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Dünger für die Meere

Die tauenden Gletscher Grönlands schaffen nicht nur reichlich Süßwasser ins Meer, sondern auch große Mengen Eisen. In Zeiten der globalen Erwärmung könnten die Eismassen während der arktischen Sommer deshalb zur wichtigsten Nährstoffquelle für das Polarmeer werden.

Von Dagmar Röhrlich | 11.03.2013
    Bis vor wenigen Jahren schien klar, dass die wichtigste Quelle für das Spurenelement Eisen im Meer die Flüsse sind und – vor allem in abgelegenen Gebieten - der Staub aus der Luft. Dann entdeckten die Forscher die Bedeutung von hydrothermalen Quellen am Meeresboden oder von Eisbergen. Nun scheint es eine weitere Ressource zu geben:

    "Wenn das grönländische Inlandeis schmilzt, ist der Meeresspiegelanstieg die offensichtlichste Folge. Uns interessiert jedoch die biogeochemische Seite: Wie viel wichtige Nährstoffe wie Eisen gelangen durch das Abschmelzen der Gletscher ins Meer?"

    Bislang gab es nur eine einzige Studie. Die deute daraufhin, dass der Beitrag der Schmelzwasserabflüsse zum marinen Eisenkreislauf gering sei, erklärt Maya Bhatia von der University of British Columbia in Vancouver. Allerdings gibt es die Beobachtung, dass Algenblüten immer dann besonders ausgiebig ausfallen, wenn der Frühling warm ist und die grönländischen Gletscher besonders schnell schmelzen:

    "Wir haben jetzt ein Gebiet an der Westküste Grönlands untersucht, in dem mehrere Gletscherabflüsse des Inlandeises auf dem Festland enden. Dort haben wir die Eisenkonzentrationen in den Schmelzwasserflüssen direkt an den Gletschern gemessen und ebenso im Wasser, das durch die kürzlich vom Eis freigegebenen Ebenen fließt."
    Das Ergebnis: Die Eisenkonzentrationen lagen sehr viel höher als gedacht. Vermutlich, so Maya Bhatia, werde das Eisen aus dem fein zermahlenen Gestein am Gletschergrund gelöst. Und zwar durch das Schmelzwasser, das über Spalten nach unten fließt und sich den Weg ins Meer sucht. Ganz unerwartet ist das Ergebnis nicht: Schließlich ziehen Eisberge eine eisenreiche Spur hinter sich her, und dieses Eisen stammt aus dem Sediment, das sie in ihrer Zeit als Teil eines Gletschers eingearbeitet haben:

    "Es ist interessant, dass die schmelzenden Gletscher und das schmelzende Inlandeis also noch mehr Effekte haben als einfach den Meeresspiegelanstieg. Sie könnten große Mengen an Eisen in den Atlantik und den Arktischen Ozean schaffen, die weitere Auswirkungen in den Meeren nach sich ziehen."

    Denn ein großer Teil dieses Eisens sei wahrscheinlich "bioverfügbar", könne also von Algen als Nährstoff genutzt werden:

    "Wenn wir unsere Zahlen für das gesamte Eisschild Grönlands hochrechnen und dabei verschiedene Korrekturfaktoren einarbeiten, kommen wir trotzdem auf große Mengen. Wir schätzen, dass das Schmelzwasser jährlich rund 0,3 Megatonnen bioverfügbares Eisen liefert - in etwa so viel, wie der Staub beiträgt."

    Auch mit dem, was die Eisberge zuliefern, könnten die Schmelzwasserabflüsse mithalten. Das hilft, ein Phänomen zu erklären - nämlich die ausgeprägte Algenblüte während der arktischen Sommer:

    "Während der Sommer scheint im Arktischen Ozean das, was Flüsse und Luft an Eisen liefern, nicht auszureichen, um das Ausmaß dieser Algenblüten zu erklären. Genau zu dieser Zeit jedoch schmilzt das Grönlandeis am schnellsten, es brechen die meisten Eisberge ab und auch die im Lauf eines Jahres stark schwankenden Schmelzwasserflüsse der Gletscher liefern am meisten zu."

    Und die Schmelzwasserflüsse könnten von ihrem Ausmaß her die Erklärung für die großen sommerlichen Algenblüten sein. Noch sei es jedoch zu früh, den Befund so weit zu verallgemeinern, betont die Forscherin. Unter anderem, weil erst einmal weitere Gebiete untersucht werden müssten. Falls sich die Beobachtung jedoch halten lässt, könnte sich dieser Nährstoffstrom aus Grönland in Zeiten des Klimawandels verstärken. Gleichzeitig wird jedoch an anderer Stelle eine Lücke gerissen: Denn je mehr die Gletscher weichen, um so mehr von ihnen werden an Land enden. Und dann gibt es keine Eisberge mehr.