damals beantragte der Verein FC Ostelbien Dornburg eine Spiellizenz im Kreis Jerichower Land in Sachsen-Anhalt. Treibende Kraft im Verein war ein bekannter Rechtsextremer. 15 von 18 Spielern stufte der Landesverfassungsschutz Sachsen-Anhalt als Rechtsextreme ein. 2015 wurde der Vereine nach mehrfachen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Mannschaften zunächst vom Landessportbund und anschließend vom Fußballverband Sachsen-Anhalt ausgeschlossen.
2016 nahm Eintracht Gladau den führenden Akteur aus Dornburg als Spieler auf. In der Folge wechselten weitere Spieler von Dornburg ins weniger als 50 Kilometer entfernte Gladau. Mittlerweile soll der Verein fest in der Hand des bekannten Rechtsextremen und seines Umfelds sein.

Warum wurde der Verein ausgeschlossen?

Der FSA schloss Gladau im November 2023 wegen "rechtsextremer Unterwanderung und Gewaltvorfällen" vom Spielbetrieb und aus dem Verband aus.
Gegen den bekannten Neonazi hat es in Vergangenheit Strafverfahren unter anderem wegen Körperverletzung gegeben. Er betreibt außerdem einen Online-Shop, in dem T-Shirts mit Aufschriften wie „Gott mit uns“ – dem Wahlspruch des preußischen Königshauses – zusammen mit dem Bild eines Tiger-Panzers aus dem 2. Weltkrieg verkauft werden.
Kein Einzelfall im Team. Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt schreibt auf Deutschlandfunk-Anfrage, dass sich unter den Spielern Personen befinden, „die dem Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt als Rechtsextremisten bekannt sind.“
Zudem hatte es in der Vergangenheit auch Zwischenfälle bei Spielen von Eintracht Gladau gegeben. Beim einem Spiel griff zum Beispiel ein Zuschauer einen gegnerischen Fan an, zudem gab es verbale Drohungen auch gegen Schiedsrichter. Ein Verein bat daraufhin den Verband vor einem Duell gegen Gladau sogar darum, das Spiel „polizeilich begleiten zu lassen“, um die öffentliche Ordnung zu schützen.
Treibende Kraft hinter dem Ausschluss war offenbar der FSA-Vorsitzende, Holger Stahlknecht, der ehemalige Innenminister Sachsen Anhalts (CDU).

Warum wurde Gladau wieder zugelassen?

Schon kurz nach dem Ausschluss des Vereins, hatte Eintracht Gladau mit einem Eilantrag Erfolg: Gladau wurde vorerst wieder zum Spielbetrieb zugelassen und akzeptierte 16 Auflagen des Verbandes.
Dazu gehörte, dass Heimspiele der beiden Mannschaften des Vereins ohne Zuschauer stattfinden mussten. Auswärts mussten sich Gladauer Anhänger ausweisen. Außerdem sollten vier Schiedsrichter und ein neutraler Beobachter zu den Spielen des Vereins kommen. Für einen sofortigen Spielausschluss reichten dem Verbandsgericht des FSA die Beweise der Verbandsführung nicht.
Am 12. März entschied das Gericht dann im Hauptverfahren, dass die Beweise auch langfristig nicht ausreichend für einen Ausschluss von Eintracht Gladau seien. Beide Mannschaften des Vereins dürfen weiter am Spielbetrieb im Jerichower Land teilnehmen.
Der Verbandsvorstand hatte Indizien für rechtsextreme Strukturen im Verein und die rechtsextreme Gesinnung von 27 seiner Spieler gesammelt. Die konnten aber nicht gerichtsfest bewiesen werden, berichtet der MDR. Der Gerichtsvorsitzende, Frank Knuth erklärte: Wenn diese Gesinnung im Rahmen des Fußballvereins nach außen getragen worden wäre, hätte das Gericht den Ausschluss bestätigt. "Privat hätte ich nichts lieber getan als das", sagt Knuth.
Er habe Medienberichte, Sozial-Media-Aktivitäten des Vereins und weitere Informationen über Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt begutachtet. „Ich habe aber nichts gefunden, was hier für unser Verfahren als Beweis von Relevanz ist“, sagt Knuth.
Ein Problem für den Verband: Von den anderen Vereinen wollte keiner offen als Zeuge aussagen. Der MDR hat bei seinen Recherchen mit Vereinsvertretern gesprochen, die Angst vor möglichen Folgen hatten. Als eine Deutschlandfunk-Reporterin bei Vereinen anrief, zeigte sich bei manchen Vereinen auch eine gewisse Gleichgültigkeit.

Was bedeutet das Urteil für den Verband?

Eintracht Gladau kann ohne Auflagen weiterspielen – obwohl eigentlich allen Beteiligten klar ist, dass dort Rechtsextreme auf dem Platz stehen.
Der aufgehobene Ausschluss Gladaus sei keine persönliche Niederlage, sagte Verbandspräsident Stahlknecht nach der Entscheidung: "Es macht aber den Kampf gegen Extremismus schwer, weil das Gericht gesagt hat, eine Gesinnung ist nicht entscheidend."
Er verweist auf die Satzung des Verbandes. Darin heißt es: „Der Fußballverband Sachsen-Anhalt wirkt Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und politischem Extremismus sowie damit verbundener Gewalt und Gewaltverherrlichung entschieden entgegen.“
Ein Vertreter des Vereins hätte vor dem Gericht mehrmals die Frage nicht beantwortet, ob er auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. In einem demokratischen Staat dürfe ein solcher Spieler eigentlich nicht mehr in einem Verein mitspielen. Gladau werde den Spieler „niemals“ ausschließen.
Der Verband würde aber jederzeit erneut so entscheiden – auch in dem Wissen, dass der Ausschluss von dem Verbandsgericht wieder aufgehoben werden könnte. „Um einfach ein Achtungssignal zu setzen und die Gesellschaft, die Menschen aufzurütteln“, so Stahlknecht.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Verband hat nun eine Satzungsänderung angekündigt, um die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung besser verteidigen zu können. Außerdem wird der Verband eine Handlungsempfehlung erstellen, die Vereinen helfen soll, präventiv gegen diskriminierende Tendenzen vorzugehen.
Das könnte auch ein Vorbild für andere Verbände werden, weil Rechtsextreme den Sport für ihre Zwecke nutzen. Kampfsportveranstaltungen werden zum Beispiel dafür genutzt, um Geld für andere Szeneaktivitäten zu gewinnen. Bei einem Amateurfußballverein wie Eintracht Gladau geht es eher darum, den vorpolitischen Raum zu besetzen.
Im Zug der bundesweiten Demonstrationen gegen rechtsextreme Kräfte hatte sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein im Sportgespräch zur Verantwortung des Sports geäußert. Wallstein ist selbst Fußball-Schiedsrichterin und Fan von Energie Cottbus. Sie sagte: "Es wird auch immer deutlicher, dass sich da niemand rausnehmen kann, der, wie der Sport auch, von einer demokratischen Gesellschaft profitiert.“
Aktuell läuft ein weiterer Versuch, Eintracht Gladau vom Spielbetrieb auszuschließen. Denn wie schon beim FC Dornfeld plant auch der Landessportbund ein Ausschlussverfahren. Schließt der LSB den Verein aus, wird er wohl auch umgehend aus dem Fußballverband ausgeschlossen.
Mit Material von MDR, Zeit, TAZ und Volksstimme (Magdeburg)