Samstag, 20. April 2024

Archiv

EEG-Novelle
Gegenwind für Mieterstrom

Zahlreiche Industriebetriebe und Hauseigentümer sichern inzwischen ihre Stromversorgung mit Fotovoltaik-Anlagen oder Blockheiz-Kraftwerken. Vergleichbare Anlagen in Mieterstrom-Projekten laufen erst wenige Monate. Nun erschwert die EEG-Novelle den noch jungen Markt für Mieterstrom.

Von Daniela Siebert | 07.10.2014
    Arbeiter installieren Solarzellen auf einem Dach, aufgenommen am 06.03.2012 in Igersheim.
    Die Bundesregierung ringt um Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). (dpa picture alliance / Daniel Kalker)
    Diese Waschmaschine läuft seit April mit grünem Strom direkt vom Dach wie auch alle anderen Elektro-Geräte in Heidi Lubes Haushalt. Seitdem bezieht die Mieterin in einem vierstöckigen Mehrfamilienhaus in Berlin-Hellersdorf Strom aus der Fotovoltaik-Anlage wenige Meter über ihr. Heidi Lube freut das:
    "Das heißt etwas nachhaltiger für die Umwelt und die Natur, das war mein Ziel, das andere ist eben, dass es direkt hier vor Ort produziert wird und keine langen Wege geht und das finde ich eben fast das Beste an dieser Geschichte, dass niemand belästigt wird und ich den von meinem Dach bekomme und das noch als Mieterin, das finde ich doppelt toll."
    Heidi Lube ist Kundin eines Mieterstrom-Projektes von Lichtblick. Auf 50 Miethäusern der kommunalen Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft hat die Hamburger Firma Fotovoltaik-Anlagen installiert. Sie können 3000 Haushalte mit Strom versorgen, wenn der Solarstrom nicht reicht wird Ökostrom zugekauft. Bislang haben sich 700 Mietparteien dafür entschieden.
    Noch jüngeren Datums ist das Mieterstromprojekt von Urbana in Kooperation mit der Berliner Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Sie bieten in zehn Hochhäusern direkt vor Ort produzierten grünen Strom aus einem Blockheizkraftwerk an, dass auch Warmwasser erzeugt und mit Bio-Methan-Gas gespeist wird.
    Projekte wie sie Urbana und Lichtblick in Berlin betreiben sind Vorreiter auf dem noch jungen Markt für Mieterstrom. Das zarte Pflänzchen bekommt von der EEG-Novelle, die seit 1. August gilt, mächtig kalten Wind ab: Zum einen wird für Mieterstrom nun die volle EEG-Umlage fällig, zum anderen entfällt für Fotovoltaik-Anlagen das Grünstromprivileg.
    Nachteile für Mieterstromprojekte
    Fachleute wie der Umweltrechtler Professor Felix Ekardt sehen das kritisch, z. B. weil damit Mieter gegenüber Hauseigentümern benachteiligt werden:
    "Das EEG stellt beim Eigenstromverbrauch Hauseigentümer besser, weil sie eine Privilegierung haben, die Mieterstromprojekte nicht haben."
    Der Berliner Fachanwalt Florian Valentin, Spezialist für erneuerbare Energien, hält besonders das entfallene Grünstromprivileg für problematisch:
    "Die Situation für Mieterstromprojekte hat sich rechtlich deutlich verschlechtert durch das EEG 2014 bei Fotovoltaik-Projekten, da hieß es früher einmal: dass die EEG-Umlage für die Direktlieferung von Strom vor Ort, die nicht über das Netz der allgemeinen Versorgung erfolgt, um zwei Cent gemindert wird. Diese Regelung ist jetzt ersatzlos gestrichen worden und dementsprechend sind Mieterstrom-Modelle zur Direktlieferung vor Ort sehr unwirtschaftlich geworden."
    Bei Urbana und Lichtblick gibt man sich trotz des neuen EEG optimistisch. So sagt Jan-Christoph Maiwaldt, der Vorsitzende von Urbana:
    "Die Kunden zahlen so oder so ihre EEG-Umlage, unser Mieterstrommodell ist in keinster Weise ein Modell, was diese EEG-Umlage reduziert aus Sicht des Mieters."
    Und Brick Medak von Lichtblick betont, man werde die Kostensteigerungen erstmal nicht an die Kunden in Hellersdorf weitergeben. Außerdem habe man weitere Mieterstromprojekte in Vorbereitung und hoffe auf künftige Ausnahmeregelungen:
    "Teile der Bundestagsfraktionen auch der Regierungsfraktionen haben erklärt, dass sie auch was tun wollen im Rahmen einer Verordnung, die jetzt in den nächsten Monaten erarbeitet werden soll und da haben wir die Hoffnung, dass ein neues Modell entwickelt wird."
    Politisch gewollte Trendwende?
    Rechtsanwalt Valentin glaubt eher an eine politisch gewollte grundlegende Trendwende:
    "Bei Mieterstrom-Modellen ist im EEG 2014 ganz deutlich zu beobachten, dass jegliches dezentrales Versorgungskonzept nicht mehr unbedingt gewünscht ist. Und das ist schon eine sehr interessante Entwicklung, wenn man sich überlegt, dass noch bis ins Jahr 2012 hinein z. B. der Eigenverbrauch aus Fotovoltaik-Anlagen ganz gezielt gefördert worden ist, mit sogar einer EEG-Vergütung und heute nur noch mit Abgaben belastet wird, das hat sich also ganz entscheidend verändert."
    Eine gewaltige Verunsicherung im Mieterstrommarkt beobachtet auch Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins. Er betont, niemand wisse wie viele Mieterstromprojekte es überhaupt gebe. Er schätzt die Zahl in Berlin auf rund ein Dutzend, keineswegs immer nur mit Ökostrom. Auch der Mieterverein rechne damit, dass der Trend zu Mieterstromprojekten nun deutlich abflauen werde. Mietern rät Reiner Wild jedoch nicht davon ab, gegebenenfalls zuzugreifen.
    "Ich glaube, dass der Mieterstrom eine richtige Wahl ist, wenn wir von den traditionellen Stromproduktionen wegkommen wollen. Es spricht einiges dafür, auch wenn der niedrige Preis im Moment nicht zu halten ist, sich weiterhin für Mieterstrom zu entscheiden."