
Ein Konferenzsaal im Bundesbildungsministerium. Rechts zehn führende Vertreter des deutschen Arbeitsmarkts: Gewerkschaften, Arbeitgeber, Handwerkskammern, Arbeitsministerium. Ihnen gegenüber sitzt der belgische König Philippe im grauen Anzug mit Einstecktuch, würdevoll und selten lächelnd. Links und rechts von Ihrer Majestät zehn belgische Minister und Beamte. Die Jugendarbeitslosigkeit in Belgien liege bei über 20 Prozent, sagt der König. Deutschland: 7,4 Prozent, Spitze in Europa.
"Einer der Gründe dafür ist sicher Ihre duale Ausbildung, die von allen gemeinsam organisiert wird: Staat, Schule, Unternehmen, Gewerkschaften, Behörden. Von unserem Besuch erhoffen wir uns, zu erfahren, wie Ihr System funktioniert."
Die belgische Delegation hatte zuvor viele Fragen schriftlich eingereicht, die schriftlich beantwortet wurden: Wie lassen sich alte und behinderte Menschen in Ausbildung bringen? Funktioniert das duale System in allen Branchen? Eliane Tillieux, Arbeitsministerin der Region Wallonien fragt jetzt noch mal nach:
"Ich würde gern besser verstehen, welchen Beitrag die Unternehmen leisten für die Finanzierung, die Lehrinhalte und für die Prüfung. Ich würde auch besser verstehen, wie freie Ausbildungsplätze in den Unternehmen vermittelt werden?"
Die deutschen Gewerkschafter, Arbeitgeber und Forscher erklären ausführlich das deutsche duale Ausbildungssystem, in dem Berufsschule und Ausbildungsbetrieb sehr eng verzahnt sind:
"Der Nukleus ist der Betrieb."
"In den Schulen wird anhand betrieblicher Arbeitsabläufe, das ist der Rahmen, da werden die Fächer integriert, sodass die Jugendlichen das, was sie im Betrieb machen, sofort wieder erkennen und nicht zwei unterschiedlichen Welten begegnen."
"Man braucht eine Infrastruktur. Und diese Infrastruktur ist vor allem durch die selbst organisierte Wirtschaft gegeben."
"Es gibt keine Prämien für Betriebe, die die Ausbildungskosten der Betriebe ersetzen."
Das Rückgrat des dualen Systems
Betriebe melden ihren Fachkräfte-Bedarf, Arbeitgeber und Gewerkschaften erarbeiten gemeinsam Lehrpläne, die staatliche Schulen bundesweit einheitlich und praxisnah umsetzen - viele Meister und Ausbilder hätten dieses System selbst durchlaufen, von ihm profitiert und würden es tragen – das sei das Rückgrat des dualen Systems, sagt der Vertreter des Zentralverbands des deutschen Handwerks.
"Eine Eins-zu-eins-Übertragung wird nicht machbar sein",
ergänzt Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund.
Das wäre so, als würde ich zum Optiker gehen und sagen, ich brauche ne neue Brille und der sagt: Nehmen Sie meine, durch die sieht man gut."
Die belgischen Gäste können aber sehr genau beschreiben, welche Aspekte des deutschen Systems sie reizvoll finden. Etwa der Berater des belgischen Arbeitsministers der Region Brüssel:
"Deutsche Betriebe bekommen für die Ausbildung kein Geld vom Staat, bilden aber trotzdem aus, weil sie so passgenau ausgebildete Fachkräfte bekommen. Für uns ist das ganz erstaunlich. Belgische Betriebe wollen immer Geld haben. Gewerkschaften verhandeln auch den Ausbildungslohn. Diese Rolle der Gewerkschaften ist sehr interessant."
Hilde Crevits, Bildungsministerin in Flandern begeistert sich für die Art, wie Schulabgänger und Ausbildungsbetrieb in Deutschland zusammen finden:
"Ihr habt ein System mit Bewerbung, wir haben das nicht. Wir kennen die Bewerbung nicht, ich denke, es ist wichtig, dass man sich bewerben kann."
Es fehlt an Organisation
Belgien fehle eine staatliche Stelle wie die deutsche Arbeitsagentur, die Bewerber und offene Stellen zusammen bringt, "matcht", wie die Fachleute sagen.
"Und in Flandern ist das nicht so. Ich denke, wenn wir Positives davon machen möchten, dann müssen wir dafür sorgen, dass es einen besseren Match gibt zwischen einem Betrieb und einem Jüngeren."