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Ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem

Alkohol, der in Geschäften und Kneipen zu Schleuderpreisen angeboten wird - und Jugendliche, die ihn ohne großartige Alterskontrolle kaufen und trinken können. Das hat in der letzten Zeit regelmäßig für negative Schlagzeilen gesorgt. Die Gmünder Ersatz-Kasse, kurz GEK, hat Daten aus den letzten zwanzig Jahren zusammengetragen und in einer Studie auswerten lassen.

Von Dorothea Jung | 04.08.2009
    Die GEK-Studie ergibt klar und unmissverständlich: Der Alkoholkonsum von Jugendlichen stellt ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem dar. Das sagte Hans Ulrich Schlenker, der Vorstandsvorsitzende der GEK, heute in Berlin:

    "Das zentrale Ergebnis ist inhaltlich, dass in den letzten fünf Jahren eine Verdoppelung der Einweisungen in das Krankenhaus wegen Alkohol stattfand; und zwar bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren."

    Die Ersatzkasse hatte das Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung aus Hannover beauftragt, die Ursachen von Krankenhauseinweisungen zu untersuchen - und dabei ein besonderes Augenmerk auf den Alkoholmissbrauch von Jugendlichen zu werfen. Die wissenschaftliche Leitung dieses Krankenhausreports lag in den Händen von Eva Maria Bitzer. Die Wissenschaftlerin wertete zum einen die reinen Krankenhaus-Daten aus. Zusätzlich befragte sie mehr als elfhundert Minderjährige, die schon mal wegen Alkoholmissbrauchs in der Klinik waren. Dabei stellte sie fest: Die Einweisung in die Klinik hatte auf die Jugendlichen keine besonders abschreckende Wirkung:

    "Von den 83 Prozent der Jugendlichen, die sagen, sie trinken weniger, muss man konstatieren, dass sie tatsächlich weniger trinken als die, die sagen sie trinken noch mehr; aber sie trinken noch immer viel und oft im Vergleich zu Jugendlichen, die noch nie stark betrunken gewesen sind."

    Die jugendlichen Trinker sind der Studie zufolge keine homogene Gruppe. Die Ursachen, warum sie zu tief ins Glas schauen, sind vielfältig. Aber Hans-Ulrich-Schlenker zufolge spielen die Freunde beim Besäufnis eine entscheidende Rolle. Der GEK-Vorstandsvorsitzende spricht von einem regelrechten Trend unter Teenagern:

    "Das ist einfach das Gruppenverhalten auf Partys, mit Freunden, bei Geburtstagen, bei Feiern zum Schulabschluss - und da entstehen offenbar Gruppenzwänge, die sich mittlerweile als Mode-Erscheinung sogar darstellen. Nämlich, dass die Feier zum Mittelpunkt hat ein gemeinsames Sich-Betrinken, In-Einen Rausch-Versetzen. Und das ist das Gefährliche."

    Spätestens wenn Trinkgelage auf öffentlichen Plätzen in der Stadt oder in Parks zur Jugendkultur gehören, stellt sich die Frage, wie die öffentliche Hand und die Zivilgesellschaft auf dieses Phänomen reagieren sollen. Die Gmünder Ersatzkasse hat dafür den Leitspruch entwickelt: Präventionskultur statt Verbotsklima. "Wir propagieren einen Mix aus jugendgerechter Information, Sportförderung und Jugendärztlicher Betreuung", sagte Hans -Ulrich Schlenker:

    "Im Mittelpunkt sollte nach unserer Auffassung stehen: Zunächst einmal eine Art nationale Aufklärungskampagne. Daran können sich der Staat - der Bund, die Länder, die Kommunen - aber auch die Krankenkassen beteiligen. Das Zweite, das man tun kann, ist die Verteuerung von Alkoholprodukten. Bei den Alko-Pops gab 's vor fünf Jahren eine Steuer, mit der Konsequenz, dass diese Alko-Pops aus den Regalen verschwunden sind."

    Die Krankenkasse selbst setzt ebenfalls auf Aufklärung. Sie legt Broschüren auf, die über die Gefahren des Saufens informieren. Gleichzeitig hat sie ein Jugendarztprogramm zur Suchtproblematik intensiviert. Außerdem fördert sie Bewegungs- und Sportprogramme für Teenager.

    "Also sinnvolle Freizeitaktivitäten, die etwas ablenken von dieser Trinkkultur im Partykreis. Und wir halten das für effektiver als diese staatlichen Verbote."

    Die langfristige Steuerungswirkung von Verbotsmaßnahmen ist nach Auffassung der Krankenkasse nicht belegt. Verbote nähmen den Jugendlichen etwas weg. Ein Erlebnis, einen Rausch. Man müssen ihnen aber etwas anbieten, das ebenfalls Spaß macht. Das sei nicht nur aus sozialen Gründen geboten, sondern auch aus wirtschaftlichen. Unter allen Krankenhaus-Patienten haben diejenigen mit psychischen Störungen die längste Verweildauer. Und innerhalb dieser Patienten sind die Alkoholkranken die größte Gruppe. Sie kosten also das meiste Geld.