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Ehemaliges Forschungsschiff
Wird die "Poseidon" bald zum Rettungsschiff für Flüchtlinge?

Das ehemalige Forschungsschiff "Poseidon" wird versteigert. Mitgeboten hat auch das Bündnis "United4Rescue", dem viele kirchliche Organisationen angehören. Sollte es den Zuschlag bekommen, dann könnte die "Poseidon" schon bald Flüchtlinge im Mittelmeer retten.

Von Johannes Kulms | 29.01.2020
Das ehemalige Forschungsschiff "Poseidon" in Kiel
Das ehemalige Forschungsschiff "Poseidon" eignet sich aufgrund seiner niedrigen Bordwände gut zur Seenotrettung. (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
Am Kieler Ostufer liegt fest vertäut ein Schiff mit dunkelblauem Rumpf. Mehr als vier Jahrzehnte lang ist die "Poseidon" als Forschungsschiff über die Weltmeere gefahren.
Thomas Müller steht auf dem Achterdeck, dem hinteren Bereich der "Poseidon". 1977 ging er erstmals an Bord des 60 Meter langen Schiffes. Später wurde Müller wissenschaftlicher Koordinator für die Forschungsschiffe am Kieler Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung, Geomar.
Thomas Müller war lange Zeit wissenschaftlicher Koordinator für die Forschungsschiffe am Kieler Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung, Geomar.
Thomas Müller kennt die Vorteile des ehemaligen Forschungsschiffes "Poseidon" genau. (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
Seit zehn Jahren ist er in Rente. Nun soll auch die "Poseidon" in den Ruhestand geschickt werden. Zumindest als Forschungsschiff.
"Das Schiff ist eben 44 Jahre alt, der Rumpf und so weiter ist noch in gutem Zustand. Das Schiff hat noch mal fünf Jahre Klasse, also das, was wir bei den Autos TÜV nennen. Aber die Forschungseinrichtungen, die fest an Bord installiert sein müssen, die Winden, die Hebelzeuge, die sind in die Jahre gekommen."
Da eine technische Überholung teuer werden könnte hat sich das Land Schleswig-Holstein als Eigentümer für den Verkauf der "Poseidon" entschieden. An diesem Donnerstag um 13 Uhr endet das Auktionsverfahren über die bundeseigene Verkaufsplattform VEBEG. Wird die "Poseidon" bald Touristen umherschippern? Oder wird sie an die Ölindustrie verkauft? Viele Verwendungen scheinen möglich.
Gute Voraussetzungen für die Seenotrettung
Viel Aufsehen erregt hat das Bündnis "United4Rescue" mit seinem Gebot. Dahinter steht der Trägerverein "Gemeinsam Retten e.V." Er möchte die "Poseidon" gerne schon in wenigen Monaten zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer einsetzen. Bei der Schiffsbesichtigung hat der Vereinsvorsitzende Thies Gundlach festgestellt, dass sich die "Poseidon" dafür sehr gut eignen würde.
"Also, es geht einmal um die Freiflächen, um die niedrigen Bordwände – also, die müssen ja irgendwie rein gehoben werden, die Leute. Es geht um die Möglichkeit, da Krankenstation, Isolierstation, Frauen und Kinder unterzubringen aber auch eine ordentliche Unterbringung der Mannschaft, die da mitfährt."
Thies Gundlach ist Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD. Die Evangelische Kirche Deutschland ist eines von rund 300 Mitgliedern im Bündnis. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund ist darunter, Organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" oder die Band "Revolverheld". Doch die meisten Bündnismitglieder stammen aus dem kirchlichen Umfeld. Gerade viele jüngere Leute fänden die Aktion gut, sagt Thies Gundlach.
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Stefanie Hofstetter, Ärzte ohne Grenzen: Gerettete Menschen sind "sehr dankbar und glücklich"
Aus Seenot gerettete Flüchtlinge seien erst mal sehr dankbar, sagte die Hebamme Stefanie Hofstetter von Ärzte ohne Grenzen im Dlf. Das Erzählen von ihren Erfahrungen begänne dann meist erst später.
"Aber es gibt auch in Gemeinden Vorbehalte, natürlich die Frage ‚Warum macht ihr das, ist das nicht eine staatliche Aufgabe?', was wir auch finden. Es gibt in unserer Kirche dann doch eine intensive Diskussion. Aber eben auch sehr viel Zustimmung. Und manche Sachen sind eben nicht ohne Auseinandersetzung und Diskussion zu haben."
Sollte das Bündnis den Zuschlag kriegen, will es die "Poseidon" der NGO Sea Watch zur Verfügung stellen, die schon lange Flüchtlingsrettung im Mittelmeer organisiert. Die EKD will keine Beiträge aus der Kirchensteuer für die Aktion verwenden, sondern sammelt dafür Spenden. Natürlich könnten einzelne Kirchen, die ebenfalls Mitglied im Bündnis sind, anders entscheiden.
"Also, soweit andere Landeskirchen uns Geld geben aus Kirchensteuermitteln, die sie haben, geben wir das Geld nicht zurück, sondern nehmen sie dann auch dankbar an."
Morddrohungen gegen EKD-Ratsvorsitzenden
Vor wenigen Wochen machte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strom Morddrohungen gegen ihn öffentlich wegen des Engagements der Kirche rund um die "Poseidon". Thies Gundlach hofft auf eine sachliche Diskussion. Hauptanliegen des Bündnisses sei es, Flüchtlinge im Mittelmeer nicht ertrinken zu lassen und Seenotrettung zu entkriminalisieren und ein faires Asylverfahren zu ermöglichen.
"Wir lösen nicht das Migrationsproblem oder die politischen Fragen. Sondern wir wollen einfach ganz konzentriert sagen, das geht nicht an, dass wir Menschen ertrinken lassen um sozusagen einen Pull-Effekt zu vermeiden oder denen deutlich zeigen, dass es keinen Sinn hat, nach Europa zu kommen, das ist zynisch."
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Man werde sich mit den jetzigen Zuständen auf dem Mittelmeer nicht abfinden, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm. Der Zuspruch der Gläubigen für den Erwerb eines Rettungsschiffs sei enorm
Der Zuschlag bei der am Donnerstagmittag endenden Auktion würde grundsätzlich an den Höchstbietenden gehen, heißt es von der bundeseigenen Verkaufsgesellschaft VEBEG. Wobei dies nicht bedeutet, dass der Höchstbietende auch einen Anspruch auf Zuschlagserteilung hat. Es gebe bei dem Verfahren einen kleinen Spielraum deutet das Schleswig-Holsteinische Wissenschaftsministerium an, etwa wenn die zwei höchsten Gebote nahe beieinander liegen.
Eka von Kalben, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kieler Landtag, würde sich freuen, wenn die "Poseidon" bald zur Flüchtlingsrettung eingesetzt würde.
"Ich hoffe, dass das auf das Land Schleswig-Holstein positiv zurückfällt. Ich bin selber in der Kirche und überzeugte Christin und finde es super, wenn man Menschen das Leben rettet."
Die CDU-Landtagsfraktion wollte sich auf Anfrage zu dem Thema nicht äußern. Anders Thomas Müller, der früher für die Geomar-Meeresforschung auch die Fahrten der "Poseidon" mit vorbereitet hat und jetzt in Rente ist. Ein Einsatz zur Flüchtlingsrettung könne sinnvoll sein, findet der 74-Jährige:
"Aber es birgt auch gewisse Gefahren, das ist meine persönliche Meinung dazu. Es birgt ja auch die Gefahr, des Sogs, den man erzeugt…"
"Sie meinen, wenn so Schiffe eingesetzt werden…"
"Ja sicher. ‚Wir werden schon gerettet‘ könnte dann dahinter stehen. Und das will ich nicht. Ich will aber auch nicht, dass die Menschen absaufen. Ich möchte, dass die Menschen sich gar nicht erst auf den Weg machen."