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Dürre in Deutschland
Wälder gesperrt wegen herabstürzender Äste

Der Regen der vergangenen Tage hat wenig gebracht. Wegen der anhaltenden Trockenheit brechen von Bäumen ganze Äste ab und gefährden Spaziergänger. Solange es nicht wochenlang regnet, sind die Möglichkeiten im Kampf gegen die Auswirkungen der Dürre beschränkt.

Von Anke Petermann | 17.08.2020
Begrünte Lärchen stehen im Stadtwald zwischen bereits durch Borkenkäferbefall abgestorbenen Lärchen
Viele deutsche Wälder leiden unter der Dürre der vergangenen Jahre (picture alliance/Jonas Güttler/dpa)
Die Gewitter, der Regen der letzten Tage brachten nur den vielzitierten Tropfen auf den heißen Stein oder auf das trockene Laub. Denn auf dem Waldboden liegen so viele welke Blätter wie sonst im Herbst, die letzten heißen und trockenen Sommer fordern ihr Tribut.
Wie extrem sich das Wasserdefizit im Boden von Jahr zu Jahr verschärft, zeigt der Dürremonitor vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Tiefrot für extreme Trockenheit sind auf der Deutschlandkarte vor allem weite Teile von Brandenburg und Sachsen, aber auch die Donau-Region südlich von Ulm oder die Region um Freiburg. Auch das Gebiet um Mainz, in Rheinland-Pfalz ist betroffen, dort wurden zum Schutz des Waldes schon ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen.
Dürremonitor Deutschland des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung vom 15. August 2020
Mit seinen Sandböden und lichten Kiefernhainen gehört der Lennebergwald wohl zu den trockensten und heißesten Wäldern der Republik. Doch auch wo Laubwald wächst, fällt immer mehr Sonne durch immer größere Lücken in den Baumkronen. Spaziergängerinnen schauen auf braunes Laub zu ihren Füßen und nach oben auf ausgedünnte Kronen:
"Wir haben Herbst im Sommer." "Traurig sieht das aus, wenn man sich die Kronen anschaut und da so trockene Blätter hängen."
Viel mehr Regen nötig
Ein paar Regenschauer hat es in den vergangenen Tagen gegeben, doch der sandige Boden wirkt an diesem sonnig-heißen Nachmittag bei über 30 Grad schon wieder komplett ausgetrocknet. Wochen-, wenn nicht monatelanger Regen bräuchten Wälder, Parks und städtische Alleen, um das Defizit der drei Trockensommer seit 2018 auszugleichen, sagen Experten. Denn inzwischen werfen Bäume nicht nur Laub, sondern auch Äste ab.
Im Lennebergwald endet der Spaziergang Richtung Budenheim an einem Zaun. Von Gefahr durch "massives Baumsterben" kündet eine unlängst aufgestellte Warntafel. In diesem Waldstück ist der Boden lehmig und speichert Wasser eigentlich besser.
Dramatische Lage
Dennoch ist die Lage hier: "Sehr dramatisch. Über ein Viertel der Alt-Bäume ist mittlerweile tot oder schwerstgeschädigt. Entweder sterben sie ganz ab wie diese eine Eiche hier im Hintergrund, die Alt-Eiche, oder diese Schwarzkiefern, die als Mittelmeerbaum das eigentlich aushalten sollten", so Joscha Erbes vom Forstamt Rheinhessen im SWR-Interview, dem einzigen, das in dem bruchgefährdeten Waldstück noch geführt werden durfte – mit Helm.
Erbes wendet sich um und sagt: "Oder in diese Richtung sieht man Buchen, die die Kronenteile abgestorben haben, unten aber noch grüne Blätter haben, und man gar nicht zwingend sieht, dass die geschädigt sind. Und gerade diese Äste und Kronenteile können runterbrechen und sind mordsgefährlich."
Während die Zahl der Erholungssuchenden im Wald hitze- und coronabedingt steigt, nimmt also die verfügbare Fläche ab. Das Wiesbadener Ehepaar Meudt stoppt an einer Infotafel und sagt: "Es ist ja eines der wenigen Waldgebiete in Rheinhessen, wo ja der Rest nur noch Monokultur mit den Weinanbaugebieten ist. Das haben wir gerade gelesen, das ist ja wirklich interessant, das ist ja ein Kleinod."
Vielfalt die einzige Lösung
Ein bedrohtes allerdings. Denn ein funktionierendes Rettungspaket für das bedrohte Naturschutzgebiet im Norden von Mainz ist nicht in Sicht. Obwohl Jungpflanzungen mit großem Aufwand bewässert werden, verdorren im angrenzenden Budenheim die kleinen Eichenschößlinge. Und besonders wertvolle Einzelbäume mit Wassersäcken zu versorgen, klingt auch nicht nach dem großen Wurf.
Kiefernsämling, Gemeine Kiefer, Rotföhre, Weißkiefer, Forche (Pinus sylvestris), wächst auf Baumstamm | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Rolle der Jagd - Wie Deutschlands Wäldern zu helfen wäre
Wälder werden zu klimastabile Mischwäldern umgebaut. Rehe und Hirsche fressen die jungen Bäume. Helfen könnte eine veränderte Bejagung.
"Im Grunde können wir im Moment nur die Vielfalt fördern", sagt Joscha Erbes vom Forstamt Rheinhessen: "Je vielfältiger desto stabiler. Wenn dann mal eine Baumart ausfällt, ist das für das Ökosystem nicht ganz so schlimm. Ansonsten versuchen wir hier und da mal, ein paar resistente Bäume nachzupflanzen. Aber im Grunde können wir nur auf die Vielfalt achten."
Dass Klimapolitik so entschieden betrieben wird wie die Pandemievorsorge, wünscht sich Spaziergänger Rudi Meudt: "Wie man uns die Masken aufreden muss, so muss man uns vielleicht das Sonntagsfahrverbot einreden. Denn freiwillig machen wir nichts."
Doch für den Autoverkehr soll demnächst noch mehr vom Lennebergwald weichen. Nachdem die Schiersteiner Autobahn-Brücke sechsspurig ausgebaut wurde, soll auch die A 643 von Wiesbaden nach Mainz in diesem Bereich um je eine Spur erweitert werden. Sechsspurig geht es nach dem Willen des Bundesverkehrsministers durch das schrumpfende Biotop.
800 Bäume müssten dafür gefällt werden, schätzt das Bündnis "Nix in den Mainzer Sand setzen". Das will den Lennebergwald und den angrenzenden Trockenrasen retten und protestiert gegen den Ausbau. Dem Bündnis gehört neben Umweltschutz- und Verkehrswende-Vereinen auch die Stadt Mainz an. Es wirbt für Tempo 100 und zeitweise befahrbare Standstreifen – bislang vergeblich.