Angelika Beer: Guten Morgen, Herr Schütte!
Schütte: Sie sind gewissermaßen grünes Urgestein, andererseits haben Sie den Kurswechsel Ihrer Partei damals mitgestaltet, weg von einer rein pazifistischen Haltung, hin zu einem bedingten Ja für Militäreinsätze der Bundeswehr im Ausland. Das reizt mich jetzt zu der Frage, wofür Sie sich eigentlich entschieden hätten: für Ruhe und Naturschutz oder für den Kampfjet?
Beer: Das ist erst mal kein Widerspruch. Ich habe den Widerstand in der Freien Heide immer unterstützt und auch damals als verteidigungspolitische Sprecherin unter einem Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping, als wir in der Regierung waren, versucht, ihn zu zwingen, diesen unsinnigen Plan, dort Bombenabwürfe vorzunehmen, sein zu lassen. Wir konnten uns nicht durchsetzen. Es ist ein Erfolg der Zivilgesellschaft.
Schütte: Hat der Bundesverteidigungsminister also richtig gehandelt, als er gesagt hat: Wir verzichten?
Beer: Ich glaube, dass der Verteidigungsminister Jung gar keine Chance mehr hatte, denn das grundsätzliche Problem ist, dass das Bundesverteidigungsministerium seit Jahren kein belastbares Planungs- und Nutzungskonzept für die Freie Heide vorlegen konnte und damit auch klar war und zu Recht die Bürgerinnen ihre rechtlichen und gerichtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um endlich den Schlussstrich zu ziehen. Insofern hat er kurz vorher gehandelt, vernünftig, aber die jetzige Debatte geht eigentlich an der Frage, was braucht die Luftwaffe, was braucht die Bundeswehr, vorbei, denn faktisch hat nie eine Übung über der Freien Heide stattgefunden. Und man muss unterscheiden zwischen Tiefflug - der sowieso im Ausland geübt wird - auf der einen Seite, und dem Konzept des Bombenabwurfs im Tiefflug, was militärisch keinen Nutzen verspricht, eine Gefährdung für die Kampfflugzeuge ist, nicht nur eine Gefährdung auch für die Zivilbevölkerung, und im Grunde genommen eine Verteidigungsstrategie ist, die in die Steinzeit gehört und nichts mehr mit der heutigen Verteidigungsstrategie der Europäer und der NATO zu tun hat.
Schütte: Frau Beer, bleiben wir einmal noch kurz bei der Entscheidung von Bundesverteidigungsminister Jung. Er hätte in Revision gehen können, nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen die Bundeswehr sozusagen entschieden hatte. Ist diese Entscheidung Wahlkampf auf dem Rücken der Bundeswehr?
Beer: Da ist sicherlich beides mit drin, nur rechtlich gesehen hatte Herr Jung überhaupt keine Möglichkeit mehr, dieses Verfahren positiv für seine Pläne zu entscheiden, weil eben kein belastbares Planungs- und Nutzungskonzept vorliegt. Was er gesagt hat, dass, wer Deutschland verteidigen will, dann auch akzeptieren muss, dass in Deutschland die Luftwaffe übt, das ist ein Satz, der klingt so ein bisschen, wir verteidigen unsere Sicherheit auch am Hindukusch, nur umgeht die Fakten. Noch mal: 75 Prozent aller Tiefflüge werden bereits im Ausland geflogen, und es gibt kein militärisches Einsatzkonzept, Tiefflug in Deutschland oder in Europa mit Bombenabwürfen durchzuführen. Das ist Kalter Krieg, das ist vorbei, und mit dieser Argumentation hätte er auch das nächste Gerichtsverfahren mit Sicherheit nicht gewonnen, sondern dann möglicherweise in einer Zeit, wo er noch mal Verantwortung hat oder auch ein neuer Minister Verantwortung hat, dann endlich diese Entscheidung fällen müssen. Insofern ist es eher ein Stück Populismus in Zeiten des Wahlkampfes, aber von der Sache her eine längst überfällige Entscheidung.
Schütte: Verstehe ich Sie da richtig, Frau Beer, Sie sagen, die Luftwaffe braucht diese Übungen gar nicht, um die Piloten zu schulen, damit beispielsweise die Einsätze in Afghanistan geübt werden?
Beer: Richtig. Wir üben mit der Luftwaffe im Ausland, überwiegend in den Vereinigten Staaten. Die Luftwaffe ist in der Lage, auch in Europa dementsprechend Tiefflüge durchzuführen, was nichts mit der Notwendigkeit der Bombenabwürfe zu tun hat, denn die Technologie ist veraltet. Es gibt inzwischen NASA-gelenkte Bomben und Flugkörper, die aus großer Höhe punktgenau eingesetzt werden können, und wir wissen bedauerlicherweise, dass die Amerikaner, auch wenn sie das tun, in Afghanistan schreckliche, zivile Opfer dabei einfordern. Insofern kann man wirklich nur sagen: Bombenabwurf im Tiefflug hat nichts mehr mit Verteidigung zu tun, sondern ist eine Technologie, die die Zivilbevölkerung belastet, die die Natur beschädigt und auch für die Luftwaffe kein Konzept ist. Wenn wir danach gehen und sagen, wir wollen Sicherheit für unsere Luftwaffe, dann weiter üben im Ausland, was bisher stattgefunden hat, und das heißt unterm Strich, dass wir die Bombenabwurfplätze in Niedersachsen und auch in Bayern eigentlich genauso schließen können.
Schütte: Das heißt, Sie erwarten, dass jetzt als Reaktion auf den Verzicht auf das Bombodrom auch Nordhorn und Siegenburg geschlossen werden?
Beer: Weil die militärische Planungsgrundlage fehlt. Bayern ist noch ein Unterschied, weil dort auch die Amerikaner üben, allerdings nur Tiefflug, keinen Bombenabwurf, und insofern glaube ich, dass die Klagen, die ja auch in Niedersachsen schon anhänglich sind, durchaus Rückenwind durch das Urteil Freie Heide bekommen und diese Debatte mit Sicherheit mit dieser einen Entscheidung noch nicht beendet ist. Was militärisch überflüssig ist und keine Sicherheit für die Bundeswehr bringt, sollten wir in Deutschland dann auch nicht aus Resümeegründen oder wie auch immer aufrechterhalten. Keiner hat einen Vorteil davon.
Schütte: Nun sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan: Wir brauchen zumindest diese beiden verbliebenen Standorte, weniger Ausbildung können wir uns gar nicht leisten.
Beer: Das ist richtig, aber wie gesagt, wir üben ja schon, und zwar fast nur im Ausland, 75 Prozent, und wenn man sich dann die Zahl noch mal anguckt, zum Beispiel von Nordhorn….
Schütte: Da ist die Leitung nach Brüssel zu Angelika Beer offensichtlich abgerissen. Ich bedanke mich bei ihr trotzdem für das Gespräch, Angelika Beer, ehemalige ...
Schütte: Sie sind gewissermaßen grünes Urgestein, andererseits haben Sie den Kurswechsel Ihrer Partei damals mitgestaltet, weg von einer rein pazifistischen Haltung, hin zu einem bedingten Ja für Militäreinsätze der Bundeswehr im Ausland. Das reizt mich jetzt zu der Frage, wofür Sie sich eigentlich entschieden hätten: für Ruhe und Naturschutz oder für den Kampfjet?
Beer: Das ist erst mal kein Widerspruch. Ich habe den Widerstand in der Freien Heide immer unterstützt und auch damals als verteidigungspolitische Sprecherin unter einem Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping, als wir in der Regierung waren, versucht, ihn zu zwingen, diesen unsinnigen Plan, dort Bombenabwürfe vorzunehmen, sein zu lassen. Wir konnten uns nicht durchsetzen. Es ist ein Erfolg der Zivilgesellschaft.
Schütte: Hat der Bundesverteidigungsminister also richtig gehandelt, als er gesagt hat: Wir verzichten?
Beer: Ich glaube, dass der Verteidigungsminister Jung gar keine Chance mehr hatte, denn das grundsätzliche Problem ist, dass das Bundesverteidigungsministerium seit Jahren kein belastbares Planungs- und Nutzungskonzept für die Freie Heide vorlegen konnte und damit auch klar war und zu Recht die Bürgerinnen ihre rechtlichen und gerichtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um endlich den Schlussstrich zu ziehen. Insofern hat er kurz vorher gehandelt, vernünftig, aber die jetzige Debatte geht eigentlich an der Frage, was braucht die Luftwaffe, was braucht die Bundeswehr, vorbei, denn faktisch hat nie eine Übung über der Freien Heide stattgefunden. Und man muss unterscheiden zwischen Tiefflug - der sowieso im Ausland geübt wird - auf der einen Seite, und dem Konzept des Bombenabwurfs im Tiefflug, was militärisch keinen Nutzen verspricht, eine Gefährdung für die Kampfflugzeuge ist, nicht nur eine Gefährdung auch für die Zivilbevölkerung, und im Grunde genommen eine Verteidigungsstrategie ist, die in die Steinzeit gehört und nichts mehr mit der heutigen Verteidigungsstrategie der Europäer und der NATO zu tun hat.
Schütte: Frau Beer, bleiben wir einmal noch kurz bei der Entscheidung von Bundesverteidigungsminister Jung. Er hätte in Revision gehen können, nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen die Bundeswehr sozusagen entschieden hatte. Ist diese Entscheidung Wahlkampf auf dem Rücken der Bundeswehr?
Beer: Da ist sicherlich beides mit drin, nur rechtlich gesehen hatte Herr Jung überhaupt keine Möglichkeit mehr, dieses Verfahren positiv für seine Pläne zu entscheiden, weil eben kein belastbares Planungs- und Nutzungskonzept vorliegt. Was er gesagt hat, dass, wer Deutschland verteidigen will, dann auch akzeptieren muss, dass in Deutschland die Luftwaffe übt, das ist ein Satz, der klingt so ein bisschen, wir verteidigen unsere Sicherheit auch am Hindukusch, nur umgeht die Fakten. Noch mal: 75 Prozent aller Tiefflüge werden bereits im Ausland geflogen, und es gibt kein militärisches Einsatzkonzept, Tiefflug in Deutschland oder in Europa mit Bombenabwürfen durchzuführen. Das ist Kalter Krieg, das ist vorbei, und mit dieser Argumentation hätte er auch das nächste Gerichtsverfahren mit Sicherheit nicht gewonnen, sondern dann möglicherweise in einer Zeit, wo er noch mal Verantwortung hat oder auch ein neuer Minister Verantwortung hat, dann endlich diese Entscheidung fällen müssen. Insofern ist es eher ein Stück Populismus in Zeiten des Wahlkampfes, aber von der Sache her eine längst überfällige Entscheidung.
Schütte: Verstehe ich Sie da richtig, Frau Beer, Sie sagen, die Luftwaffe braucht diese Übungen gar nicht, um die Piloten zu schulen, damit beispielsweise die Einsätze in Afghanistan geübt werden?
Beer: Richtig. Wir üben mit der Luftwaffe im Ausland, überwiegend in den Vereinigten Staaten. Die Luftwaffe ist in der Lage, auch in Europa dementsprechend Tiefflüge durchzuführen, was nichts mit der Notwendigkeit der Bombenabwürfe zu tun hat, denn die Technologie ist veraltet. Es gibt inzwischen NASA-gelenkte Bomben und Flugkörper, die aus großer Höhe punktgenau eingesetzt werden können, und wir wissen bedauerlicherweise, dass die Amerikaner, auch wenn sie das tun, in Afghanistan schreckliche, zivile Opfer dabei einfordern. Insofern kann man wirklich nur sagen: Bombenabwurf im Tiefflug hat nichts mehr mit Verteidigung zu tun, sondern ist eine Technologie, die die Zivilbevölkerung belastet, die die Natur beschädigt und auch für die Luftwaffe kein Konzept ist. Wenn wir danach gehen und sagen, wir wollen Sicherheit für unsere Luftwaffe, dann weiter üben im Ausland, was bisher stattgefunden hat, und das heißt unterm Strich, dass wir die Bombenabwurfplätze in Niedersachsen und auch in Bayern eigentlich genauso schließen können.
Schütte: Das heißt, Sie erwarten, dass jetzt als Reaktion auf den Verzicht auf das Bombodrom auch Nordhorn und Siegenburg geschlossen werden?
Beer: Weil die militärische Planungsgrundlage fehlt. Bayern ist noch ein Unterschied, weil dort auch die Amerikaner üben, allerdings nur Tiefflug, keinen Bombenabwurf, und insofern glaube ich, dass die Klagen, die ja auch in Niedersachsen schon anhänglich sind, durchaus Rückenwind durch das Urteil Freie Heide bekommen und diese Debatte mit Sicherheit mit dieser einen Entscheidung noch nicht beendet ist. Was militärisch überflüssig ist und keine Sicherheit für die Bundeswehr bringt, sollten wir in Deutschland dann auch nicht aus Resümeegründen oder wie auch immer aufrechterhalten. Keiner hat einen Vorteil davon.
Schütte: Nun sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan: Wir brauchen zumindest diese beiden verbliebenen Standorte, weniger Ausbildung können wir uns gar nicht leisten.
Beer: Das ist richtig, aber wie gesagt, wir üben ja schon, und zwar fast nur im Ausland, 75 Prozent, und wenn man sich dann die Zahl noch mal anguckt, zum Beispiel von Nordhorn….
Schütte: Da ist die Leitung nach Brüssel zu Angelika Beer offensichtlich abgerissen. Ich bedanke mich bei ihr trotzdem für das Gespräch, Angelika Beer, ehemalige ...