Jürgen Liminski: Gestern haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute den deutschen Wohlstandsbürger in den Abgrund schauen lassen: Sechs Prozent Schrumpfung, mehr als vier Millionen Arbeitslose. Das übertrifft selbst die pessimistische Prognose des Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Norbert Walter, vor einigen Tagen. Und schon wird wieder verglichen mit der Großen Depression vor 80 Jahren und dabei vergessen, dass das Wohlstandsniveau um ein Zigfaches über dem vor 80 Jahren liegt. Was immer man vergleicht, die Lebenserwartung, die Qualität des Essens, das Bildungsniveau, die Wohnsituation, der industrielle Kapitalstock, wir leben geradezu dramatisch viel reicher als die Generation von 1929 und schrumpfen deshalb auf sehr hohem Niveau, dem höchsten, das uns die Weltgeschichte je beschert hat. Auf die Frage meines Kollegen Detlef Karg, ob er, Norbert Walter, sich durch die Prognosen nun bestätigt sehe, sagte der Chefvolkswirt gestern Abend hier im Deutschlandfunk:
Norbert Walter: Bei einer so schwierigen krisenhaften Situation, einem Menschen, der so emotional mit dem eigenen Land verbunden ist, sind solche Gefühle einfach falsch und ich habe sie auch nicht. Aber ein bisschen stolz bin ich doch schon, dass ich frühzeitig, obwohl ich wusste, dass ich politischen und auch Gegenwind aus der Wirtschaft haben würde, damals unerschrocken das, was man damals plausibel schon erläutern konnte, auch gesagt habe.
Detlef Karg: Sie sprechen ja von Plausibilität, Sie sind ein Wissenschaftler, es gibt noch eine ganze Reihe anderer Wissenschaftler, die sich mit solchen Prognosen beschäftigen. Haben die das damals nicht gesehen, oder nicht sehen wollen?
Walter: Dazu müsste ich in das Herz dieser Menschen reinschauen können. Das kann ich nicht. Aber es war jetzt eben doch schon das vierte Mal in meiner Prognostikerkarriere so, dass ich gerade in Zeiten des Umbruchs, früher als andere diesen Umbruch identifiziert habe und auch wagte, es öffentlich wirksam zu sagen. Ich kann mir vorstellen, dass einige solche Erkenntnisse auch haben, aber beispielsweise in Umgebungen arbeiten, in denen man dann nicht frei ist, solche Aussagen auch unmittelbar zu machen. Ich habe zwar auch nicht immer liebevolle Streicheleinheiten in der eigenen Einheit bekommen für solche Aussagen, aber es wurde toleriert, dass ich solche unbequemen Aussagen gemacht habe und mache.
Karg: Aber was macht denn Ihrer Ansicht nach mehr Sinn, zunächst nicht zu schwarz zu malen und die Leute ruhig zu halten, oder gleich die ganze knallharte Wahrheit auf den Tisch zu legen?
Walter: Wissenschaftler haben dazu ganz eindeutig keine Alternative. Wissenschaftler müssen dann, wenn sie eine Erkenntnis gewinnen, damit sofort allen Informationen geben. Eine andere Haltung ist undenkbar für einen Wissenschaftler.
Karg: Jetzt kommt das Frühjahrsgutachten und es spricht von sechs Prozent weniger Wirtschaftswachstum. Jetzt macht man also den Schritt, weil er gar nicht mehr anders zu machen ist?
Walter: Ich habe früher dann auch schon gallige Bemerkungen zu dem gemacht, was in der Öffentlichkeit dann abläuft, und gesagt, immer dann, wenn die Rezession da war, können wir auch feststellen, dass sie da ist. Dann ist es aber natürlich zu spät. Jetzt ist es in der Tat deutlich, dass sowohl im dritten Quartal des letzten Jahres der Abschwung deutlich begann, im vierten Quartal sich dramatisch beschleunigte und jetzt kommt mit dem Jahresanfangsquartal eine noch stärkere Abwärtsbewegung dazu. Mit dem, was wir jetzt bereits erreicht haben, ist im Grunde schon das gesamte ungünstige Ergebnis für das Jahr 2009 im Vorjahresvergleich festgelegt. Jetzt ist es im Grunde dann natürlich auch kein Erkenntnisgewinn mehr, wenn man das, was statistisch praktisch schon vorliegt, dann auch der Öffentlichkeit mitteilt.
Karg: Wir müssen jetzt aber im Umkehrschluss nicht damit rechnen, dass wir jetzt von sechs Prozent hören und das dann vielleicht zehn Prozent werden?
Walter: Die Wahrscheinlichkeit dafür ist so gering, dass ich das ausschließen würde, aber komplett unmöglich ist es natürlich nicht - nicht zuletzt auch deshalb, weil Statistiken über die Vergangenheit oftmals noch revidiert werden und diese Revisionen für das erste Quartal beispielsweise könnten dann das Bild für das Gesamtjahr noch immer von dem jetzigen Wert verändern. Aber meine Prognose ist das nicht. Ich habe meine eigene Prognose von Minus fünf nicht korrigiert. Ich sehe auch im Moment keinen Anlass dazu, denn es könnte sein, dass durch die Entwicklungen, die man international sieht, und die Entwicklungen, die durch die niedrigeren Rohstoffpreise, durch die niedrigeren Zinsen und die dann doch langsam wirksam werdenden Konjunkturprogramme für das zweite Halbjahr abzusehen sind, diese Zahl erreicht werden kann und für das nächste Jahr auch so etwas wie ein minimales Plus beim Sozialprodukt.
Liminski: Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, gestern Abend im Gespräch mit meinem Kollegen Detlef Karg.
Norbert Walter: Bei einer so schwierigen krisenhaften Situation, einem Menschen, der so emotional mit dem eigenen Land verbunden ist, sind solche Gefühle einfach falsch und ich habe sie auch nicht. Aber ein bisschen stolz bin ich doch schon, dass ich frühzeitig, obwohl ich wusste, dass ich politischen und auch Gegenwind aus der Wirtschaft haben würde, damals unerschrocken das, was man damals plausibel schon erläutern konnte, auch gesagt habe.
Detlef Karg: Sie sprechen ja von Plausibilität, Sie sind ein Wissenschaftler, es gibt noch eine ganze Reihe anderer Wissenschaftler, die sich mit solchen Prognosen beschäftigen. Haben die das damals nicht gesehen, oder nicht sehen wollen?
Walter: Dazu müsste ich in das Herz dieser Menschen reinschauen können. Das kann ich nicht. Aber es war jetzt eben doch schon das vierte Mal in meiner Prognostikerkarriere so, dass ich gerade in Zeiten des Umbruchs, früher als andere diesen Umbruch identifiziert habe und auch wagte, es öffentlich wirksam zu sagen. Ich kann mir vorstellen, dass einige solche Erkenntnisse auch haben, aber beispielsweise in Umgebungen arbeiten, in denen man dann nicht frei ist, solche Aussagen auch unmittelbar zu machen. Ich habe zwar auch nicht immer liebevolle Streicheleinheiten in der eigenen Einheit bekommen für solche Aussagen, aber es wurde toleriert, dass ich solche unbequemen Aussagen gemacht habe und mache.
Karg: Aber was macht denn Ihrer Ansicht nach mehr Sinn, zunächst nicht zu schwarz zu malen und die Leute ruhig zu halten, oder gleich die ganze knallharte Wahrheit auf den Tisch zu legen?
Walter: Wissenschaftler haben dazu ganz eindeutig keine Alternative. Wissenschaftler müssen dann, wenn sie eine Erkenntnis gewinnen, damit sofort allen Informationen geben. Eine andere Haltung ist undenkbar für einen Wissenschaftler.
Karg: Jetzt kommt das Frühjahrsgutachten und es spricht von sechs Prozent weniger Wirtschaftswachstum. Jetzt macht man also den Schritt, weil er gar nicht mehr anders zu machen ist?
Walter: Ich habe früher dann auch schon gallige Bemerkungen zu dem gemacht, was in der Öffentlichkeit dann abläuft, und gesagt, immer dann, wenn die Rezession da war, können wir auch feststellen, dass sie da ist. Dann ist es aber natürlich zu spät. Jetzt ist es in der Tat deutlich, dass sowohl im dritten Quartal des letzten Jahres der Abschwung deutlich begann, im vierten Quartal sich dramatisch beschleunigte und jetzt kommt mit dem Jahresanfangsquartal eine noch stärkere Abwärtsbewegung dazu. Mit dem, was wir jetzt bereits erreicht haben, ist im Grunde schon das gesamte ungünstige Ergebnis für das Jahr 2009 im Vorjahresvergleich festgelegt. Jetzt ist es im Grunde dann natürlich auch kein Erkenntnisgewinn mehr, wenn man das, was statistisch praktisch schon vorliegt, dann auch der Öffentlichkeit mitteilt.
Karg: Wir müssen jetzt aber im Umkehrschluss nicht damit rechnen, dass wir jetzt von sechs Prozent hören und das dann vielleicht zehn Prozent werden?
Walter: Die Wahrscheinlichkeit dafür ist so gering, dass ich das ausschließen würde, aber komplett unmöglich ist es natürlich nicht - nicht zuletzt auch deshalb, weil Statistiken über die Vergangenheit oftmals noch revidiert werden und diese Revisionen für das erste Quartal beispielsweise könnten dann das Bild für das Gesamtjahr noch immer von dem jetzigen Wert verändern. Aber meine Prognose ist das nicht. Ich habe meine eigene Prognose von Minus fünf nicht korrigiert. Ich sehe auch im Moment keinen Anlass dazu, denn es könnte sein, dass durch die Entwicklungen, die man international sieht, und die Entwicklungen, die durch die niedrigeren Rohstoffpreise, durch die niedrigeren Zinsen und die dann doch langsam wirksam werdenden Konjunkturprogramme für das zweite Halbjahr abzusehen sind, diese Zahl erreicht werden kann und für das nächste Jahr auch so etwas wie ein minimales Plus beim Sozialprodukt.
Liminski: Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, gestern Abend im Gespräch mit meinem Kollegen Detlef Karg.