"Der Teppich ist ja ein riesig langes Monument, 70 Meter lang, kaum vorstellbar. Er ist vermutlich kurz nach der Eroberung von England, nach 1066, angefertigt worden, ein schmaler, langer Bildteppich, im Grunde ein ganz früher Comic, der ja nicht nur die Bilder zeigt, sondern: Die Bilder sind ja auch mit lateinischen Texten hinterlegt. Diese Texte erzählen und erläutern, was dort passiert."
Professor Egon Warmers, leitender Direktor des Archäologischen Museums in Frankfurt am Main, ist in seinem Element. Die Wikingerzeit begeistert den Mittelalterarchäologen besonders. Und bevor es mit der Geschichte der letzten großen Wikingerschlacht richtig losgeht, stehen die Museumsbesucher erst mal vor einer großen Segelwand.
"Wir beginnen die Ausstellung im Foyer des Archäologischen Museums mit einer Inszenierung zum Thema Wikingerschiffe. Das Schiff war ein zentrales Werkzeug für die Fortbewegung, insbesondere in der Wikingerzeit, aber es diente auch als Waffe, indem man nämlich mit diesen Wikingerschiffen zu Eroberung- und Plünderungszügen, aber auch zu Handelsfahrten unterwegs war."
In einem Schaukasten sieht man das Modell eines Wikingerschiffes, auf dem Boden liegt ein großer Anker.
"Wir haben hier diesen großen, eisernen Anker, massiv geschmiedet mit einem Querbalken zur Halterung. An diesem Anker hängt eine sieben, acht Meter lange Kette aus großen, ovalen Gliedern. Man sieht daran: Es sind wirklich praktische Geräte gewesen, die den Wikingern, den Nordleuten, die Möglichkeiten verschaffen sollten, mit diesen Schiffen nicht nur zu segeln, sondern sie auch vernünftig zu ankern und zu handhaben."
Die Wikinger sind im achten, neunten und zehnten Jahrhundert die führende Seefahrernation in Europa. Aus Skandinavien kommend, segeln sie an die englische Küste, erobern das reiche Irland, plündern Hamburg und Köln - und landen und leben schließlich auch in der Normandie. Hier beginnt dann die Geschichte des Teppichs. Es gibt vier Hauptpersonen, um die sich die Ereignisse ranken und die an ihrer Kleidung und Haartracht gut zu erkennen sind:
"Es ist einmal der englische König Edward, Edward der Bekenner. Dann haben wir Jarl Harald Godwinson, der später dann für kurze Zeit König wird. Wir haben den eigentlichen Helden des Teppichs, das ist Wilhelm der Eroberer, einer der normannischen Herzöge aus der Normandie, und dann seinen Bruder, seinen Halbbruder Odo, Bischof von Bayeux."
Bis in die Details geht die Abbildung der einzelnen Personen auf dem Teppich.
"Man trug jetzt schon eine gemeineuropäische Kleidung. Das waren Hosen, das waren Wämse, die in der Mitte gegürtet wurden. Darüber trug man einen großen Mantel, der mit einer Fibel an der Brust oder an der Schulter gehalten wurde. Viele Menschen glauben, wenn wir in die Wikingerzeit zurückgehen, dann haben alle schwarze oder graue Kleider an, aber das ist gar nicht war."
... ergänzt Vivian Etting, Historikerin am Dänischen Nationalmuseum, denn die Stoffe waren
"... durchaus bunt gefärbt gewesen mit den natürlichen Farbstoffen, die man damals zur Verfügung hatte. Wir haben auch sehr oft Goldfäden, Brokat. Wir haben importierte Seide, die verwendet worden ist. Also die Prunksucht in der damaligen Zeit war genauso groß wie heute."
Was an den dargestellten normannischen Protagonisten besonders auffällt: Sie waren
"... glatt rasiert im Gesicht, den Nacken hoch ausrasiert und vorne das Haar in die Stirn spitz gekämmt, also eine im Grunde sehr brutal wirkende Haartracht, die mit dem kahlrasierten Nacken ein bisschen an unsere Skins heute erinnern lässt. Die Engländer dagegen haben eine kappenartige Frisur, auch kurz geschnitten. Und sie haben ebenfalls ein glatt rasiertes Gesicht, haben aber einen leichten Schnauzbart, der wie so ein Fahrradlenker aussieht."
Nachdem die Protagonisten alle vorgestellt sind, nimmt die Geschichte ihren Lauf:
"In der ersten Szene sehen wir König Edward von England auf dem Thron sitzend und er gibt seinem Jarl, Earl, das ist so etwas wie ein Graf oder Herzog, auf, zu Herzog Wilhelm von der Normandie zu fahren und ihn zu bitten und darüber zu informieren, dass er nach dem Tode Edwards, der ja schon älter ist, dass er sein Nachfolger, also König von England werden solle."
Der Herzog ist Harald. Auf den nächsten Bildern sieht man, wie Harald losreitet, zur Kanalküste kommt, mit Schiffen übersetzt und so weiter.
"Es ist eine lange, eine turbulente Geschichte, hochinteressant und spannend. Es werden so viele Details aus dem täglichen Leben, aus dem Alltag der damaligen Menschen geschildert, nicht nur die Realien, also die Objekte selbst, die wunderschön und detailliert dargestellt sind, die wir dann wiederum in den archäologischen Funden ganz genau bestätigt sehen. Wir zeigen auch hier eine Anzahl von skandinavischen Reliquiaren, also Reliquienschreine, in denen Reliquien, die Überreste von Heiligen aufbewahrt wurden, und zwar aus einem einfachen Grunde, weil eine zentrale Szene, eine Schlüsselszene in diesem Teppich, der Eid des Harald ist, es ist in der Szene 23, den er leistet, einen Treueid gegenüber Wilhelm dem Eroberer, dem späteren Eroberer."
Harald leistet einen Meineid. Das ist leicht zu erkennen, weil er die eine Hand zum Schwur auf ein Reliquiar hält, die andere aber ausgestreckt auf ein anderes. Später wird Harald diesen Treueschwur brechen, weil er sich selbst zum König von England wählen lässt.
Um zu zeigen, wie die abgebildeten Schreine im Original aussahen, haben die Kuratoren einen ähnlichen goldbezogenen Schrein aus dem Dänischen Nationalmuseum ausgeliehen. Vivian Etting:
"Das ist ein Reliquienschrein, der wie eine Kirche dargestellt ist mit einem Wikingerdrachen auf den Giebeln."
Viele Kostbarkeiten finden sich in den Vitrinen, die die Geschichte auf dem Teppich widerspiegeln: Fibeln, Münzen, Werkzeuge.
"Wilhelm gibt den Auftrag, Schiffe für eine Flotte für die Eroberung Englands zu bauen. Nun wird hier in dieser Szene 36, 37 genau geschildert und gezeigt, wie diese Schiffe gebaut werden: Man fällt die Bäume, sie werden gespalten zu großen Planken, die Planken werden zusammengenietet, bis dann die Schiffe fertig sind und zum Abtransport bereitgestellt werden."
Dann überqueren die Normannen den Kanal.
Auf der englischen Seite angekommen, ziehen sie nach einem aufwendigen Mahl in die Schlacht: Die Reiter tragen ein Panzerhemd, dazu einen Helm, sind ausgestattet mit Schilden, großen Schwertern, tragen Speere, Lanzen und die gefürchteten Äxte. Die letzten beiden Szenen fehlen. Vermutlich zeigen sie die Krönung des Siegers.
"Wilhelm, Odo sind die Sieger. Die Schlacht ging zugunsten der Normannen aus und die Folge war, dass die Normannen die neuen Herren Englands waren für viele Jahrhunderte und dort die gesamte Kulturgeschichte Englands prägten für die folgenden Jahrhunderte."
Egon Warmers (Hrsg.): Die letzten Wikinger
Der Teppich von Bayeux und die Archäologie
Archäologisches Museum Frankfurt am Main, 2009, 18,50 Euro
Informationen:
http://www.archaeologisches-museum.frankfurt.de
Professor Egon Warmers, leitender Direktor des Archäologischen Museums in Frankfurt am Main, ist in seinem Element. Die Wikingerzeit begeistert den Mittelalterarchäologen besonders. Und bevor es mit der Geschichte der letzten großen Wikingerschlacht richtig losgeht, stehen die Museumsbesucher erst mal vor einer großen Segelwand.
"Wir beginnen die Ausstellung im Foyer des Archäologischen Museums mit einer Inszenierung zum Thema Wikingerschiffe. Das Schiff war ein zentrales Werkzeug für die Fortbewegung, insbesondere in der Wikingerzeit, aber es diente auch als Waffe, indem man nämlich mit diesen Wikingerschiffen zu Eroberung- und Plünderungszügen, aber auch zu Handelsfahrten unterwegs war."
In einem Schaukasten sieht man das Modell eines Wikingerschiffes, auf dem Boden liegt ein großer Anker.
"Wir haben hier diesen großen, eisernen Anker, massiv geschmiedet mit einem Querbalken zur Halterung. An diesem Anker hängt eine sieben, acht Meter lange Kette aus großen, ovalen Gliedern. Man sieht daran: Es sind wirklich praktische Geräte gewesen, die den Wikingern, den Nordleuten, die Möglichkeiten verschaffen sollten, mit diesen Schiffen nicht nur zu segeln, sondern sie auch vernünftig zu ankern und zu handhaben."
Die Wikinger sind im achten, neunten und zehnten Jahrhundert die führende Seefahrernation in Europa. Aus Skandinavien kommend, segeln sie an die englische Küste, erobern das reiche Irland, plündern Hamburg und Köln - und landen und leben schließlich auch in der Normandie. Hier beginnt dann die Geschichte des Teppichs. Es gibt vier Hauptpersonen, um die sich die Ereignisse ranken und die an ihrer Kleidung und Haartracht gut zu erkennen sind:
"Es ist einmal der englische König Edward, Edward der Bekenner. Dann haben wir Jarl Harald Godwinson, der später dann für kurze Zeit König wird. Wir haben den eigentlichen Helden des Teppichs, das ist Wilhelm der Eroberer, einer der normannischen Herzöge aus der Normandie, und dann seinen Bruder, seinen Halbbruder Odo, Bischof von Bayeux."
Bis in die Details geht die Abbildung der einzelnen Personen auf dem Teppich.
"Man trug jetzt schon eine gemeineuropäische Kleidung. Das waren Hosen, das waren Wämse, die in der Mitte gegürtet wurden. Darüber trug man einen großen Mantel, der mit einer Fibel an der Brust oder an der Schulter gehalten wurde. Viele Menschen glauben, wenn wir in die Wikingerzeit zurückgehen, dann haben alle schwarze oder graue Kleider an, aber das ist gar nicht war."
... ergänzt Vivian Etting, Historikerin am Dänischen Nationalmuseum, denn die Stoffe waren
"... durchaus bunt gefärbt gewesen mit den natürlichen Farbstoffen, die man damals zur Verfügung hatte. Wir haben auch sehr oft Goldfäden, Brokat. Wir haben importierte Seide, die verwendet worden ist. Also die Prunksucht in der damaligen Zeit war genauso groß wie heute."
Was an den dargestellten normannischen Protagonisten besonders auffällt: Sie waren
"... glatt rasiert im Gesicht, den Nacken hoch ausrasiert und vorne das Haar in die Stirn spitz gekämmt, also eine im Grunde sehr brutal wirkende Haartracht, die mit dem kahlrasierten Nacken ein bisschen an unsere Skins heute erinnern lässt. Die Engländer dagegen haben eine kappenartige Frisur, auch kurz geschnitten. Und sie haben ebenfalls ein glatt rasiertes Gesicht, haben aber einen leichten Schnauzbart, der wie so ein Fahrradlenker aussieht."
Nachdem die Protagonisten alle vorgestellt sind, nimmt die Geschichte ihren Lauf:
"In der ersten Szene sehen wir König Edward von England auf dem Thron sitzend und er gibt seinem Jarl, Earl, das ist so etwas wie ein Graf oder Herzog, auf, zu Herzog Wilhelm von der Normandie zu fahren und ihn zu bitten und darüber zu informieren, dass er nach dem Tode Edwards, der ja schon älter ist, dass er sein Nachfolger, also König von England werden solle."
Der Herzog ist Harald. Auf den nächsten Bildern sieht man, wie Harald losreitet, zur Kanalküste kommt, mit Schiffen übersetzt und so weiter.
"Es ist eine lange, eine turbulente Geschichte, hochinteressant und spannend. Es werden so viele Details aus dem täglichen Leben, aus dem Alltag der damaligen Menschen geschildert, nicht nur die Realien, also die Objekte selbst, die wunderschön und detailliert dargestellt sind, die wir dann wiederum in den archäologischen Funden ganz genau bestätigt sehen. Wir zeigen auch hier eine Anzahl von skandinavischen Reliquiaren, also Reliquienschreine, in denen Reliquien, die Überreste von Heiligen aufbewahrt wurden, und zwar aus einem einfachen Grunde, weil eine zentrale Szene, eine Schlüsselszene in diesem Teppich, der Eid des Harald ist, es ist in der Szene 23, den er leistet, einen Treueid gegenüber Wilhelm dem Eroberer, dem späteren Eroberer."
Harald leistet einen Meineid. Das ist leicht zu erkennen, weil er die eine Hand zum Schwur auf ein Reliquiar hält, die andere aber ausgestreckt auf ein anderes. Später wird Harald diesen Treueschwur brechen, weil er sich selbst zum König von England wählen lässt.
Um zu zeigen, wie die abgebildeten Schreine im Original aussahen, haben die Kuratoren einen ähnlichen goldbezogenen Schrein aus dem Dänischen Nationalmuseum ausgeliehen. Vivian Etting:
"Das ist ein Reliquienschrein, der wie eine Kirche dargestellt ist mit einem Wikingerdrachen auf den Giebeln."
Viele Kostbarkeiten finden sich in den Vitrinen, die die Geschichte auf dem Teppich widerspiegeln: Fibeln, Münzen, Werkzeuge.
"Wilhelm gibt den Auftrag, Schiffe für eine Flotte für die Eroberung Englands zu bauen. Nun wird hier in dieser Szene 36, 37 genau geschildert und gezeigt, wie diese Schiffe gebaut werden: Man fällt die Bäume, sie werden gespalten zu großen Planken, die Planken werden zusammengenietet, bis dann die Schiffe fertig sind und zum Abtransport bereitgestellt werden."
Dann überqueren die Normannen den Kanal.
Auf der englischen Seite angekommen, ziehen sie nach einem aufwendigen Mahl in die Schlacht: Die Reiter tragen ein Panzerhemd, dazu einen Helm, sind ausgestattet mit Schilden, großen Schwertern, tragen Speere, Lanzen und die gefürchteten Äxte. Die letzten beiden Szenen fehlen. Vermutlich zeigen sie die Krönung des Siegers.
"Wilhelm, Odo sind die Sieger. Die Schlacht ging zugunsten der Normannen aus und die Folge war, dass die Normannen die neuen Herren Englands waren für viele Jahrhunderte und dort die gesamte Kulturgeschichte Englands prägten für die folgenden Jahrhunderte."
Egon Warmers (Hrsg.): Die letzten Wikinger
Der Teppich von Bayeux und die Archäologie
Archäologisches Museum Frankfurt am Main, 2009, 18,50 Euro
Informationen:
http://www.archaeologisches-museum.frankfurt.de