Jasper Barenberg: Viele Themen stehen beim Weltwirtschaftsforum in Davos auf der Agenda, das Russlands Premier Wladimir Putin heute Abend eröffnen wird: Energie, Klimawandel, Entwicklungshilfe. Beim ersten Treffen nach dem Crash der weltweiten Finanzmärkte aber werden die rund 2.500 Teilnehmer vor allem über eine Frage diskutieren: was kann, was muss der Staat tun, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen?
Am Telefon ist jetzt Hans Eichel, Mitglied des Bundestages für die SPD und früher Bundesfinanzminister. Einen schönen guten Tag!
Hans Eichel: Guten Tag, Herr Barenberg.
Barenberg: Herr Eichel, welche Themen müssen aus Ihrer Sicht ganz oben auf die Agenda in Davos?
Eichel: Ganz oben auf die Agenda muss die neue globale Finanzarchitektur. Was dort in den letzten Jahrzehnten, aber insbesondere, sagen wir, in den letzten vier, fünf Jahren eingerissen ist, ist überhaupt nicht akzeptabel, kann die Welt tief ins Unglück stürzen. Hier ist eine grundlegende Remedur erforderlich und das Eigenleben der Finanzmärkte gegenüber der Realwirtschaft muss aufhören.
Barenberg: Wie kann eine solche wirksame Regulierung der Finanzwirtschaft aussehen? Welche Elemente muss sie beinhalten?
Eichel: Das Entscheidende ist, dass es überhaupt keine unregulierten Teile mehr geben darf, also keine Offshore-Finanzzentren, wo Hedgefonds sitzen, bei denen keiner weiß, was sie eigentlich treiben, keine Steueroasen wie die Schweiz, wo ja der Davos-Gipfel stattfindet, dass es zweitens diese extremen Profite gar nicht mehr geben kann, weil mit denen extreme Risiken einhergehen - und jetzt haben wir die ganzen Risiken -, es kann nicht auf extreme Profite ausgerichtete Manager-Bezahlung geben (das war eines der ganz großen Probleme), und es muss eine genaue Kontrolle aller Finanzinstrumente auf ihre Risikohaftigkeit hin geben und schließlich eine globale, gegliederte Finanzaufsicht, die dann auch dafür sorgt, dass die Regeln, die für alle gelten müssen, auch durchgesetzt werden.
Barenberg: Wer soll denn zum Beispiel diese Finanzinstrumente, von denen Sie sprechen, kontrollieren? Welche Instanz soll das tun?
Eichel: Am Schluss glaube ich - aber darüber gibt es Streit -, dass der Internationale Währungsfonds für die Welt insgesamt die richtige Adresse ist. Er alleine kann das nicht. Die Expertise sitzt zu einem großen Teil etwa bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel und bei dem Financial Stability Forum. Aber das alles sind Einrichtungen, die nicht die globale Welt repräsentieren, sondern vor allem die Industrieländer, und das eben genügt nicht. Der Internationale Währungsfonds repräsentiert alle Länder dieser Erde. Dort allerdings wird es auch Gewichtsverschiebungen hin zu den Schwellenländern und zu den Entwicklungsländern geben müssen, damit das von allen akzeptiert wird.
Barenberg: Es gibt Signale aus den USA, dass der neue US-Präsident Obama auch in diese Richtung gehen möchte. Es gibt Signale der Bundesregierung, dass sie das auch möchte. Sind sich die entscheidenden Nationen, sind sich Europa und die USA zum Beispiel, jetzt schon einig über den Instrumentenkasten, der dann im nächsten Jahr organisiert werden soll?
Eichel: Das wäre wohl verfrüht, aber es gibt Gott sei Dank gemeinsame Prinzipien, die die G20 beschlossen haben. Die G20, das sind die größten Industrie- und Schwellenländer dieser Erde, übrigens in Berlin 1999 gegründet, und Deutschland hat da eine wesentliche Stimme. Der neue amerikanische Präsident hat einen, der weltweit sehr geachtet ist, für die Systeme, den früheren amerikanischen Notenbankpräsidenten Paul Volcker, zu seinem Berater gemacht. Das stimmt hoffnungsvoll, aber trotzdem wird nicht alles so kommen, wie etwa die Kontinentaleuropäer mit ihrem umfassenden Regulierungsansatz sich das vorstellen.
Barenberg: Es soll im April zum zweiten Mal das Treffen dieser 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen geben, nach dem Treffen in Washington im vergangenen November. Wird es denn in Davos mehr als einen Fingerzeig darüber geben, was dort an Eckpunkten für eine neue Finanzarchitektur zu erwarten ist?
Eichel: Nein, wird es nicht geben, denn die Arbeitsgruppen liefern gerade ihre Berichte an die Staatssekretäre ab. Davos hat insofern eine Bedeutung, als in der Tat man sich dort wieder trifft und Gelegenheit hat, seine gemeinsamen Positionen zu vertiefen, und vor allem eines: das ist bei allem, was wir an Problemen haben, das tröstliche. Es ist das Bewusstsein gewachsen, dass wir es mit einer globalen Krise zu tun haben, bei der es nur noch eine Lösung gibt, wenn alle zusammenarbeiten, und das wird hoffentlich auch die Botschaft von Davos sein.
Barenberg: Mehr Staat soll es sein zur Überwindung dieser Finanz- und Wirtschaftskrise. So weit, glaube ich, besteht Konsens. Aber wie viel mehr Staat? Gibt es für Sie auch Grenzen der Regulierung?
Eichel: Darüber wird es ganz sicher eben die Differenzen geben, denn diejenigen, die bisher grundsätzlich gegen Regulierung durch die Staaten waren, die Vereinigten Staaten und Großbritannien, haben zwar diese Position geräumt, aber wenn es jetzt darum geht, wie viel Regulierung soll es sein, wie scharf soll sie sein, wird dieser alte Gegensatz sicherlich auch wieder auftauchen und man wird mit leichteren Regeln versuchen zu arbeiten - das werden die Amerikaner und werden die Briten sein -, während andere, zum Teil jedenfalls die Schwellenländer und Europa, jedenfalls Kontinentaleuropa, sicher für schärfere Regulierung eintreten werden.
Barenberg: Wird es denn auf mittlere Sicht dann gesehen tatsächlich eine neue globale Finanzarchitektur geben?
Eichel: Das kann man nur hoffen, denn die Vorstellung, nachdem man die Krise überwunden hat, was übrigens noch gar nicht abzusehen ist, könne man dann so weiter machen, diese Vorstellung ist außerordentlich beängstigend und ich hoffe, dass nicht nur Großbritannien - das ist wohl so -, sondern auch die neue amerikanische Administration unter Obama das eingesehen hat.
Barenberg: Noch mal zurück zu dem, was die Bundesregierung tun könnte. Sie haben zwei Stichworte genannt: Steueroasen austrocknen, Manager-Gehälter begrenzen. Da sieht es aber nun so aus, als seien die Vorschläge, die etwa von Bundesfinanzminister Steinbrück kommen, gar nicht konsensfähig in der Großen Koalition. Was trauen Sie dieser Regierung in dieser Hinsicht zu?
Eichel: Das wird man sehen. Ich denke, dass die Union sehr genau überlegen muss, ob sie wirklich sich noch zum Schutzpatron für Steueroasen zum Nachteil, und zwar milliardenteueren Nachteil Deutschlands machen will, denn das wird dann auch Gegenstand einer heftigen Auseinandersetzung im Bundestagswahlkampf werden und das würde der Union nicht gut bekommen. Ich kann ihr dazu nicht raten.
Barenberg: Und Manager-Gehälter begrenzen, wie soll das funktionieren?
Eichel: Das allerschlimmste daran ist, dass sie am kurzfristigen hohen Profit orientiert sind, und das bedeutet etwa bei Bankmanagern, dass sie das genaue Gegenteil dessen, was sie sein sollen, nämlich vorsichtige, mit dem Risiko ganz bewusst umgehende Manager, werden, nämlich Manager, die am hohen Risiko auch ihren hohen Schnitt machen. So ist auch ein großer Teil dieser Finanzkrise, die die Welt ins Unglück stürzen kann, wenn man nicht aufpasst, entstanden. Darüber, glaube ich, gibt es inzwischen weltweit ein relativ hohes Einverständnis. Das wird nicht alle Manager freuen, aber die Regierungen müssen handeln.
Barenberg: Wie wird das konkret aussehen?
Eichel: Das wird konkret so aussehen, denke ich, dass man festlegt, dass Boni nur ein untergeordneter Teil der Vergütung sein dürfen und dass diese Boni auch nicht am kurzfristigen Erfolg orientiert werden, sondern erst nach vier oder fünf Jahren ausgezahlt werden, und dass natürlich nicht nur für gute Ergebnisse etwas gezahlt wird, sondern für schlechte Ergebnisse etwas abgezogen wird, so dass keiner mehr ein Interesse daran hat, nur in einem Jahr einen hohen Gewinn zu machen und im nächsten Jahr rutscht das Unternehmen dann in die Miesen.
Barenberg: Hans Eichel, der frühere Bundesfinanzminister. Vielen Dank für dieses Gespräch.
Eichel: Bitte schön.
Am Telefon ist jetzt Hans Eichel, Mitglied des Bundestages für die SPD und früher Bundesfinanzminister. Einen schönen guten Tag!
Hans Eichel: Guten Tag, Herr Barenberg.
Barenberg: Herr Eichel, welche Themen müssen aus Ihrer Sicht ganz oben auf die Agenda in Davos?
Eichel: Ganz oben auf die Agenda muss die neue globale Finanzarchitektur. Was dort in den letzten Jahrzehnten, aber insbesondere, sagen wir, in den letzten vier, fünf Jahren eingerissen ist, ist überhaupt nicht akzeptabel, kann die Welt tief ins Unglück stürzen. Hier ist eine grundlegende Remedur erforderlich und das Eigenleben der Finanzmärkte gegenüber der Realwirtschaft muss aufhören.
Barenberg: Wie kann eine solche wirksame Regulierung der Finanzwirtschaft aussehen? Welche Elemente muss sie beinhalten?
Eichel: Das Entscheidende ist, dass es überhaupt keine unregulierten Teile mehr geben darf, also keine Offshore-Finanzzentren, wo Hedgefonds sitzen, bei denen keiner weiß, was sie eigentlich treiben, keine Steueroasen wie die Schweiz, wo ja der Davos-Gipfel stattfindet, dass es zweitens diese extremen Profite gar nicht mehr geben kann, weil mit denen extreme Risiken einhergehen - und jetzt haben wir die ganzen Risiken -, es kann nicht auf extreme Profite ausgerichtete Manager-Bezahlung geben (das war eines der ganz großen Probleme), und es muss eine genaue Kontrolle aller Finanzinstrumente auf ihre Risikohaftigkeit hin geben und schließlich eine globale, gegliederte Finanzaufsicht, die dann auch dafür sorgt, dass die Regeln, die für alle gelten müssen, auch durchgesetzt werden.
Barenberg: Wer soll denn zum Beispiel diese Finanzinstrumente, von denen Sie sprechen, kontrollieren? Welche Instanz soll das tun?
Eichel: Am Schluss glaube ich - aber darüber gibt es Streit -, dass der Internationale Währungsfonds für die Welt insgesamt die richtige Adresse ist. Er alleine kann das nicht. Die Expertise sitzt zu einem großen Teil etwa bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel und bei dem Financial Stability Forum. Aber das alles sind Einrichtungen, die nicht die globale Welt repräsentieren, sondern vor allem die Industrieländer, und das eben genügt nicht. Der Internationale Währungsfonds repräsentiert alle Länder dieser Erde. Dort allerdings wird es auch Gewichtsverschiebungen hin zu den Schwellenländern und zu den Entwicklungsländern geben müssen, damit das von allen akzeptiert wird.
Barenberg: Es gibt Signale aus den USA, dass der neue US-Präsident Obama auch in diese Richtung gehen möchte. Es gibt Signale der Bundesregierung, dass sie das auch möchte. Sind sich die entscheidenden Nationen, sind sich Europa und die USA zum Beispiel, jetzt schon einig über den Instrumentenkasten, der dann im nächsten Jahr organisiert werden soll?
Eichel: Das wäre wohl verfrüht, aber es gibt Gott sei Dank gemeinsame Prinzipien, die die G20 beschlossen haben. Die G20, das sind die größten Industrie- und Schwellenländer dieser Erde, übrigens in Berlin 1999 gegründet, und Deutschland hat da eine wesentliche Stimme. Der neue amerikanische Präsident hat einen, der weltweit sehr geachtet ist, für die Systeme, den früheren amerikanischen Notenbankpräsidenten Paul Volcker, zu seinem Berater gemacht. Das stimmt hoffnungsvoll, aber trotzdem wird nicht alles so kommen, wie etwa die Kontinentaleuropäer mit ihrem umfassenden Regulierungsansatz sich das vorstellen.
Barenberg: Es soll im April zum zweiten Mal das Treffen dieser 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen geben, nach dem Treffen in Washington im vergangenen November. Wird es denn in Davos mehr als einen Fingerzeig darüber geben, was dort an Eckpunkten für eine neue Finanzarchitektur zu erwarten ist?
Eichel: Nein, wird es nicht geben, denn die Arbeitsgruppen liefern gerade ihre Berichte an die Staatssekretäre ab. Davos hat insofern eine Bedeutung, als in der Tat man sich dort wieder trifft und Gelegenheit hat, seine gemeinsamen Positionen zu vertiefen, und vor allem eines: das ist bei allem, was wir an Problemen haben, das tröstliche. Es ist das Bewusstsein gewachsen, dass wir es mit einer globalen Krise zu tun haben, bei der es nur noch eine Lösung gibt, wenn alle zusammenarbeiten, und das wird hoffentlich auch die Botschaft von Davos sein.
Barenberg: Mehr Staat soll es sein zur Überwindung dieser Finanz- und Wirtschaftskrise. So weit, glaube ich, besteht Konsens. Aber wie viel mehr Staat? Gibt es für Sie auch Grenzen der Regulierung?
Eichel: Darüber wird es ganz sicher eben die Differenzen geben, denn diejenigen, die bisher grundsätzlich gegen Regulierung durch die Staaten waren, die Vereinigten Staaten und Großbritannien, haben zwar diese Position geräumt, aber wenn es jetzt darum geht, wie viel Regulierung soll es sein, wie scharf soll sie sein, wird dieser alte Gegensatz sicherlich auch wieder auftauchen und man wird mit leichteren Regeln versuchen zu arbeiten - das werden die Amerikaner und werden die Briten sein -, während andere, zum Teil jedenfalls die Schwellenländer und Europa, jedenfalls Kontinentaleuropa, sicher für schärfere Regulierung eintreten werden.
Barenberg: Wird es denn auf mittlere Sicht dann gesehen tatsächlich eine neue globale Finanzarchitektur geben?
Eichel: Das kann man nur hoffen, denn die Vorstellung, nachdem man die Krise überwunden hat, was übrigens noch gar nicht abzusehen ist, könne man dann so weiter machen, diese Vorstellung ist außerordentlich beängstigend und ich hoffe, dass nicht nur Großbritannien - das ist wohl so -, sondern auch die neue amerikanische Administration unter Obama das eingesehen hat.
Barenberg: Noch mal zurück zu dem, was die Bundesregierung tun könnte. Sie haben zwei Stichworte genannt: Steueroasen austrocknen, Manager-Gehälter begrenzen. Da sieht es aber nun so aus, als seien die Vorschläge, die etwa von Bundesfinanzminister Steinbrück kommen, gar nicht konsensfähig in der Großen Koalition. Was trauen Sie dieser Regierung in dieser Hinsicht zu?
Eichel: Das wird man sehen. Ich denke, dass die Union sehr genau überlegen muss, ob sie wirklich sich noch zum Schutzpatron für Steueroasen zum Nachteil, und zwar milliardenteueren Nachteil Deutschlands machen will, denn das wird dann auch Gegenstand einer heftigen Auseinandersetzung im Bundestagswahlkampf werden und das würde der Union nicht gut bekommen. Ich kann ihr dazu nicht raten.
Barenberg: Und Manager-Gehälter begrenzen, wie soll das funktionieren?
Eichel: Das allerschlimmste daran ist, dass sie am kurzfristigen hohen Profit orientiert sind, und das bedeutet etwa bei Bankmanagern, dass sie das genaue Gegenteil dessen, was sie sein sollen, nämlich vorsichtige, mit dem Risiko ganz bewusst umgehende Manager, werden, nämlich Manager, die am hohen Risiko auch ihren hohen Schnitt machen. So ist auch ein großer Teil dieser Finanzkrise, die die Welt ins Unglück stürzen kann, wenn man nicht aufpasst, entstanden. Darüber, glaube ich, gibt es inzwischen weltweit ein relativ hohes Einverständnis. Das wird nicht alle Manager freuen, aber die Regierungen müssen handeln.
Barenberg: Wie wird das konkret aussehen?
Eichel: Das wird konkret so aussehen, denke ich, dass man festlegt, dass Boni nur ein untergeordneter Teil der Vergütung sein dürfen und dass diese Boni auch nicht am kurzfristigen Erfolg orientiert werden, sondern erst nach vier oder fünf Jahren ausgezahlt werden, und dass natürlich nicht nur für gute Ergebnisse etwas gezahlt wird, sondern für schlechte Ergebnisse etwas abgezogen wird, so dass keiner mehr ein Interesse daran hat, nur in einem Jahr einen hohen Gewinn zu machen und im nächsten Jahr rutscht das Unternehmen dann in die Miesen.
Barenberg: Hans Eichel, der frühere Bundesfinanzminister. Vielen Dank für dieses Gespräch.
Eichel: Bitte schön.