Dienstag, 19. März 2024

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Eckhard Fuhr vs. Hans-Dieter Pfannenstiel
Nachbar Wolf - geht das gut?

Der Wolf galt in Deutschland lange als ausgerottet. Erst um das Jahr 2000 wurden hierzulande erstmals wieder Jungtiere in Freiheit geboren. Die Zahl der Rudel ist seither auf über 70 gestiegen. Die wachsende Zahl der Wölfe bereitet Probleme. Der "neue Nachbar Wolf" ist zum Streitthema geworden.

Moderation: Jule Reimer | 20.07.2019
Das von einer Fotofalle aufgenommene Bild zeigt einen Wolf bei Geltorf in Schleswig-Holstein.
Das von einer Fotofalle aufgenommene Bild zeigt einen Wolf bei Geltorf in Schleswig-Holstein. (Wolfsmanagement SH/dpa)
In Deutschland leben mehr als 70 Wolfsrudel. Dazu kommen noch einige Einzeltiere und Paare. Insgesamt sind es mindestens 800 Tiere. Sie sind vor allem im Osten Deutschlands zu Hause. Aber auch Nordrhein-Westfalen hat bereits drei offizielle Wolfsgebiete ausgewiesen. Nach der aktuellen Gesetzeslage ist der Wolf streng geschützt. Schießen ist nur erlaubt, wenn ein erheblicher und auch wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.
Vor allem Schäfer und andere Weidetierhalter drängen auf eine Änderung des Gesetzes. Sie sehen ihre Herden und damit ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Angst vor dem Wolf haben aber auch Menschen, in deren Region sich Wolfsrudel angesiedelt haben.
Wie lassen sich Artenvielfalt und Herdenschutz in Einklang bringen? Ist auch der Mensch durch den Wolf bedroht? Sollte die Jagd auf auffällige Wölfe erleichtert, der Bestand vielleicht sogar durch eine Obergrenze schlicht begrenzt werden? Darüber streiten Hans-Dieter Pfannenstiel und Eckhard Fuhr.
Hans-Dieter Pfannenstiel: "Reguläre Bejagung schadet dem Wolf als Art nicht"
Hans Dieter Pfannenstiel ist emeritierter Professor für Zoologie an der Freien Universität Berlin, Diplombiologe und Jäger. Er hat 2017 für mehrere Jagdverbände ein Gutachten über den Umgang mit dem Wolf in der Kulturlandschaft Deutschlands verfasst.
"Ich plädiere ganz klar dafür, den Wolf wie jede andere wildlebende Tierart oder fast jede andere wildlebende Tierart bei uns ganz regulär zu bejagen. Nach einem Abschussplan, der von einem unabhängigen Bundesinstitut erstellt werden könnte, wie das zum Beispiel im Baltikum der Fall ist. Das würde dafür sorgen, dass der Wolf die Scheu vor dem Menschen wieder lernt und sich vielleicht auch tatsächlich vom Weidevieh fernhält. Die jetzige Regelung ist nicht zielführend. Und viele Beispiele aus Bundesländern - ich komme aus Brandenburg, da ist es besonders eklatant - zeigen, dass der Wolf bisher jede Schutzeinrichtung für Weidevieh wirklich überwunden hat. Man betrachte sich nur mal die Zäune, die man in einem Zoo um die Wölfe herum macht, damit die Wölfe nicht ausbrechen, und die Zäunchen, die vorgeschlagen werden um Weidevieh. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Und viele Beispiele in Europa zeigen, dass reguläre Bejagung dem Wolf als Art überhaupt nicht schadet."
Eckhard Fuhr: "Reguläre Bejagung löst keines der Probleme, die wir mit den Wölfen haben"
Eckhard Fuhr ist stellvertretender Vorsitzender des ökologischen Jagdverbandes Brandenburg. Er hat Bücher sowohl über Schafe als auch über Wölfe geschrieben.
"Ich bin ebenso entschieden gegen die reguläre Bejagung des Wolfes aus dem einfachen Grund, weil diese reguläre Bejagung des Wolfes keines der Probleme, die wir tatsächlich mit den Wölfen haben, lösen würde. Weder die Scheu würde wieder hergestellt noch am allerwenigsten würde das Risiko für die Weidetierhaltung minimiert. Das ist Augenwischerei zu behaupten, mit der Bejagung ändere sich etwas Grundsätzliches zum Guten. Allerdings kann die gegenwärtige Regelung durchaus verbessert werden. Da gibt es ja auch politische Initiativen aus dem Bundesrat heraus. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Ein wichtiges Problem ist die Rechtssicherheit für diejenigen, die nachher diese Wölfe abschießen müssen. Wenn da eine Verwechslung passieren würde und nicht der richtige Wolf geschossen wird, dann wäre das ein fahrlässiger Verstoß gegen Artenschutzrecht und hätte den Verlust des Jagdscheins zum Beispiel für denjenigen zur Folge. Da muss man also öffnen und sagen: Es muss nicht um diesen einen konkreten Wolf gegen, der tatsächlich zugebissen hat."