Donnerstag, 18. April 2024

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Eichenprozessionsspinner
Luftangriff der Fadenwürmer gescheitert

Der Eichenprozessionsspinner ist eine Schmetterlingsart, deren Raupen Brennhaare abwerfen, die auch bei Menschen toxische Reaktionen auslösen können. Eingedämmt werden sollte ihre Ausbreitung auch mit einem biologischen Mittel, etwa mit Fadenwürmern - aber das hatte nicht den gewünschten Effekt.

Von Volker Mrasek | 03.07.2017
    Raupen des Eichen-Prozessionsspinners an einem Eichenstamm
    Raupen des Eichen-Prozessionsspinners an einem Eichenstamm (dpa/ZB/Patrick Pleul)
    "Auf geht’s!" - "Wir fahren mit dem Hubsteiger nach oben in die Eichenkrone." - "Das sind 150-jährige Eichen, da kommen wir sonst nicht hoch."
    So erhebend kann Waldarbeit sein: Auf einer Bühne geht es hinauf ins Kronendach, bis in 30 Meter Höhe.
    "Es ist ein bisschen wie auf einem Schiff bei etwas Seegang."
    Forstwissenschaftler wie Rainer Hurling schwingen sich deshalb in die Kronendächer auf, weil dort oben ein potenter Schädling haust: der Eichenprozessionsspinner. Die Raupen dieser Schmetterlingsart bauen große Gespinstnester in den Baumwipfeln. Dort tummeln sich dann Tausende von ihnen wie jetzt im Frühsommer und fressen die Eichen kahl. Geschieht das öfter, gehen die Waldbäume zugrunde.
    Biologische Schädlingsbekämpfung mit Tücken
    "Hier wird jetzt Wasser mit dem Sprühmittel vermischt. Und mit der Pumpe wird der Hubschrauber befüllt."
    Im Kampf gegen die gefräßigen Insekten wurde in den letzten drei Jahren ein neuer Ansatz erprobt. In einem Forschungsprojekt der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen. Auch Rainer Hurling war daran beteiligt. Hubschrauber-Piloten besprühten die Kronen befallener Eichen mit Nematoden. Das sind winzige Fadenwürmer, die im Boden leben:
    "Diese beiden Arten haben von Natur aus nicht miteinander zu tun. Es konnte aber bereits in Laborversuchen gezeigt werden: Wenn man diese Nematoden-Art an die Raupe heranbringt, dann ist der Nematode in der Lage, in die Raupe einzudringen."
    Umbringen will er das Insekt eigentlich nicht. Nur sich darin vermehren!
    "Die Nematoden bringen wiederum ein Bakterium mit, das ein Toxin produziert, das in der Raupe tödlich wirkt."
    Doch diese Art der biologischen Schädlingsbekämpfung hat ihre Tücken, wie sich für Rainer Hurling bei der Auswertung der Hubschrauber-Sprühaktionen zeigte:
    "Die Wirkung im Labor war äußerst zufriedenstellend. Eine praktisch hundertprozentige Wirkung an Raupen des Prozessionsspinners. In den Eichenkronen selbst war die Wirkung schlecht. Wir haben so durchschnittliche Wirkungsgrade von nur drei Prozent erreicht. Das ist natürlich keine Wirkung, die irgendetwas ändert an der Verbreitung des Eichenprozessionsspinners."
    Probleme mit der Tröpfchengröße
    Die Hoffnung war eigentlich, ein neues biologisches und umweltverträgliches Mittel in die Hand zu bekommen, das nicht langwierig zugelassen werden muss:
    "Die Nematoden gelten als Makroorganismen und sind damit nach derzeitigem Recht überhaupt keine Pflanzenschutzmittel. Die können Sie so anwenden."
    Nur leider floppten alle Versuche im Freiland! Einer der Gründe: Die Raupen neigen dazu, sich an bestimmten Stellen im Kronendach zu knubbeln. Dort trifft dann zu wenig Spritzbrühe auf, und nur auf wenigen Tieren landen tatsächlich Fadenwürmer, die dort oben schnell austrocknen, wenn sie nicht zügig einen Wirt finden. Ein Problem ist auch die Tröpfchengröße. Sie übertrifft die von anderen Sprühmitteln:
    "Das hat einfach damit zu tun, dass sonst gar keine Nematoden in diese Tröpfchen reinpassen. Und große Tropfen kommen mit großer Energie in der Krone an, prallen relativ leicht von Blättern und Raupenkörpern wieder ab."
    Bio-Wurmwaffe soll verbessert werden
    Doch die Forstwissenschaftler werfen die Flinte nicht ins Korn. Sie planen ein Anschlussprojekt und haben Ideen, wie sie die Wirkung ihrer Bio-Wurmwaffe vielleicht verbessern könnten: durch den Zusatz bestimmter Silikate und Gele im Spritzmittel:
    "Die haben gewisse Hafteigenschaften. Die haben zusätzlich auch die Eigenschaften, einen gewissen UV-Schutz für die Nematoden zu liefern. Denn Nematoden, die aus dem Boden kommen, sind ausgesprochen UV-empfindlich."
    Ein Erfolg wäre wünschenswert. Der wärmeliebende Eichenprozessionsspinner werde sich weiter ausbreiten, sagt Hurlings Kollege Pavel Plasil. Und der Forstwirtschaft gingen die Bekämpfungsmittel aus. Es gebe nur noch zwei. Ein chemisches, "das ist jetzt bis 2018 zugelassen." Und ein biologisches. Es enthält Bacillus thuringiensis, ein Bakterium, das die Raupen beim Blattfraß aufnehmen. Das Präparat wirkt aber nicht so gut, wenn es draußen feucht ist.
    "Das ist quasi bis 2021 zugelassen für diese Luftfahrzeug-Ausbringung. Natürlich stellt man sich die Frage: Was passiert danach?"
    Die Forstexperten hoffen, dass es mit ihren Nematoden bis dahin doch noch klappt. Und Hubschrauber spätestens dann eine neue Biowaffe gegen den Eichenprozessionsspinner versprühen können.