Archiv


Edel übernachten im "College"

Aus der edlen Loungebar schallt Live-Jazz herüber und auf der mit Designermöbeln aufgepeppten Terrasse tummelt sich cooles Großstadtpublikum. Auf den ersten Blick sieht das "The College" aus wie viele andere Boutique-Hotels, aber es ist einzigartig. Denn der Name ist Programm.

Von Bernhard Krieger |
    Seit seinem Bau im Jahr 1894 ist das imposante Backsteingebäude eine Schule, erst war es ein Gymnasium, dann eine Business-School. Im Jahr 2000 begann die Amsterdamer Hotelfachschule ROC schließlich die Schule für stolze 13 Millionen Euro in ein Luxushotel umzubauen, das irgendwie doch eine Schule geblieben ist, wie "The College"-Manager Robert Noya erzählt:

    "Die ROC-Hotelfachschule bekam immer wieder Klagen, dass ihre Absolventen nicht praxisnah genug ausgebildet würden. Sie seien auf den Arbeitsalltag nicht ausreichend vorbereitet. Daraufhin eröffnete sie kurzerhand 2005 ihr eigenes Hotel, in dem ihre Studenten für den Job-Alltag fit gemacht werden konnten. Es sollte ganz bewusst keine Schulungseinrichtung, sondern ein ganz normales kommerzielles Hotel sein. Deshalb wurde es dann auch an eine Hotelgesellschaft verkauft, die es aber weiterhin vor allem mit Studenten betreibt."

    70 Prozent der Mitarbeiter im "The College" sind Studenten. Und die sind auf allen Ebenen tätig. In ihrem ersten Studienjahr arbeiten sie fünf Wochen im Housekeeping. Im zweiten und dritten Jahr geht es in den Service und in die Küche, und im vierten Jahr zum Abschluss ihrer Ausbildung übernehmen sie dann sogar Manager-Funktionen wie Karolina:

    "Ich arbeite jetzt sechs Monate lang an der Rezeption und in der Reservierung. Und dann bin ich mit meinem Studium auch schon fertig."

    Karolinas Kollegin Marei hat noch zwei Jahre vor sich, auch sie ist begeistert von ihrem außergewöhnlichen Studienplatz:

    "Du arbeitest eben hier mit Studienkollegen zusammen, die alle dasselbe Ziel haben. Das ist ganz anders, als wenn man ein Praktikum in einem normalen Haus mit normalen Kollegen absolviert. Das macht dieses Hotel so besonders."

    Marei macht es Spaß, zumal die Studenten auch noch eine Vergütung von immerhin bis zu rund 350 Euro im Monat bekommen. Ein Zuckerschlecken ist die Zeit im Hotel aber dennoch nicht immer. Und das ist durchaus gewollt, sagt Manager Robert Noya.

    "Die Studenten sollen sich auch mal überwinden müssen. Deshalb haben wir zum Beispiel die Küche nicht nur aus Design-Gründen offen ins Restaurant integriert. So sollen sich unsere zukünftigen Köche und Service-Kräfte daran gewöhnen, dass sie von den Gästen in einem Hotel auch ein wenig beobachtet werden. Das ist gut für die Studenten."

    Einigen hat ihre Ausbildung im "The College" so gut gefallen, dass sie nach ihrem Abschluss geblieben sind, erzählt Marei:

    "Ich selbst habe einige Chefs, die früher hier studiert haben und übernommen wurden. Andere Ausbilder im Restaurant, wo ich jetzt gerade arbeite, kommen aber natürlich auch ganz woandersher. Das ist gemischt."

    Wer nicht übernommen wird, findet relativ leicht Jobs auch bei großen Hotelketten. Die Praxiserfahrung erhöht die Job-Chancen. Aber nicht nur die Studenten profitieren von dem 'The College'-Konzept - meint Manager Robert Noya

    "Natürlich lernen auch wir von den jungen Leuten, zum Beispiel flexibel zu sein und auch mal geduldig. Aber vor allem beeindrucken sie uns immer wieder mit ihrer Begeisterungsfähigkeit. Das schafft eine jugendlich dynamische Atmosphäre im Haus, die auch die Gäste schätzen, selbst wenn mal etwas am Anfang noch nicht so perfekt klappen sollte. Unsere Leute sind jung. Da passieren halt auch schon mal lustige Sachen."

    Den Gästen gegenüber macht das Hotel keinen Hehl daraus, dass zwei Drittel der Mitarbeiter Studenten sind. Einen Rabatt auf die mit 290 Euro dennoch nicht gerade billigen Zimmer hat deshalb noch keiner verlangt, schon gar nicht an einem Sonntag wie diesem, an dem Karolina und Marei bereits wie altgediente Profis über die voll besetzte Terrasse wirbeln.