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Edathy-Affäre
"Oppermann wird nicht stürzen"

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann habe in der Edathy-Affäre nicht glücklich agiert, aber sich bisher durch den Fall laviert, sagte der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer im DLF. Das werde auch künftig Oppermanns Strategie sein. Edathy versuche, seine eigene Position zu lancieren.

Kai Arzheimer im Gespräche Christiane Kaess | 19.12.2014
    Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, steht am 11.02.2014 im Reichstag vor einem Mikrofon.
    SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann steht in der Kritik - besonders durch die CSU. (picture alliance / dpa / Florian Schuh)
    Die SPD befindet sich nach den Worten des Politikwissenschaftlers Kai Arzheimer in einer unangenehmen Situation. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat in der Affäre um seine Person erneut frühere Parteikollegen schwer belastet, darunter auch den SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Der habe in der Affäre nicht glücklich agiert, sagte Arzheimer im Deutschlandfunk. Er könne sich nach dem aktuellen Sachstand aber nicht vorstellen, dass er über den Fall stürzen werde. Die Partei werde nun versuchen, eine geschlossene Linie zu präsentieren. "In dem Ausschuss wird es darum gehen, Edathy in Widersprüche zu verwickeln."
    Bei der Bundespressekonferenz und im Untersuchungsausschuss seien die Aussagen Edathys widersprüchlich gewesen. "Das wirkte nicht geschlossen, souverän", sagte Arzheimer. Mit seinen Äußerungen belaste er Leute aus seinem politischen Umfeld und der Partei massiv. Edathy versuche, in die Offensive zu gehen und seine eigene Position in den Medien zu lancieren.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Wenige Tage vor Weihnachten war gestern noch einmal Hochbetrieb rund um den Deutschen Bundestag. Sebastian Edathy, der ehemalige SPD-Politiker, war gekommen. Vor einem Jahr musste er wegen Kinderporno-Vorwürfen seinen Hut nehmen. Seitdem war er nicht mehr öffentlich aufgetreten. Gestern die Möglichkeit für ihn, seine Sicht der Dinge darzustellen, und er hat das getan: vor der Hauptstadtpresse, im Haus der Bundespressekonferenz und anschließend im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Der versucht seit Monaten, Licht in die Affäre rund um das politische Karriere-Ende von Edathy zu bringen.
    Es bleiben noch einige Fragen offen im Fall Edathy, vor allem, was die Unterhaltungen angeht zwischen Edathy und seinem Parteikollegen Michael Hartmann. Meine Kollegin Christiane Kaess hat sich darüber noch einmal mit dem Politikwissenschaftler Kai Arzheimer unterhalten. Er lehrt an der Uni Mainz. Und das Interview mit ihm, das hat sie gestern Abend geführt.
    "In diesem Ausschuss wird es darum gehen, Edathy in Widersprüche zu verwickeln"
    Christiane Kaess: Herr Arzheimer, jetzt steht hier Aussage gegen Aussage. Wie soll das weitergehen?
    Kai Arzheimer: Wir wissen natürlich nicht, wer von den beiden jetzt die Wahrheit sagt, wo die Wahrheit tatsächlich liegt. Wir müssen wissen, es ist ein politisches Verfahren.
    So ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht. Der operiert zwar analog zur Strafprozessordnung, aber letzten Endes, selbst wenn das ein Gerichtsverfahren wäre, müsste ja keiner von den beiden, Hartmann oder Edathy, sich selbst belasten, und jetzt in diesem Ausschuss wird es darum gehen, Edathy in Widersprüche zu verwickeln und eine geschlossene Linie der SPD in dieser Hinsicht zu präsentieren, denke ich.
    Kaess: Es hat so etwas wie einen Schlagabtausch gegeben zwischen Edathy und der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, der SPD-Politikerin Eva Högl. Liegen da die Nerven blank bei der SPD?
    Arzheimer: Ich würde nicht sagen, dass die Nerven blank liegen, aber es ist eine sehr schwierige Situation, und Högl ist jetzt in der unangenehmen Situation, dass jeder weiß, sie ist natürlich Partei, sie hat ein Interesse daran, dass die SPD gut aus dieser Geschichte rauskommt, und zugleich hat sie als Ausschussvorsitzende natürlich eine gewisse Neutralität zu wahren und dieses Verfahren anständig zu führen, und das ist mit Sicherheit eine große Belastung, ja.
    Edathy widersprüchlich in seinen Aussagen
    Kaess: Es steht auf der einen Seite natürlich die Frage, wie glaubwürdig ist Edathy. Auf der anderen Seite kann man natürlich auch fragen: Ist es denn vorstellbar, dass Edathy so lügt, wie er das hier tun müsste, wenn das alles unwahr wäre, was er vorlegt?
    Arzheimer: Ehrlich gesagt, denke ich, da müssten wir einen Psychologen fragen. Ich kann das nicht beurteilen.
    Ich fand ihn heute in der Pressekonferenz, auch im Ausschuss, soweit man das im Internet mitverfolgen konnte, schon widersprüchlich in seinen Aussagen. Das wirkte nicht geschlossen souverän, dass ich jetzt gesagt hätte, so ist es und alle anderen lügen. Aber wie gesagt, was in dem Mann wirklich vorgeht, das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen.
    Kaess: Was ist Ihr Eindruck? Sein Auftritt ist ja heute auch als Schmierentheater mal bezeichnet worden. Da war die Rede davon, er sei empfindlich gewesen, arrogant, selbstgerecht. Alle diese Kategorien sind von Beobachtern benutzt worden. Ist Edathy tief gestürzt und schlägt jetzt um sich? Ist das Ihr Eindruck, den Sie bekommen haben?
    Arzheimer: Tief gestürzt ist er mit Sicherheit. Ob er um sich schlägt? Er belastet jetzt natürlich Leute in seiner früheren Partei, aus seinem politischen Umfeld sehr massiv. Was ich auf jeden Fall sehr ungewöhnlich fand, war dieser vorgeschaltete Auftritt vor der Bundespressekonferenz.
    Kaess: Was, glauben Sie, könnte dahinter stecken?
    Arzheimer: Ich denke, es ist ein Versuch, da in die Offensive zu gehen und die eigene Position in den Medien zu lancieren, weil er sich natürlich in einer Situation sieht, wo er seine früheren Genossen gegen sich hat, und ich weiß gar nicht, ob er noch um seine Reputation kämpft. Die hat er verloren. Aber ich denke, er versucht, noch das Beste aus der Situation zu machen.
    "Oppermann wird nicht stürzen"
    Kaess: Edathy wirft ja auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann vor, der Kreis der Mitwisser um ihn in der SPD, der sei größer gewesen, als Oppermann das angegeben hat. Macht Oppermann eigentlich noch für Sie eine glückliche Figur in dieser Affäre?
    Arzheimer: Glücklich war er in dieser ganzen Affäre mit Sicherheit nicht. Er hat es bisher geschafft, sich da ganz gut durchzulavieren, und ich denke, das wird auch weiterhin die Strategie sein. Ich kann mir jetzt nach dem momentanen Sachstand nicht vorstellen, dass Oppermann über diese Sache stürzen wird, aber ungut ist das alles, klar.
    Kaess: Sie glauben, er wird nicht darüber stürzen. Und dennoch: Was für eine Belastung für die Regierungskoalition bringt diese Affäre Edathy nach wie vor mit sich?
    Arzheimer: Das ist eine sehr interessante Frage, denn zunächst mal ging es ja um einen Streit auch zwischen der CSU und der SPD. Die CSU sagte mit einer gewissen Berechtigung, dass sie ihren Minister verloren hat, während Oppermann ungeschoren davon kam, obwohl - so wurde das ja damals dargestellt - er geplaudert hat.
    Diese Spannung ist mit Sicherheit noch nicht völlig überwunden und jetzt sind wir in einer Situation, wo die Union aber eigentlich kein Interesse daran haben kann, Oppermann völlig zu demontieren, sondern wenn man jetzt die nächsten Jahre noch zusammen Politik machen möchte, dann wird man schon versuchen, den Fraktionsvorsitzenden des Partners zu stützen, soweit das geht. Aber natürlich möchte man von Unions-Seite auch nicht, dass die SPD am Ende noch davon profitiert.
    Irgendwie muss man hier eine Balance finden zwischen Kooperation mit dem Regierungspartner und dem Unmut in den eigenen Reihen, den es hier natürlich immer noch gibt, über die SPD und über Thomas Oppermann.
    Kaess: Was, glauben Sie denn, müsste die SPD aus Sicht des Koalitionspartners leisten?
    Arzheimer: Das wissen wir nicht. Aber auf der atmosphärischen Ebene ist klar, dass hier Wunden wieder aufgekratzt worden sind vom vergangenen Jahr, oder vom Anfang diesen Jahres, und man wird die SPD bei passender Gelegenheit daran erinnern.
    Ich glaube, wir können uns das nicht so vorstellen, dass es tatsächlich irgendein Kopplungsgeschäft gibt, wir lassen den Oppermann im Amt und dafür gebt ihr jetzt endlich bei der Maut nach. Aber es wird bei allen Gesprächen, die es geben wird in den nächsten Jahren, das immer mitschwingen, dass die SPD hier auch involviert war und bisher keinen großen politischen Preis dafür gezahlt hat.
    Kaess: Edathy hat ja auch den ehemaligen BKA-Chef Jörg Ziercke belastet. Jetzt hat heute der Linken-Politiker Frank Tempel Ermittlungen gegen den ehemaligen BKA-Chef gefordert. Zurecht, finden Sie?
    Arzheimer: Na ja, gut. Das ist eine juristische Frage. Wenn das wirklich so wäre, wie Edathy es dargestellt hätte, wäre das ein Dienstvergehen mit Sicherheit gewesen. Aber ob es so war, das kann eigentlich nur ein Gericht klären, und ich vermute, wennd die Linke jetzt schon Ermittlungen fordert, dass es auch eine Anzeige geben wird, und dann wird eine Staatsanwaltschaft entscheiden müssen, ob man diesem Anfangsverdacht nachgeht und da tatsächlich Ermittlungen übernimmt. Aber das spielt außerhalb dieses politischen Verfahrens jetzt im Untersuchungsausschuss.
    Armbrüster: Der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer gestern Abend im Gespräch mit meiner Kollegin Christiane Kaess.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.