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Ein Durchbruch auf dem Weg zur atomaren Abrüstung

Am 31. Juli 1991 trafen sich US-Präsident George Bush und sein sowjetischer Amtskollege Michael Gorbatschow in Moskau. Dort vereinbarten sie, die Zahl ihrer Atomwaffen drastisch zu reduzieren. Der Weg zum START I-Vertrag war ein zähes, jahrelanges Ringen.

Von Ralf Geißler | 31.07.2011
    Die Füllfederhalter für die Vertragsunterzeichnung hatte man extra anfertigen lassen – aus dem Material verschrotteter Mittelstreckenraketen. Ein Symbol. Denn die beiden Männer, die sich am 31. Juli 1991 in Moskau trafen, wollten ihren Willen zum Frieden bekunden. US-Präsident George Bush und sein sowjetischer Amtskollege Michail Gorbatschow unterzeichneten den START-Abrüstungsvertrag. Bush fand deutliche Worte.

    "Der Vertrag, den wir heute unterzeichnet haben, ist einer der kompliziertesten. Und er behandelt das schwierigste aller Themen. Seine 700 Seiten stehen für Generationen von amerikanischen und sowjetischen Unterhändlern, die sich durch ein Dickicht von Streitfragen geschlagen haben. Der Vertrag bringt uns einen großen Schritt nach vorn, was die beiderseitige Sicherheit und den Frieden auf der Welt betrifft."

    Zum ersten Mal vereinbarten die USA und die Sowjetunion eine Reduzierung ihrer atomaren Langstreckenwaffen. Rund dreißig Prozent der Raketensysteme mit über 5.000 Kilometern Reichweite sollten innerhalb von sieben Jahren vernichtet werden. Beide Staaten gestatteten Kontrollen der jeweils anderen Seite. Es war ein Durchbruch. Zwar hatten sich die USA und die Sowjetunion bereits in den siebziger Jahren bemüht, ihr Wettrüsten einzudämmen, doch man konnte sich immer nur auf Obergrenzen für neue Atomwaffen verständigen, nie aber auf eine echte Reduzierung. Die Idee zu START hatte 1982 US-Präsident Ronald Reagan.

    "START bedeutet: Gespräche über die Reduzierung strategischer Waffen. Wir werden ernsthaft verhandeln, in gutem Glauben, und jeden Vorschlag der Sowjetunion sorgfältig prüfen. Wenn diese im gleichen Geiste in die Verhandlungen geht, dann bin ich überzeugt, dass wir eine Vereinbarung erzielen, mit der die Zahl der Atomwaffen reduziert werden kann."

    Mitten im Kalten Krieg war das allerdings leichter gesagt als getan. Zwar trafen sich 1982 Unterhändler in Genf. Sie machten aber keinerlei Fortschritte. Bewegung kam in die Verhandlungen erst mit einem Machtwechsel in der Sowjetunion. 1985 wurde Michail Gorbatschow Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Noch im gleichen Jahr traf er sich mit Reagan zu einem Abrüstungsgipfel in Genf.

    "Der Präsident und ich, wir haben eine große Arbeit geleistet. Haben sehr ausführlich, vertieft, mit der ganzen Offenheit eine ganze Reihe von schwerwiegenden Fragen behandelt, die Beziehungen zwischen unseren Ländern und auch die weltpolitische Lage zurzeit."

    Die beiden Männer vereinbarten nichts Konkretes. Und auch der nächste Gipfel 1986 im isländischen Reykjavik brachte keinen Durchbruch. Reagan wollte auf sein SDI-Programm nicht verzichten – ein Raketenschild im Weltraum. Gorbatschow machte den Verzicht aber zur Bedingung für einen Vertrag. Der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher bewertete es diplomatisch:

    "Für die Bundesregierung ist es also von entscheidender Bedeutung, dass nach diesem Ausgang von Reykjavik, der in einer Reihe wichtiger Fragen substanzielle Fortschritte gebracht hat, nicht zu einem Stillstand der Bemühungen, sondern zu einer Verstärkung der Bemühungen kommt."

    1987 dann ein erster Erfolg: Reagan und Gorbatschow verzichteten auf atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen. Zwei Jahre später wurden die Abrüstungsgespräche von der Realität eingeholt. In Osteuropa stürzten die kommunistischen Regime. Und in den USA verweigerte der Kongress weitere Mittel für das SDI-Programm. Das machte den Weg frei für die Unterzeichnung des START-Abkommens. US-Präsident Bush fand nach seiner Unterschrift in Moskau auch mahnende Worte.

    "Trotz aller Fortschritte müssen wir uns vor Augen halten, dass große Hindernisse bleiben. Unsere Fähigkeit, sie zu überwinden, wird der Test sein für unsere neue Partnerschaft."

    Mit seiner Skepsis lag Bush richtig. Das Nachfolgeabkommen START-II von 1993 wurde in der russischen Duma nicht mehr ratifiziert. Russland fühlte sich von der NATO gedemütigt, die immer mehr Staaten aus dem ehemaligen Ostblock aufnahm. Erst 2010 konnte mit "New START" ein neuer Abrüstungsvertrag für atomare Langstreckenwaffen unterzeichnet werden.
    Ronald Reagan und Michael Gorbatschow im Jahr 1985
    Reagan und Gorbatschow einigten sich 1987 auf atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen zu verzichten (AP)