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Eilrich: Die IG-Metall steht nicht vor der Spaltung

    Engels: Normalerweise setzen sich Gewerkschaftsfunktionäre nur dann in Marathonsitzungen zusammen, wenn auf der anderen Seite des Tisches die Arbeitgeber Platz genommen haben und man gemeinsam um einen Tarifvertrag ringt. Gestern bis tief in die Nacht hat die IG Metall bewiesen, dass sie so etwas auch ganz ohne Arbeitgeber schafft. Der Macht- und Richtungskampf zwischen den Lagern um IG Metall-Chef Klaus Zwickel einerseits und seinem Vize Jürgen Peters andererseits ist auch nach mehr als zwölf Stunden Sitzung nicht entschieden. Die ganzen Stunden mit dabei war auch Claus Eilrich, seit Jahren Pressesprecher der IG Metall. Er ist heute Morgen am Telefon. Guten Morgen Herr Eilrich!

    Eilrich: Guten Morgen Frau Engels.

    Engels: Wie würden Sie die Stimmung gestern in der Sitzung beschreiben?

    Eilrich: Nach dem, was wir in den vergangenen Tagen erlebt haben, nach der Streikniederlage im Arbeitskampf Ost, war das gestern eine Vorstandssitzung, die geprägt war durch eine sehr offene, sehr kontroverse und man muss sagen leider insgesamt ohne Ergebnis gekennzeichnete Diskussion.

    Engels: Wie wird das denn nun weitergehen? Vorschläge lagen ja auf dem Tisch. Da war die Rede davon, dass entweder das Duo, also Zwickel und Peters zurücktreten. Es war die Rede davon, dass der gesamte Vorstand zurücktritt. Beides hat ja wohl Jürgen Peters abgelehnt. Welche Chancen bleiben jetzt?

    Eilrich: Ja, der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, hat zwei Lösungsvorschläge gemacht. Er hat vorgeschlagen, er als Vorsitzender der IG Metall übernimmt die Gesamtverantwortung für den Vorstand und der zweite Vorsitzende Jürgen Peters übernimmt die spezifische Verantwortung als das für Tarifpolitik zuständige Vorstandsmitglied. Für diesen Vorschlag gab es keine Mehrheit und keine ausreichende Unterstützung im Vorstand, auch nicht durch Jürgen Peters, und auch den Vorschlag, den der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von VW, Klaus Volkert, gemacht hat, zu sagen, dann muss in dieser schwierigen Situation der gesamte Vorstand Verantwortung übernehmen und zurücktreten, auch dieser Vorschlag ließ sich nicht realisieren. Das heißt es bleibt im Moment dabei: Wir gehen in den Gewerkschaftstag zunächst einmal ohne einen Personalvorschlag, weil die ursprünglich angedachte Tandemlösung, die Zwickel-Nachfolge sollte Jürgen Peters übernehmen und neuer zweiter Vorsitzender sollte Berthold Huber aus Baden-Württemberg werden, diese Tandemvorschlag steht nicht mehr. Der Vorstand muss jetzt in den nächsten Wochen einen neuen Vorschlag machen und dann muss die Basis, dann müssen die Delegierten des Gewerkschaftstages eine Entscheidung treffen.

    Engels: Das heißt es gibt auch keinen Beschluss darüber, vielleicht noch mal als Vorstand weiterzutagen, weil der Gewerkschaftstag, den Sie ansprechen, ist ja erst im Herbst?

    Eilrich: Natürlich, der Vorstand tagt weiter. Der Vorstand tagt heute Morgen ab neun Uhr weiter. Da geht es aber vorrangig nicht um die Personalfrage, sondern der Vorstand muss insgesamt den Gewerkschaftstag im Oktober in Hannover vorbereiten. Der Vorstand muss sich beschäftigen mit 600 Anträgen und Entschließungen, die dem Gewerkschaftstag aus der gesamten Organisation vorliegen. Das wird heute weiter behandelt. Ich gehe davon aus, dass dieser neue Personalvorschlag für den Gewerkschaftstag nicht heute gemacht wird, sondern entweder in der regulären nächsten Sitzung am 1. September, oder wir müssen dort noch eine Zwischenlösung finden.

    Engels: Zwischenlösung, könnte das möglicherweise auch einen Interimskandidaten bedeuten, also einen Zwischenvorsitzenden, der diese Zeit bis zum Gewerkschaftstag überbrückt?

    Eilrich: Ich glaube nicht, dass das in der jetzigen Situation Sinn macht. Dieser Versuch ist ja gestern gemacht worden mit den Vorschlägen, die Klaus Zwickel eingebracht hat. Diese Vorschläge ließen sich in der vergangenen Nacht nicht realisieren.

    Engels: Wurden auch Namen genannt, wer das hätte machen sollen?

    Eilrich: Wir haben uns nicht über Namen unterhalten, weil Voraussetzung wäre gewesen, dass es dafür eine Realisierungschance gibt. Die gab es in der vergangenen Nacht nicht. Von daher muss man auch sehen: der Gewerkschaftstag der IG Metall findet Mitte Oktober in Hannover statt. Es ist also nicht mehr eine ganz lange Strecke. Wir haben formal einen Vorstand, der im Amt ist, der die Geschäfte weiter führt, und wir müssen jetzt sehr schnell schauen, dass wir den Delegierten einen Lösungsvorschlag entwickeln, der dann von der Basis auch mitgetragen wird.

    Engels: Sie sagen, die Zeit wäre nicht mehr lang. Das mag den Mitgliedern aber durchaus so vorkommen. Droht denn die Spaltung der IG Metall?

    Eilrich: Nein. Ich sehe nicht, dass die Spaltung der IG Metall droht. Es gibt unbestreitbar - das hat ja jeder wahrnehmen können in den vergangenen Tagen - unterschiedliche politische Strömungen, aber das ist überhaupt kein Wunder in einer so riesigen Organisation, wie es die IG Metall ist mit 2,6 Millionen Mitgliedern. Ich glaube es denkt auch keiner in die Zielrichtung einer Spaltung. Das ist kein Thema, sondern wir haben uns nach der Streikniederlage im Osten eine große tarifpolitische Niederlage eingehandelt. Die muss aufgearbeitet werden und wir müssen die offenen Führungsfragen klären. Ich gehe aber davon aus, dass dies der IG Metall auch gelingen wird.

    Engels: Claus Eilrich war das. Seit Jahren ist er Pressesprecher der IG Metall. Ich bedanke mich für das Gespräch heute Morgen.

    Link: Interview als RealAudio