Donnerstag, 28. März 2024

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Edathy-Ermittlungen
Bosbach: "Es gibt noch viel zu viele offene Fragen"

Im Fall Edathy besteht aus Sicht des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach noch viel Klärungsbedarf. Im Deutschlandfunk sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, sowohl zum Anruf von SPD-Politiker Thomas Oppermann bei BKA-Chef Jörg Ziercke als auch zu den Ermittlungen gegen Sebastian Edathy gebe es noch viele Fragen.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 20.02.2014
    Ein Porträtfoto des CDU-Politikers Wolfgang Bosbach
    Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach fordert weitere Aufklärung im Fall Edathy (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Tobias Armbrüster: Für Thomas Oppermann, den Fraktionschef der SPD im Bundestag, war gestern möglicherweise der wichtigste Tag seiner politischen Karriere. Er war vor den Innenausschuss geladen, um genau zu erklären, weshalb er im vergangenen Oktober den Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, angerufen hat – ein sehr umstrittenes Telefonat. Und natürlich ging es gestern auch um den Rücktritt von Hans-Peter Friedrich, dem Landwirtschaftsminister.
    Am Telefon ist jetzt Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende im Innenausschuss. Schönen guten Morgen, Herr Bosbach.
    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Bosbach, Thomas Oppermann hat gestern vor laufenden Kameras beteuert, dass ihm der Rücktritt von Hans-Peter Friedrich leid tut. Kommen Ihnen da die Tränen?
    Bosbach: Ich habe noch keine Kollegin von der SPD, keinen Kollegen getroffen, der nicht der Auffassung war, dass dieser Rücktritt wirklich bitter ist. Es mag sein, dass es sich bei dem einen oder anderen um Krokodilstränen gehandelt hat, aber ich glaube nicht bei allen, denn Hans-Peter Friedrich war nicht nur ein geschätzter Minister, sondern er ist auch ein aufgrund seines wirklich sehr sympathischen, freundlichen Wesens und Umgangs mit anderen Abgeordneten sehr geschätzter Kollege.
    Oppermann übte durch Anruf Druck auf Ziercke aus
    Armbrüster: Wie geschätzt in der Koalition ist denn dann jetzt noch der Kollege Thomas Oppermann?
    Bosbach: Er hat jetzt sicherlich die größten Probleme, denn nach der gestrigen Sitzung konnte er gar nicht mehr seine Version aufrecht erhalten, in dem berühmt-berüchtigten Telefonat mit dem BKA-Chef Ziercke habe dieser den Fall Edathy bestätigt. Deswegen konnte Herr Oppermann gestern nur sagen, aus der Tatsache, dass Herr Ziercke gesagt hat, ich sage nichts und ich darf auch nichts sagen, habe ich geschlossen, dass die Informationen, die man mir zugetragen hatte, richtig waren.
    Armbrüster: Das heißt, wir haben es da mit zwei Männern zu tun, die sich beide im Grunde missverstanden haben?
    Bosbach: Das, was uns gestern geschildert worden ist, das kann man glauben, aber das muss man nicht unbedingt glauben. Eine wichtige Frage war natürlich, mit welchen Motiven, zu welchem Zweck hat Oppermann überhaupt Ziercke angerufen. Er hat geantwortet, er wollte die Informationen richtig einordnen. Wohin weiß kein Mensch, aber er wollte sie einordnen. Das wiederum setzt doch logischerweise voraus, dass er von Herrn Ziercke erwartet hat, Informationen zu bekommen, die er bis dato noch nicht hatte, und genau das hätte ihm Herr Ziercke niemals sagen dürfen, und das wusste Herr Oppermann auch.
    Armbrüster: Müssen wir dann also den Schluss ziehen, dass Thomas Oppermann auf Ziercke Druck ausgeübt hat?
    Bosbach: Wann? Während des Telefonates? Davor, danach?
    Armbrüster: Während des Telefonates, einfach durch dieses Telefonat.
    Bosbach: Durch dieses Telefonat, das ist richtig. Das hat auch Herr Ziercke durch eine wunderschöne Formulierung zum Ausdruck gebracht, und diese lautet: Während des Telefonates hätte er die Grenzen eines freundlichen Gespräches deutlich vor Augen gesehen. Rustikal formuliert: Wenn Oppermann noch ein paar Sekunden weiter gesprochen hätte, hätte es richtig Ärger gegeben. Er fühlte sich durch dieses Telefonat bedrängt und dieses Telefonat war ja auch deshalb pikant: Damals stand das Kabinett ja noch nicht. Man befand sich in Sondierungsverhandlungen mit der SPD. Es war ja durchaus möglich, dass Thomas Oppermann Innenminister würde, und damit wäre er der Chef von Herrn Ziercke geworden.
    Armbrüster: Muss die ganze Sache dann, wenn wir jetzt hier von Bedrängen, von Druck sprechen, weiter verfolgt werden?
    Bosbach: Die Sache muss weiter verfolgt werden. Es gibt noch viel zu viele offene Fragen. Eine Frage ist dabei allerdings: an welcher Stelle? Der niedersächsische Landtag muss sich einmal mit diesem Drama beschäftigen, denn ohne dass ich irgendjemandem einen konkreten Vorwurf machen möchte, auch da gibt es einige Fragen, zum Beispiel über den langen Zeitraum, der vergangen ist, bis zur Eröffnung des Ermittlungsverfahrens und bis zur Beantragung der Aufhebung der Immunität von Herrn Edathy, auch was ist eigentlich in dieser Zwischenzeit an sogenannten weiteren Ermittlungen seitens der zuständigen Staatsanwaltschaft veranlasst worden. Und wenn der ehemalige Innenminister jetzt von Niedersachsen sagt, Herr Edathy habe ihm gesagt, er sei gewarnt worden, dann müssen natürlich bei der niedersächsischen Justiz alle Lampen angehen.
    Ein Untersuchungsausschuss wäre denkbar
    Armbrüster: Das heißt, wir brauchen mindestens einen Untersuchungsausschuss?
    Bosbach: Das müssen die Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen entscheiden. Vielleicht machen sie es ja so, wie wir es gestern gemacht haben, indem man zunächst einmal versucht, Licht ins Dunkel zu bringen durch die zuständigen Fachausschüsse, also ohne einen Untersuchungsausschuss. Es ist ja oft so, dass man sich zunächst darum bemüht, auf normalem, regulärem, parlamentarischem Wege etwas zu erfahren, und sich erst dann entscheidet, reicht uns das, was wir jetzt wissen, oder reicht es uns nicht. Für den Bundestag gilt: Es ist durchaus noch offen, ob ein Untersuchungsausschuss gefordert wird oder nicht.
    Armbrüster: Aber den möchten Sie vielleicht gar nicht, weil das würde ja das Vertrauen in dieser noch relativ jungen Großen Koalition doch arg belasten?
    Bosbach: Ich weiß nicht, ob sich irgendjemand diesen Untersuchungsausschuss unter allen Umständen wünscht. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ein Untersuchungsausschuss viel mehr zu Tage fördern könnte als das, was gestern schon im Innenausschuss offenbart worden ist. Aber das ist letztendlich auch eine Frage, was es noch an weiteren Enthüllungen in den nächsten Tagen und Wochen möglicherweise gibt. Wenn da noch etwas ans Tageslicht kommt, was wir bis jetzt nicht wissen und den Rechtsstaat weiter ins Zwielicht rücken könnte, dann wird der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss immer lauter.
    Armbrüster: Herr Bosbach, wir hören jetzt heute Morgen, dass Angela Merkel in der vergangenen Woche offenbar deutlichen Druck auf Hans-Peter Friedrich ausgeübt hat. Anders als bisher gemeldet hat sie ihn offenbar zum Rücktritt gedrängt. Wie beschädigt ist denn jetzt das Verhältnis zwischen Ihrer Partei, der CDU, und der CSU?
    Bosbach: Ich glaube nicht, dass das Verhältnis zwischen den beiden Unions-Parteien beschädigt ist, denn ich glaube, Hans-Peter Friedrich hatte das Gefühl, bevor er das Mandat niedergelegt hatte, dass er nicht mehr das uneingeschränkte Vertrauen von Angela Merkel, aber auch nicht mehr das notwendige Maß an Vertrauen von seinem eigenen Parteivorsitzenden Horst Seehofer hatte – nicht etwa, weil man ihm strafrechtlich relevante Vorwürfe gemacht hätte, sondern weil langsam aber sicher die Affäre Edathy zu einer Affäre Hans-Peter Friedrich wurde, und er hatte ja vorher schon gesagt: Wenn es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen mich gibt, dann kann ich nicht länger im Amt bleiben. Und wenn man dann in einer solchen Situation das Gefühl bekommt, den Rückenwind oder die Rückenstärkung, die du brauchst, um mit Autorität dein Amt ausüben zu können, die hast du nicht mehr, dann muss man eine, wenn auch bittere Konsequenz ziehen.
    Armbrüster: Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, hier in den „Informationen am Morgen“. Vielen Dank für das Gespräch.
    Bosbach: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.