Donnerstag, 25. April 2024

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Edathy-Affäre
Von Notz: Weiter viele Fragen offen

Die Befragung von BKA-Chef Jörg Ziercke im Innenausschuss des Bundestags sei völlig inhaltsleer und wenig schlüssig geblieben, sagte der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz im Deutschlandfunk. Es sei aber wichtig, die Vorgänge nicht nur juristisch, sondern auch politisch aufzuklären.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Martin Zagatta | 19.02.2014
    Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz spricht am 19.02.2014 mit Journalisten.
    Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz will die Vorgänge um Edathy auch politisch geklärt wissen. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Martin Zagatta: Der Fall Edathy hat nicht nur zum Sturz von Landwirtschaftsminister Friedrich geführt, sondern auch zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust in der Großen Koalition. Zur Debatte stehen da Forderungen nach einem Rücktritt von SPD-Fraktionschef Oppermann. Über ein Krisentreffen zwischen den Parteichefs Merkel, Seehofer und Gabriel hat man Stillschweigen vereinbart. Aber spannend war es dann im Innenausschuss des Bundestages, der seit dem Vormittag tagt und seine Sitzung gerade auch unterbrochen hat, nachdem der BKA-Chef Jörg Ziercke angehört wurde.
    Wir sind jetzt verbunden mit Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Mitglied in eben diesem Innenausschuss. Guten Tag, Herr von Notz!
    Konstantin von Notz: Guten Tag! Ich grüße Sie.
    Zagatta: Und vielen Dank, dass Sie sich in dieser Sitzungspause gleich die Zeit für uns nehmen. - Herr von Notz, hat der BKA-Präsident Ziercke, den wir da eben gehört haben, mit diesen Äußerungen jetzt für Sie die Vorwürfe ausräumen können, er habe quasi in dem Gespräch mit Thomas Oppermann Dienstgeheimnisse verraten? Er sagte, er habe es nicht dementiert. Wie werten Sie das?
    von Notz: Na ja, es ist schwierig, zumal der BKA-Präsident in dieser relevanten Frage dieses einen betreffenden Telefonats leider keinen Vermerk angefertigt hat, was ich schon mal merkwürdig finde, wenn ein so relevanter Vorgang in einer so sensiblen Frage passiert, dass man sich dazu nicht zwei, drei Sätze für die Akte aufschreibt, was der Gegenstand des Gesprächs war. Und die Darstellung ist heute, dass das ein Gespräch im Grunde ohne Inhalt, ohne Fragen, ohne Intentionen war. Und wenn man bedenkt, wie brisant diese Informationen in diesen Tagen damals um den 15., 16. und 17.10. während der Koalitionsgespräche war, kann man es fast nicht glauben - so würde ich es formulieren wollen -, dass Herr Oppermann nicht mit einer klaren Intention angerufen hat, und so war ja auch seine Erklärung am 13.02., wo er sagte, er habe sich diese Information vom BKA-Präsidenten bestätigen lassen. Insofern ist die Darstellung, wie Herr Ziercke sie heute abgegeben hat, schon eine andere.
    Aussage Zierckes "wenig schlüssig"
    Zagatta: Er sagt, er habe nicht dementiert. Damit kommt er Oppermann vielleicht zur Hilfe. Aber wenn Sie sagen, das war ein völlig inhaltloses Gespräch, dann deuten Sie doch auch an, Sie glauben auch dem BKA-Präsidenten nicht so recht, was er da sagt, der lügt?
    von Notz: Ja das ist zu hart, weil ich daran glaube, dass sich Wahrnehmungen in der Vergangenheit im Rückblick über mehrere Monate natürlich auch verändern. Ich halte es so, wie es jetzt dargestellt wurde, für wenig schlüssig. Man muss ja fairerweise auch dazu sagen, der Innenausschuss wird heute noch Herrn Oppermann zu diesem Thema anhören, den zweiten Zeugen dieses Gesprächs. Beide sind nicht ganz objektiv, weil für beide natürlich der Inhalt und der Ablauf des Gesprächs von hoher auch rechtlicher Relevanz ist. Deswegen kann man vielleicht gar keine Objektivität erwarten. Aber ich erwarte eine schlüssige Darstellung des Telefonats, und wenn jetzt heute gesagt wird, da habe der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD in dieser brisanten Situation angerufen und praktisch Herrn Ziercke lediglich darüber informiert, dass Herr Gabriel diese Geschichte weitererzählt habe, die er dann wiederum von Herrn Friedrich erfahren habe, dann halte ich das für wenig schlüssig. Ich glaube schon, dass eine Frage da war, kannst Du das bestätigen oder nicht. Das kann ja der einzig vernünftige Grund gewesen sein, dass Herr Oppermann Herrn Ziercke angerufen hat. Herr Oppermann ist Jurist, der weiß um die juristischen Auswirkungen einer solchen Annäherung in einer so relevanten Frage, und dass man da blauäugig anruft, um dann zu erzählen, was man gehört hat, nun ausgerechnet beim BKA-Präsidenten, ist wie gesagt wenig schlüssig.
    Zagatta: Aber wenn der BKA-Präsident, wie das wohl passiert ist, wenn ich Sie recht verstehe und unsere Kollegin vorhin, das bestreitet, dann wird Herr Oppermann das doch kaum zugeben?
    von Notz: Wie meinen Sie? Das habe ich nicht verstanden.
    Zagatta: Wir haben ja gerade gehört, der BKA-Präsident Ziercke, der sagte, es sei nicht so gewesen, er habe keine Stellungnahme abgegeben, entlastet damit ja auch den SPD-Politiker Oppermann. Warum sollte der dann das zugeben, was schon der BKA-Präsident bestreitet?
    Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), äußert sich am 12.11.2013 während der BKA-Herbsttagung in den Rhein-Main-Hallen in Wiesbaden.
    Der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, sagte vor dem Innenausschuss aus. (dpa/picture alliance/Arne Dedert)
    von Notz: Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir wollen ja der Sache auf den Grund gehen und alle haben sich ja nun erklärt und gesagt, sie wollen den Sachverhalt richtig darstellen. Deswegen setze ich darauf, auch in Bezug auf die schriftliche Erklärung, die Herr Oppermann am 13.02. abgegeben hat, dass er eine schlüssige Geschichte erzählt. Wissen Sie, das Ding ist ja: Das ist ein Telefonat zwischen zwei Personen, und nur die beiden Personen wissen, was da letztlich gesprochen wurde. Für Objektive, die jetzt versuchen, diese Geschichte nachvollziehen zu können, kann ja nur das Kriterium der Schlüssigkeit gelten, und da halte ich die Darstellung, die wir bisher heute gehört haben, ein Parlamentarischer Geschäftsführer ruft wegen einer solch sensiblen Information beim BKA-Präsidenten persönlich an, um was eigentlich zu tun, ihm mitzuteilen, dass er eine ganz krasse Geschichte von Herrn Gabriel erzählt bekommen hat, und die wollte ich Dir nur mal erzählen, lieber BKA-Präsident, das ist unschlüssig. Er hat mit einer Intention beim BKA-Präsidenten angerufen, das ist die einzig schlüssige Erklärung. Und wie dann diese Informationsbestätigung, die Herr Oppermann angibt, erfolgt ist, das erhoffen wir, von ihm heute Abend zu erfahren.
    "Fragwürdiges Vorgehen"
    Zagatta: Mal sehen, ob Sie da weiterkommen. Aber, Herr von Notz, Sie sind Jurist, Thomas Oppermann ist Jurist, hat sogar als Richter gearbeitet. Durfte Oppermann denn in dieser Situation überhaupt mit dem BKA-Präsidenten sprechen? Ist das zulässig?
    von Notz: Ja das ist rechtlich eine ganz heikle und schwierige Frage, und das erklärt auch, warum jetzt diese etwas nebulöse Darstellung dieses Gespräches erfolgt, weil sich im Nachhinein natürlich alle darüber klar werden, dass die Abläufe so nicht korrekt waren. Ich meine, über diese Fragen ist ja inzwischen auch ein Bundesminister, ein ehemaliger Bundesinnenminister, zurückgetreten. Die Kanzlerin hat recht, wenn sie sagt, das Prozedere hier hat das Vertrauen in den Rechtsstaat angekratzt, erschüttert. Das sehen wir als Opposition genauso und deswegen müssen nun Aufklärung und Konsequenzen auch erfolgen, und die Frage ist, ob der Bundesinnenminister der einzige ist, der Fehler gemacht hat. Wenn es so ist, dass der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD mit der Intention der Aufklärung bei Herrn Ziercke angerufen hat, dann muss man nachforschen: hat er das aus eigener Entscheidung getan, oder ist er vielleicht beauftragt worden, kläre doch mal die Geschichte ab, ruf doch mal beim BKA-Präsidenten direkt an, und das wirft dann im Hinblick auf die Vertraulichkeit eines Ermittlungsverfahrens, die es braucht, doch wesentliche Fragen auf.
    Zagatta: Nun gibt es auch schon eine Anzeige gegen beide, gegen den BKA-Präsidenten Ziercke und auch vor allem gegen Oppermann. Ihm wird Anstiftung zum Verrat von Dienstgeheimnissen vorgeworfen. Der FDP-Politiker Kubicki hat diese Anzeige erstattet. Wie sehen Sie das? Ist das berechtigt, oder ist es nicht auch ganz legitim, dass da ein Spitzenpolitiker der SPD, dass irgendjemand aus der SPD-Führung, in dieser schwierigen Situation einfach wissen wollte, was los ist, um sich zu informieren?
    von Notz: Ich sage Ihnen: ich will das politisch beurteilen. Juristisch, dafür haben wir Gewaltenteilung. Juristisch sind wir da nicht zuständig. Insofern ist auch kurios, dass nun ausgerechnet Herr Kubicki da immer schnell mit Strafanzeigen dabei ist. Mich interessiert, was es politisch bringt und was es politisch für Auswirkungen hat, und juristisch wird das die Staatsanwaltschaft sicherlich richtig beurteilen, inwieweit Strafrechtsnormen da eine Rolle spielen. Politisch ist es hoch heikel, in einem laufenden Verfahren mit einer solchen Brisanz Namen weiterzugeben, die dann eben nicht bei den Menschen bleiben, die in der Fachaufsicht informiert werden müssen, sprich im BMI, sondern es wird an Dritte weitergegeben, und dieses vom Hören und Sagen, auch nicht juristisch richtig durchbeurteilt, was eigentlich hier Gegenstand ist, das macht dann hier im Berliner Politikbetrieb die Runde. Das ist schon ein sehr fragwürdiges Vorgehen, und dementsprechend groß ist ja jetzt auch das Interesse und die Aufregung - zurecht, wie ich finde.
    Zagatta: Danke schön, Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Mitglied im Innenausschuss. Herr von Notz, ganz herzlichen Dank, dass Sie sich da so schnell bereit erklärt haben, für uns hier zur Verfügung zu stehen. Danke schön!
    von Notz: Ich danke Ihnen, einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.