Dirk-Oliver Heckmann: Seit Monaten verhandeln die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer über Konsequenzen aus der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, die die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds gebracht hatte. Wie kann in Zukunft ausgeschlossen werden, dass die Staaten noch einmal Billionen in die Hand nehmen müssen, um maroden Großbanken aus der Patsche zu helfen, um ganze Staaten zu stützen? Wie kann verhindert werden, dass die Regierungen dieser Welt eine Abwertungsspirale bei ihren Währungen in Gang setzen, die ihnen kurzfristig hilft, langfristig aber eine neue Phase des Protektionismus einleiten könnte? Das sind nur zwei wichtige Fragen, die beim G20-Gipfel in Seoul eine Rolle gespielt haben.
Am Telefon begrüße ich jetzt Ursula Walther, sie ist Professorin für finanzwirtschaftliches Risikomanagement an der Frankfurt School of Finance an Management. Schönen guten Tag, Frau Walther.
Ursula Walther: Guten Tag!
Heckmann: Frau Walther, die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer hatten sich geschworen, Konsequenzen aus der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise zu ziehen. Tatsächlich gibt es ja Konsequenzen. Die Frage ist nur: Sind die ausreichend? Ist die Weltwirtschaft jetzt gerettet?
Walther: Ob sie ausreichend sind, oder gar die Rettung jetzt beschlossen ist, so weit geht das sicherlich nicht. Ganz ohne Zweifel stellen die neuen Basel III-Regeln aber einen sehr großen und auch ganz sicher einen sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar.
Heckmann: Zu diesem Punkt kommen wir später noch mal. Zunächst vielleicht noch mal zu der Frage der Exportüberschüsse. Die USA hatten ja ursprünglich feste Grenzen einziehen wollen. Das bedeutete konkret: Jedes Land, das einen Exportüberschuss von über vier Prozent verzeichnet, hätte mit Sanktionen zu rechnen gehabt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wertet es als Erfolg, auch als ihren Erfolg, dass das abgewendet wurde. Zurecht?
Walther: Ich denke schon. Deutschland wäre ja neben China eines der Länder gewesen, das davon unmittelbar betroffen ist und auch in seiner wirtschaftlichen Entwicklung eingeschränkt würde. Insofern ist das sicherlich ein Erfolg.
Heckmann: Aber die Handelsungleichgewichte stellen auch ein Problem dar?
Walther: Sicherlich, aber jetzt muss man natürlich auch fragen, woran liegen denn die Handelsungleichgewichte, und sicherlich zeigen die auch wirtschaftliche Stärke und im Falle von Deutschland ja sicherlich auch die Stärke, die man sich über viele Jahre erarbeitet hat und von der man heute profitiert. Das dann sozusagen wieder abzugeben oder abgeben zu müssen an andere, würde ich auch nicht unbedingt als fair empfinden.
Heckmann: Jetzt soll es aber einen Mechanismus geben, der solchen Handelsungleichgewichten entgegenwirkt. Wie kann ein solcher Mechanismus funktionieren?
Walther: An der Stelle muss ich sagen, ich bin jetzt keine Außenhandelsspezialistin und bewege mich da auf fremdem Terrain. Ich glaube, dass das sehr schwierig ist. Auf der einen Seite sind international die Länder aufeinander angewiesen, man braucht Gleichgewichte, man braucht Spielregeln, von denen letztlich alle profitieren. Auf der anderen Seite wird es aber immer und immer wieder Konflikte geben, weil natürlich auch die Interessen unterschiedlich sind und jeder versucht, auf dem großen Markt seine Positionen zu wahren. Also ich denke, es wird da nie so die einmal festliegenden Spielregeln geben, die dann dauerhaft unverändert bleiben.
Heckmann: Dann kommen wir zum Stichwort Basel III, Sie haben es gerade eben schon genannt. Die G20 haben beschlossen, dass sich die Banken mit mehr Eigenkapital ausstatten müssen. Inwiefern ist dieser Schritt aus Ihrer Sicht ausreichend?
Walther: Er ist ein Schritt, ein großer Schritt in die richtige Richtung. Mehr Eigenkapital bedeutet eine höhere Stabilität im Falle von Verlusten. Das ist ja ein Ausgleich zwischen dem Geschäft und den Risiken, die eine Bank hereinnimmt, und der Menge an Kapital, die sie vorhalten muss. Das heißt, das ist auch eine Beschränkung der Risiken, die eine Bank eingehen darf. Das heißt, da greift die Regelung exakt an den Stellen an, die zur Katastrophe geführt haben, nämlich dass man überschießende Risiken und zu wenig Stabilität im System hatte. Ob das ausreichend ist? Sicherlich nicht. Es sind ja auch nicht die einzigen Regeln, die jetzt beschlossen wurden. Parallel dazu gibt es ja neue Regeln bezüglich der Liquidität und auch viele andere kleine Regeln, die beschlossen wurden, oder noch in der Diskussion sind. Insgesamt muss aus dem allem dann erst ein stimmiges Ganzes entstehen.
Heckmann: In der Hochzeit der Finanzkrise hieß es immer, das große Problem war gewesen, dass die Banken teilweise einfach zu groß geworden sind, man konnte sie sozusagen nicht pleitegehen lassen, ohne einen Dominoeffekt auszulösen. To big to fail, das war das Stichwort. Die USA sind in diesem Punkt weiter, sie haben ganze Banken zerschlagen.
Walther: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Es wurde ja jetzt, was noch nicht beschlossen ist, aber in der Diskussion ist, angedacht, dass es Sonderregeln geben soll für die sogenannten systemrelevanten Banken, also genau die to big to fail. Da ist bislang auch noch gar nicht klar, wie man das überhaupt feststellen und messen kann. Auf der anderen Seite haben natürlich auch die immer komplizierter werdenden Regeln den Effekt, dass es immer schwieriger und aufwendiger wird, eine Bank zu betreiben. Insofern setzt auch die Regelung einen Anreiz dafür, dass Banken immer größer werden. Und das dann wieder durch Zerschlagungen auf der anderen Seite zu beschneiden, ist sicherlich ein sehr heikles Unterfangen.
Heckmann: Der Verdacht liegt dennoch nahe, dass die Banken beispielsweise am Standort Deutschland, oder auch in Großbritannien ihren Einfluss haben geltend machen können.
Walther: Inwiefern jetzt ihren Einfluss geltend machen?
Heckmann: Dahin gehend, dass striktere Regeln eben nicht durchgesetzt wurden und gar nicht mehr auf die Agenda gesetzt wurden.
Walther: Nicht unbedingt. Eine große Einflussnahme gab es sicherlich neben der Frage, wie viel Eigenkapital die Banken vorhalten müssen. Da gab es ja auch eine sehr große Diskussion und auch ganz wesentliche Neuregelungen, welche Instrumente denn als Eigenkapital zählen. Da hat es Vorschläge gegeben, die insbesondere für bestimmte deutsche Banken sehr problematisch gewesen wären, und dort wurde Einfluss geltend gemacht und auch Dinge in gewisser Weise korrigiert. Aber natürlich hat die Regulierung immer Auswirkungen auf die mögliche Geschäftstätigkeit und auch auf Wettbewerbsvorteile, und dass in dem Prozess jedes Land und jede Bankengruppe und andere Interessensgemeinschaften natürlich versuchen, ihre Interessen geltend zu machen, ist, glaube ich, erst mal nicht unlauter.
Heckmann: Frau Walther, die Bundesregierung hatte sich auch für eine internationale Finanztransaktionssteuer eingesetzt. Die sollte Spekulationen eindämmen, auch auf internationaler Ebene. Von diesem ganzen Projekt ist keine Rede mehr. Zurecht aus Ihrer Sicht?
Walther: Ich finde es eigentlich eher schade. Es hat sich wohl gezeigt, dass schon auf der europäischen Ebene die Idee einer Finanztransaktionssteuer nicht durchsetzbar ist. Insofern ist es dann vielleicht einfach auch klug, solche Themen nicht weiter zu forcieren, und sich auf das zu konzentrieren, was auch wichtig ist und umsetzbar ist. Die Frage, wie schnell ein Finanzsystem funktionieren muss und ob es da nicht Sinn machen könnte, durch etwa so eine Steuer etwas Sand ins Getriebe zu bekommen und das etwas langsamer zu gestalten, ist meiner Ansicht nach schon eine sehr sinnvolle und wichtige Idee. Aber vielleicht braucht die auch länger.
Heckmann: Ganz kurz zum Abschluss vielleicht. Wenn Sie einen Strich machen, würden Sie sagen, mit den Maßnahmen, die getroffen wurden, ist eine Wiederholung der Finanzkrise in Zukunft ausgeschlossen?
Walther: Nein! Ganz klares nein! Man hat jetzt korrigiert an den Punkten, die man jetzt gesehen hat. Die Historie zeigt, dass die nächste Krise immer an der Stelle ansetzt, die man übersehen hat. Insofern ist die eigentlich große Frage, was übersieht man gerade.
Der andere Punkt ist: Banken sind ihrem Wesen nach immer instabil und haben immer dieses inhärente Risiko einer Systemkrise. Das wird man nie ganz ausschließen können. Und insofern wird es vermutlich auch eine nächste Krise geben. Wir wissen nur nicht wann.
Heckmann: Über die Beschlüsse von Seoul haben wir gesprochen mit Professorin Ursula Walther von der Frankfurt School of Finance and Management. Frau Walther, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Walther: Vielen Dank!
Am Telefon begrüße ich jetzt Ursula Walther, sie ist Professorin für finanzwirtschaftliches Risikomanagement an der Frankfurt School of Finance an Management. Schönen guten Tag, Frau Walther.
Ursula Walther: Guten Tag!
Heckmann: Frau Walther, die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer hatten sich geschworen, Konsequenzen aus der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise zu ziehen. Tatsächlich gibt es ja Konsequenzen. Die Frage ist nur: Sind die ausreichend? Ist die Weltwirtschaft jetzt gerettet?
Walther: Ob sie ausreichend sind, oder gar die Rettung jetzt beschlossen ist, so weit geht das sicherlich nicht. Ganz ohne Zweifel stellen die neuen Basel III-Regeln aber einen sehr großen und auch ganz sicher einen sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar.
Heckmann: Zu diesem Punkt kommen wir später noch mal. Zunächst vielleicht noch mal zu der Frage der Exportüberschüsse. Die USA hatten ja ursprünglich feste Grenzen einziehen wollen. Das bedeutete konkret: Jedes Land, das einen Exportüberschuss von über vier Prozent verzeichnet, hätte mit Sanktionen zu rechnen gehabt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wertet es als Erfolg, auch als ihren Erfolg, dass das abgewendet wurde. Zurecht?
Walther: Ich denke schon. Deutschland wäre ja neben China eines der Länder gewesen, das davon unmittelbar betroffen ist und auch in seiner wirtschaftlichen Entwicklung eingeschränkt würde. Insofern ist das sicherlich ein Erfolg.
Heckmann: Aber die Handelsungleichgewichte stellen auch ein Problem dar?
Walther: Sicherlich, aber jetzt muss man natürlich auch fragen, woran liegen denn die Handelsungleichgewichte, und sicherlich zeigen die auch wirtschaftliche Stärke und im Falle von Deutschland ja sicherlich auch die Stärke, die man sich über viele Jahre erarbeitet hat und von der man heute profitiert. Das dann sozusagen wieder abzugeben oder abgeben zu müssen an andere, würde ich auch nicht unbedingt als fair empfinden.
Heckmann: Jetzt soll es aber einen Mechanismus geben, der solchen Handelsungleichgewichten entgegenwirkt. Wie kann ein solcher Mechanismus funktionieren?
Walther: An der Stelle muss ich sagen, ich bin jetzt keine Außenhandelsspezialistin und bewege mich da auf fremdem Terrain. Ich glaube, dass das sehr schwierig ist. Auf der einen Seite sind international die Länder aufeinander angewiesen, man braucht Gleichgewichte, man braucht Spielregeln, von denen letztlich alle profitieren. Auf der anderen Seite wird es aber immer und immer wieder Konflikte geben, weil natürlich auch die Interessen unterschiedlich sind und jeder versucht, auf dem großen Markt seine Positionen zu wahren. Also ich denke, es wird da nie so die einmal festliegenden Spielregeln geben, die dann dauerhaft unverändert bleiben.
Heckmann: Dann kommen wir zum Stichwort Basel III, Sie haben es gerade eben schon genannt. Die G20 haben beschlossen, dass sich die Banken mit mehr Eigenkapital ausstatten müssen. Inwiefern ist dieser Schritt aus Ihrer Sicht ausreichend?
Walther: Er ist ein Schritt, ein großer Schritt in die richtige Richtung. Mehr Eigenkapital bedeutet eine höhere Stabilität im Falle von Verlusten. Das ist ja ein Ausgleich zwischen dem Geschäft und den Risiken, die eine Bank hereinnimmt, und der Menge an Kapital, die sie vorhalten muss. Das heißt, das ist auch eine Beschränkung der Risiken, die eine Bank eingehen darf. Das heißt, da greift die Regelung exakt an den Stellen an, die zur Katastrophe geführt haben, nämlich dass man überschießende Risiken und zu wenig Stabilität im System hatte. Ob das ausreichend ist? Sicherlich nicht. Es sind ja auch nicht die einzigen Regeln, die jetzt beschlossen wurden. Parallel dazu gibt es ja neue Regeln bezüglich der Liquidität und auch viele andere kleine Regeln, die beschlossen wurden, oder noch in der Diskussion sind. Insgesamt muss aus dem allem dann erst ein stimmiges Ganzes entstehen.
Heckmann: In der Hochzeit der Finanzkrise hieß es immer, das große Problem war gewesen, dass die Banken teilweise einfach zu groß geworden sind, man konnte sie sozusagen nicht pleitegehen lassen, ohne einen Dominoeffekt auszulösen. To big to fail, das war das Stichwort. Die USA sind in diesem Punkt weiter, sie haben ganze Banken zerschlagen.
Walther: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Es wurde ja jetzt, was noch nicht beschlossen ist, aber in der Diskussion ist, angedacht, dass es Sonderregeln geben soll für die sogenannten systemrelevanten Banken, also genau die to big to fail. Da ist bislang auch noch gar nicht klar, wie man das überhaupt feststellen und messen kann. Auf der anderen Seite haben natürlich auch die immer komplizierter werdenden Regeln den Effekt, dass es immer schwieriger und aufwendiger wird, eine Bank zu betreiben. Insofern setzt auch die Regelung einen Anreiz dafür, dass Banken immer größer werden. Und das dann wieder durch Zerschlagungen auf der anderen Seite zu beschneiden, ist sicherlich ein sehr heikles Unterfangen.
Heckmann: Der Verdacht liegt dennoch nahe, dass die Banken beispielsweise am Standort Deutschland, oder auch in Großbritannien ihren Einfluss haben geltend machen können.
Walther: Inwiefern jetzt ihren Einfluss geltend machen?
Heckmann: Dahin gehend, dass striktere Regeln eben nicht durchgesetzt wurden und gar nicht mehr auf die Agenda gesetzt wurden.
Walther: Nicht unbedingt. Eine große Einflussnahme gab es sicherlich neben der Frage, wie viel Eigenkapital die Banken vorhalten müssen. Da gab es ja auch eine sehr große Diskussion und auch ganz wesentliche Neuregelungen, welche Instrumente denn als Eigenkapital zählen. Da hat es Vorschläge gegeben, die insbesondere für bestimmte deutsche Banken sehr problematisch gewesen wären, und dort wurde Einfluss geltend gemacht und auch Dinge in gewisser Weise korrigiert. Aber natürlich hat die Regulierung immer Auswirkungen auf die mögliche Geschäftstätigkeit und auch auf Wettbewerbsvorteile, und dass in dem Prozess jedes Land und jede Bankengruppe und andere Interessensgemeinschaften natürlich versuchen, ihre Interessen geltend zu machen, ist, glaube ich, erst mal nicht unlauter.
Heckmann: Frau Walther, die Bundesregierung hatte sich auch für eine internationale Finanztransaktionssteuer eingesetzt. Die sollte Spekulationen eindämmen, auch auf internationaler Ebene. Von diesem ganzen Projekt ist keine Rede mehr. Zurecht aus Ihrer Sicht?
Walther: Ich finde es eigentlich eher schade. Es hat sich wohl gezeigt, dass schon auf der europäischen Ebene die Idee einer Finanztransaktionssteuer nicht durchsetzbar ist. Insofern ist es dann vielleicht einfach auch klug, solche Themen nicht weiter zu forcieren, und sich auf das zu konzentrieren, was auch wichtig ist und umsetzbar ist. Die Frage, wie schnell ein Finanzsystem funktionieren muss und ob es da nicht Sinn machen könnte, durch etwa so eine Steuer etwas Sand ins Getriebe zu bekommen und das etwas langsamer zu gestalten, ist meiner Ansicht nach schon eine sehr sinnvolle und wichtige Idee. Aber vielleicht braucht die auch länger.
Heckmann: Ganz kurz zum Abschluss vielleicht. Wenn Sie einen Strich machen, würden Sie sagen, mit den Maßnahmen, die getroffen wurden, ist eine Wiederholung der Finanzkrise in Zukunft ausgeschlossen?
Walther: Nein! Ganz klares nein! Man hat jetzt korrigiert an den Punkten, die man jetzt gesehen hat. Die Historie zeigt, dass die nächste Krise immer an der Stelle ansetzt, die man übersehen hat. Insofern ist die eigentlich große Frage, was übersieht man gerade.
Der andere Punkt ist: Banken sind ihrem Wesen nach immer instabil und haben immer dieses inhärente Risiko einer Systemkrise. Das wird man nie ganz ausschließen können. Und insofern wird es vermutlich auch eine nächste Krise geben. Wir wissen nur nicht wann.
Heckmann: Über die Beschlüsse von Seoul haben wir gesprochen mit Professorin Ursula Walther von der Frankfurt School of Finance and Management. Frau Walther, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Walther: Vielen Dank!