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"Eher klotzen statt kleckern"

Der Chefvolkswirt der Deka Investment Bank, Ulrich Kater, beurteilt die Maßnahmen der amerikanischen Zentralbank als "vollkommen angemessen" und keineswegs übertrieben. Es könne sogar sein, dass noch weitere Maßnahmen nötig würden, um die Krise in den Griff zu bekommen. Die US-Notenbank hatte angekündigt, nochmals über eine Billion Dollar in die Finanzmärkte pumpen zu wollen.

Ulrich Kater im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Christoph Heinemann Die US-Notenbank hat in dieser Woche angekündigt, nochmals über eine Billion Dollar in die Finanzmärkte pumpen zu wollen, um die lahmende Wirtschaft in Gang zu bringen. Die Fed stellt für verschiedene Maßnahmen zusätzlich insgesamt bis zu 1,15 Billionen Dollar - das sind umgerechnet rund 880 Milliarden Euro - zur Verfügung. Belastete Wertpapiere sollen gekauft werden und der Kauf von Staatsanleihen soll Kredite für Unternehmen erleichtern und auf diese Weise Investitionen fördern.

    Mein Kollege Mario Dobovisek hat Ulrich Kater gefragt, den Chefvolkswirt der Deka Investmentbank, ob er dies für den richtigen Schritt halte.

    Ulrich Kater: Wir befinden uns, was die amerikanische Geldpolitik anbetrifft, in einem großen Experiment. Die Fed versucht, die Fehler, die bei anderen Bankenkrisen in der Vergangenheit festgestellt worden sind, zu umgehen und das bedeutet, dass sie die fehlende Funktionsfähigkeit des amerikanischen Bankensektors direkt ersetzt. Das tut sie durch eine Reihe von Programmen, bei denen sie den Bankensektor umgeht, um mehr oder weniger direkt an die Unternehmen Kredite auszuleihen. Diese Programme sind noch einmal aufgestockt worden jetzt.

    Zusätzlich kauft die Fed Staatsanleihen an, um das Zinsniveau auch in diesem Markt niedrig zu halten. Insgesamt sind das wichtige Maßnahmen, die man aus der Vergangenheit auch nicht kennt. Sie sind der Schwere dieser Verwerfungen im Bankensektor, der Bankenkrise vollkommen angemessen. Im Gegenteil: Es gibt natürlich Unsicherheit darüber, ob das Ausmaß dieser Maßnahmen ausreichend ist, um diese Krise in den Griff zu kriegen.

    Mario Dobovisek: Aber hätte man nicht erst mal abwarten müssen, ob die fast Null-Zins-Politik der Notenbank nun greift oder nicht?

    Kater: Ja, so könnte man denken. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen aber auch, dass keine Zeit zu verlieren ist. Wir denken insbesondere an die japanischen Erfahrungen in den 90er-Jahren, wo die Probleme verschleppt wurden - aus jetzt anderen Gründen als aus Unwissenheit, sondern es waren politische Gründe, dass man zu keinen durchgreifenden Maßnahmen kam - und es zeigt sich eben, dass bei einer Verschleppung der Bankenproblematik die Wirtschaft dauerhaft negative Erwartungen aufbauen kann, die eben bis zu einer Deflationsentwicklung geht, und das ist unter allen Umständen zu vermeiden, weil je länger man diese Erwartungen aufbaut, je stärker sie sich verhärten, desto schwieriger wird es, da rauszukommen. Das bedeutet für die Politikmaßnahmen, eher klotzen statt kleckern, weil ein anderer Kurs unter Umständen noch teuerer wird.

    Dobovisek: Der Staat macht Schulden und kauft sich dann die Schulden im Grunde ja wieder selber ab mit den Staatsanleihen. Woher kommt das Geld? Wird das jetzt tatsächlich, um es platt auszudrücken, neu gedruckt?

    Kater: Ja, es wird neu gedruckt. Die Verantwortlichkeiten für Kreditausfälle sind mehrheitlich beim amerikanischen Finanzministerium. Das ist allerdings auch schnell wieder rückgängig zu machen, und genau davon hängt es ab, ob die Konsequenzen inflationär sein werden. Wir können jetzt ziemlich sicher sagen, dass unser Hauptgegner die Deflation ist, und erst wenn die Wirtschaft wieder besser ausgelastet ist, das heißt also, wenn die Bankenkrise sich dann auch dem Ende neigt, dann kommt es auf die Reaktion der amerikanischen Notenbank an, dieses Geld auch wieder schnell abzusaugen.

    Die technischen Mittel sind da. Das sind zum großen Teil befristete Bereitstellungen von Geld, die auch automatisch wieder auslaufen. Wenn man sie nicht verlängert, dann verringert sich automatisch die Geldmenge dann schon. Es hängt natürlich auch von der Menge ab an neuem Geld, welches aufgebaut wird.

    Dobovisek: Ja, und die ist ja schon enorm, denn seit einem Jahr hat sich die Geldmenge laut offiziellen Statistiken in den USA ja mehr als verdoppelt. Und wenn man sich dann vielleicht zurückerinnert an die Grundkurse in der Schule oder an der Universität, dann heißt das, wenn sich die Geldmenge verdoppelt, damit entwertet sich natürlich auch das andere Geld. Warum ist das jetzt ein guter Schritt?

    Kater: Man muss schauen, welches Geld sich verdoppelt hat. Es hat sich das unmittelbar den Banken bereitgestellte Geld verdoppelt. Das heißt aber nicht, dass dieses Geld auch vollständig den Wirtschaftskreislauf erreicht. Das ist ja genau das Problem: Banken parken eher jetzt Geld, dieses vermehrte Geld führt eben über das Bankensystem zumindest nicht zu einer gleich großen Kreditvergrößerung. Das ist ja genau das Problem oder das, was man ja auch gegenwärtig anheizen möchte.

    Das heißt also, auch in Europa wird viel Geld eher gehortet. Dieses Geld ist nicht unbedingt zahlungswirksam. Es würde zahlungswirksam werden und den Wirtschaftskreislauf erreichen, wenn die Probleme im Bankensektor nicht mehr da wären und die Wirtschaft eben wieder besser ausgelastet wird. Dann muss es eben auch wieder schnell abgesaugt werden.

    Dobovisek: Zinssenkungen, der Kauf von Wertpapieren und Staatsanleihen, welche Möglichkeiten hat eine Notenbank noch, um in der Krise zu reagieren?

    Kater: Das sind die wesentlichen Punkte. Die Fed hat zu dem ungewöhnlichen Instrument der Geldmengenausweitung gegriffen. Das ist genau das, was ihr jetziger Chef, Herr Bernanke, in seinem vorigen Leben als Akademiker auch untersucht und für eine solche Situation auch empfohlen hat.

    Jetzt hat er die Gelegenheit, dieses auch umzusetzen, wobei die Fed auch versucht, die Fehler, die die japanische Notenbank Ende der 90er-Jahre machte bei einer ähnlichen Politik, zu vermeiden. Das bedeutet eben, diese Politik noch besser zu machen - und die quantitativen Limite nach oben existieren nicht. Das heißt also, die Fed ist in der Lage, diese Instrumente breit und lange, so lange, wie es notwendig ist, anzuwenden.

    Dobovisek: Hat denn damit die Fed, die US-Notenbank sozusagen ihr letztes Pulver verschossen?

    Kater: Nein. Das letzte Pulver ist nicht verschossen, weil die Maßnahmen zum sogenannten "Credit Easing", das heißt die Produktion von Geld, mehr oder weniger unlimitiert sind.

    Dobovisek: Aber was denken Sie, Herr Kater: Warum greift die US-Notenbank gerade jetzt zu diesem Schritt, ohne eben abzuwarten, um noch mal auf den Punkt von vorhin zurückzukommen. Sehen die Währungshüter in den USA vielleicht eine neue Dimension der Wirtschaftskrise voraus, die der Markt noch gar nicht im Blick hat?

    Kater: Nein, ich denke, die amerikanische Wirtschaft reagiert auf das, was auch an Daten eingelaufen ist. Wir haben das Statement des amerikanischen Zentralbankrates ja ansehen können. Und hier sind die Belastungsfaktoren für die Konjunktur doch stärker hervorgehoben, als das vorher gewesen ist, für die Konsumausgaben, die Unternehmerinvestitionen. Der Ausblick ist als schwach eingeschätzt worden. Das war in den letzten Statements nicht der Fall. Aber das ist die Reaktion auf die Daten, die wir bekommen haben. Nun haben wir allerdings in einigen Daten auch eine Bodenbildung, das heißt also, die Geschwindigkeit dieses Absturzes wird wahrscheinlich jetzt aufhören, das heißt also, wir können uns langsam wieder konjunkturell auch nach oben arbeiten. Ich glaube nicht, dass die Fed andere Konjunkturaussichten hat, aber sie hat natürlich ein Bewusstsein dafür, wie schwierig und komplex die Probleme im Bankensektor sind, welche hohen Volumina an problematischen Krediten in dem Bankensektoren gerade in Amerika noch stecken. Und ich denke, vor diesem Hintergrund ist das zu sehen, dass sich die Fed massiv gegen ein Austrocknen des Kredits für die Wirtschaft stemmt.

    Heinemann: Mein Kollege Mario Dobovisek im Gespräch mit Ulrich Kater, dem Chefvolkswirt der Deka Investmentbank.