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Durch Dialog positive Werte vermitteln

Um gewalttätigem Verhalten in der Fanszene zu begegnen, fördert die Deutsche Fußball-Liga in Deutschland insgesamt 47 Fanprojekte an 42 Standorten. In der ersten Bundesliga haben lediglich der SC Freiburg, Borussia Mönchengladbach, der VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim noch kein Fanprojekt. In Freiburg soll sich das aus gegebenem Anlass schleunigst ändern.

Von Sebastian Bargon | 13.03.2010
    Ende Januar machten sich 150 SC-Fans auf den Weg nach Leverkusen, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Nachdem jedoch einige Ultras versucht hatten unerlaubte Gegenstände ins Stadion zu schmuggeln, standen auch ganz normale Fans unter Generalverdacht. Phillip und seinen Freunden wurde der Eintritt ins Stadion verwehrt, weil sie selbst gebastelte Schals mit der Aufschrift "ti amo SC" dabei hatten. Phillip vermutet, dass der Leverkusener Ordner die italienische Liebesbezeugung für einen verbotenen rassistischen Slogan hielt , anders kann er sich nicht erklären, dass ihm der Eintritt ins Stadion verwehrt wurde. Zwar versuchte der ehrenamtliche Fanbetreuer des SC Freiburg die Situation zu klären- trotzdem blieben 15 Sportclub-Anhänger vom Spiel ausgeschlossen. Petra, Phillip und Helena empfanden den Platzverweis als Willkür. Petra:

    "Es schreckt auch viele ab, überhaupt wieder ins Stadion zu gehen, wenn solche Kontrollen sind. Ich denke, es ist schon schade, dass dadurch Leute wegbleiben und sich das Spiel lieber im Fernsehen anschauen. Wenn das so weitergeht, wird irgendwann keiner mehr zu Auswärtsspielen fahren und wir stehen irgendwann in leeren Stadien stehen".

    Phillip:

    " Ich hoffe einfach, dass die vom Verein merken, dass da nicht immer alles gut läuft und dann versuchen die Problematik konstruktiv anzugehen, dass man in Zukunft seine Fan-Sachen mitbringen kann ohne Gefahr zu laufen, dass man wieder ein Platzverbot kriegt und nichts vom Spiel sieht". "

    Helena:

    ""Ich habe eher Angst davor, dass dadurch Aggressivität geschürt wird, dass die dadurch genährt wird. Mein Traum wäre dass die Leute in Dialog gehen und dass man ein Fanprojekt unterstützt und haben möchte. Denn es hat sich in anderen Stadien beziehungsweise anderen Vereinen gezeigt, dass das hilfreich ist."

    Seit einigen Monaten liegt dem Sport Club Freiburg ein Angebot vom Jugendhilfswerk vor, dass sich als möglicher sozialer Träger für das Fanprojekt angeboten hat - die Zusammenarbeit mit einem sozialen Träger ist Voraussetzung für eine Drittelfinanzierung durch Stadt, Land und DFB. SC-Pressesprecher Rudi Raschke:

    "Es gibt wenige gewaltbereite Fans in Freiburg. Und es wäre sicher unser Interesse, dass aus den wenigen noch weniger werden. Das wäre auch Aufgabe eines Fanprojekts oder eines hauptamtlichen Fan-Beauftragten. Dass es so bleibt oder noch besser wird mit der Fan-Kultur, dass der Dialog mit dem Verein noch besser wird. Und das müssen wir halt gegenwärtig prüfen, inwieweit uns da ein Fanprojekt helfen könnte."

    Ansprechpartner ist Michael Gabriel, der Leiter der Koordinationsstelle für Fanprojekte bei der in Frankfurt am Main ansässigen Deutschen Sportjugend:

    "Was wir beobachten ist, dass die Gruppen, welche die Fankultur im Moment am deutlichsten prägen, also die Ultras - dass es dort ein geringer werdendes Interesse am Fußballsport gibt. Also dass die Aktivitäten auf dem Rasen nicht mehr so verfolgt werden, sondern dass die eigene Gruppe, die Performance der Gruppe ne größere Bedeutung gewonnen hat und auch die Rivalität zur anderen Fankurve. Dadurch leidet nicht nur der Respekt gegenüber dem Spiel und den Spielern. Wir haben beobachtet, dass dadurch auch eine grundsätzlich feindseligere Haltung in die Stadien gekommen ist."

    Auch im einst so beschaulichen Breisgau ist das Klima unter den unterschiedlichen Fan-Gruppierungen rauer geworden. SC-Cheftrainer Robin Dutt beobachtet diese Entwicklung mit Sorge und will deshalb den Dialog mit den Fans ausbauen. Es gelte nicht nur Problemzonen bei den Fans zu beklagen, sondern mit ihnen zusammen zu arbeiten, indem durch den Dialog positive Werte vermittelt werden. Robin Dutt:

    "Ich denke, wir sprechen viel von Ausbildung im Fußball und auch die jungen Fans dürfen auch im Fan-Sein eine gewisse Ausbildung ruhig erfahren und da sind wir Vereine auch gefordert. Das sind so Kleinlichkeiten, wie dass man die gegnerische Mannschaft vor dem Anpfiff mit Applaus begrüßt , sich dann sportlich hart misst und sich dann die Hand gibt und aufs nächste Jahr wieder verabredet. Anstatt die gegnerische Mannschaft auszupfeifen. Wir betreiben ja alle den Sport, weil wir uns im Wettkampf messen möchten und das ist ja was positives. Diese Werte müssen vermittelt werden. Wenn dieser Zwölfjährige nichts anderes kennt, als dass die gegnerische Mannschaft und ihre Fans ausgepfiffen werden, dann pfeift er eben mit,weil er das für normal hält . Leider bin ich Trainer und kann mich so einem Projekt nicht persönlich annehmen, aber ich denke der Verein beziehungsweise jeder Verein müsste sich dieser Verantwortung stellen."

    Beim FC Schalke 04 gibt es bereits seit 16 Jahren ein Fanprojekt, mit dem der Klub gute Erfahrungen gemacht. Beim Auswärtsspiel in Freiburg Anfang Februar gab es keinerlei Probleme für die 3000 mitgereisten Fans, weil sie zu jeder Zeit eine Anlaufstelle hatten. Neben 14 ehrenamtlichen Fanbetreuern war auch Patrick Arnold mit vor Ort, einer von drei hauptberuflichen Mitarbeitern beim Fanprojekt des FC Schalke 04:

    "Ich bin Sozialarbeiter und bei der Stadt Gelsenkirchen angestellt. Wir begleiten die Fußball-Fans zu jedem Spiel, egal wo Schalke spielt. Darüber hinaus machen wir Präventions-Angebote für Jugendliche. Heute sind wir zum Beispiel mit 45 Jugendlichen hier, übernachten in der Jugendherberge und machen noch ne Stadtführung - das sind so Angebote im Bildungsbereich. Außerdem bieten wir in allen Schulferien ne Freizeit an"

    Egal ob der Sport Club Freiburg sich für ein Fanprojekt oder einen hauptamtlichen Fanbetreuer entscheiden wird, SC Pressesprecher Rudi Raschke weiß, dass der Klub den Dialog mit den Fans schleunigst verbessern muss:

    "Was ganz wichtig ist für uns als kleiner Verein ist, weil wir natürlich auch ne Stimmung wollen, die uns wieder zu Heimsiegen trägt - das ist glaube ich ein Wunsch, den Fans und Verein teilen, aber ich denke, das geht nur über den Dialog"