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Duncan Macmillans "Atmen"
Radikale Ökologie auf der Bühne

Duncan Mcmillans neues Stück "Atmen" wird an der Berliner Schaubühne aufgeführt: Ein Großstädterpaar kämpft um ein umweltbewusstes und politisch korrektes Verhalten. Die fast distanzierte und leicht beiläufige Genauigkeit der Inszenierung nimmt dabei etliches von ihrer Klischeehaftigkeit.

Von Hartmut Krug |
    Zwei Podien, darauf zwei Schauspieler auf Standfahrrädern, verkabelt mit allerlei technischen Geräten im leeren Raum, mit Boxen, Mischpulten und Halogenlampen. Die beiden produzieren den Strom selbst, den sie für ihre Beleuchtung benötigen. Und den restlichen Strom für diese Aufführung, bei der das Bühnenbild aus recyceltem Material hergestellt ist, produzieren vier am Bühnenrand postierte Radler.
    So sehen wir eine umweltbewusst produzierte Inszenierung über ein Endzwanziger-Paar, das sich immer wieder gegenseitig vergewissert: "Wir sind doch gute Menschen." Zwei Intellektuelle, zwei Großstädter, die einverständig um ein umweltbewusstes und politisch korrektes Verhalten kämpfen. Bis der Mann während eines Einkaufs einen Vorschlag macht:
    "Ein Baby? Ein Baby?"
    - "Ich hab nur gedacht."
    "An die Zukunft? Wir müssen unser Leben ändern. Die Erde weniger verbrauchen!"
    - "Nein. Ja. Das auch. Aber das ist nicht …"
    "Okay. Du wirst panisch."
    - "Nein. Nicht panisch."
    "Total. Du dachtest, du wärst diejenige …"
    - "Nein."
    "Dass du diejenige bist. Dass du sagst: Ja, okay, wir machen´s, ich bin so weit, ja, okay, wir machen´s."
    - "Das ist …"
    "Dass du den Druck machst."
    - "Druck? Druck machen?"
    "Ja. Dass du mich überzeugen willst."
    - "Ich mach keinen. Wir führen ein Gespräch. Mehr nicht. Es ist ein Gespräch. Mehr nicht."
    "Du führst ein Gespräch."
    - "Wir führen ein Gespräch."
    "Ein Gespräch, das du angefangen hast."
    - "Ein Gespräch, ja, dass ich gerne anfangen würde."
    "Du entscheidest, dass es jetzt anfängt?"
    - "Ja."
    "Bei Ikea?"
    So atemlos, so hin und her, so sprunghaft ist der Dialog zwischen dem Paar während der gesamten siebzigminütigen Aufführung. Die von Regisseurin Katie Mitchell gewählte Bühnensituation kommt diesem Hörstück entgegen. Gespielt kann man sich diesen Text kaum denken. Wie sich hier zwei nebeneinander und doch fern voneinander an sich und dem anderen abarbeiten, das besitzt eine schöne Präsenz und Intensität. Und wie Lucy Wirth und Christoph Gawenda souverän zwischen Alltagsgerede und Emotionalklamauk wechseln, ohne ihre Texte zu gestalten, das nimmt diesen durch die fast distanzierte und leicht beiläufige Genauigkeit des Vortrags etliches von ihrer Klischeehaftigkeit.
    Denn der Text des Autors Duncan Macmillan setzt allzu stark auf Wirkung. Dabei lässt er die Figuren, nicht immer psychologisch einleuchtend, übersprunghaft zwischen zärtlichen Bemühungen und wildesten Aggressions- und Mordfantasien wechseln.
    Macmillan präsentiert uns zwei Stadtneurotiker, die aus einer Fernsehserie - oder schlimmer noch - aus einem der vielen humoristischen Beziehungsratgeber entsprungen scheinen. Der Mann muss den brav ungeschickten Versteher mimen, und die stets verzweifelt vorwurfsvolle Frau ist von zickenhafter Hysterie gefährdet.
    Zugleich steht der Text mit seinen eingestreuten Witzchen unter einem Unterhaltungsdruck. Da fällt der Frau bei einer Schwangerschaft die Gefahr von Hängebrüsten ein. Dem Mann wird eine wissenschaftliche Untersuchung an den Kopf geknallt, nach der Männern Frauen beim Sex wie Schraubenschlüssel betrachten, und immer mal wieder wird das Verhältnis zwischen Sex und Gewalt leichthin verhandelt. Vor allem aber streitet das Paar über seinen CO2-Fußabdruck und die Zukunft der Welt. Über der Bühne läuft eine Digitalanzeige und vermeldet den sekündlichen Zuwachs der bereits über sieben Milliarden betragenden Erdbevölkerung:
    "Ich habe es ausgerechnet. Wie viele Flüge Berlin - New York? Zweitausendfünfhundertfünfzig! Wir könnten sieben Jahre lang jeden Tag von Berlin nach New York fliegen und wieder zurück und unser C02-Abdruck wäre noch immer nicht so groß, als wenn wir ein Kind kriegen!"
    - "Du hast es dir anders überlegt?"
    "Zehntausend Tonnen CO2! Das ist das Gewicht des Eiffelturms. Ich könnte den Eiffelturm gebären."
    Wenn dann, nach einer Fehlgeburt, einer Trennung und, nach einem Wiedersehen mit schnellem Sex, doch ein ungeplantes Kind kommt, dann geht es mit kurzen Sätzen durch ein ganzes Eheleben mit Kind und Arbeit. Am Ende sitzt die traurige Frau in einer kaputten, von Asche beregneten Welt am Grab ihres Mannes und sagt zum ersten Mal zu ihm "Ich liebe Dich."
    Da sind aber schon unendlich viele lamentierende Worte gefallen, bei denen der zuhörende Zuschauer oft das Gefühl hatte: Redet nicht so viel, lebt einfach umwelt- und selbstbewusst.