Archiv

Ein Jahr EU-Türkei-Abkommen
Ernüchternde Bilanz eines umstrittenen Deals

Vor einem Jahr trat der EU-Türkei-Deal in Kraft, der den Zustrom von Flüchtlingen über die Türkei in die EU verringern sollte. Tatsächlich sind die Zahlen zurückgegangen - rund 9.000 Menschen sitzen aber noch immer in Camps auf den griechischen Inseln fest. Und: "Wer Geld hat, der kommt immer noch nach Europa", sagt ein Schlepper.

Von Rodothea Seralidou und Luise Sammann |
    Eine deutsche Frontex-Beamtin und ein griechischer Beamter suchen bei Mytilini auf der griechischen Insel Lesbos das Meer nach Flüchtlingsbooten ab.
    Eine deutsche Frontex-Beamtin und ein griechischer Beamter suchen bei Mytilini auf der griechischen Insel Lesbos das Meer nach Flüchtlingsbooten ab. Derzeit kommen nur wenige. (imago / Markus heine)
    Im Flüchtlingscamp von Moria auf Lesbos. Jeder, der auf der Insel ankommt, muss sich hier registrieren. Die meisten müssen hier bleiben, bis ihr Asylantrag bearbeitet wurde - oder bis sie abgeschoben werden. Diego Kidane lebt schon seit fast einem Jahr in Moria. Der 36-jährige Eritreer sitzt zusammen mit zwei seiner Landsleute vor einem weißen Zelt und zeigt Fotos auf seinem Smartphone.
    Auf seinem Smartphone ist Kidane vor einem zugeschneiten Zelt zu sehen. So sah es im Camp im Winter aus, sagt der schlanke Mann. Auch ohne Fotos würde er diese Zeit nicht so leicht vergessen:
    "Vier junge Menschen sind damals in einer Woche gestorben. Das Wasser kam in unsere Zelte rein, wir haben auf dem Boden geschlafen, hatten nur Decken. Jetzt haben sie für Familien mit Kindern Containerhäuschen aufgestellt. Und die kranken Leute wurden in andere Camps verlegt, ins Camp von Karatepé zum Beispiel, oder sie wurden in Hotels untergebracht. Die jungen Männer aber leben noch in den Zelten. Hier wohne ich also, das ist mein Zelt! Und es ist immer noch so kalt!"
    Diegos Zelt befindet sich im sogenannten "Olive Grove", dem Olivenhain außerhalb der Stacheldrahtzäune des Camps. Er wurde zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen hierher verlegt, weil innerhalb der Zäune Arbeiten stattfinden, sagt er. Und nur deshalb können wir mit ihm reden. Denn ins Camp dürfen Journalisten seit längerem nicht hinein. Die offizielle Begründung: "Das belastete Programm von Moria".
    "Es ist wie in Guantanamo"
    Tatsächlich befindet sich das Camp gerade im Umbau: Alle Zelte sollen bald durch Containerhäuschen ersetzt werden. Diego hat schon fast ein Jahr im Zelt ausharren müssen. Er fragt sich, warum er überhaupt so lange auf seine Papiere warten muss:
    "Ich hatte schon mein Interview bei der Asylbehörde, ich warte aber noch auf das Ergebnis. Ohne Papiere darf keiner die Insel verlassen. Hier in Moria ist es wie in Guantanamo: Es ist hart! Ich weiß sehr gut, wovon ich spreche: Jeden Tag bekommen wir Reis. Wie kann man sich ausschließlich mit Reis ernähren? Wenn wir uns waschen wollen, müssen wir uns in der Schlange anstellen. Dasselbe fürs Essen. Im Moment bin ich hier wie im Gefängnis."
    Dann kommen zwei Männer in Militäruniform. Wir müssen unser Gespräch abbrechen.
    So wie Diego Kidane stecken die meisten Flüchtlinge, wenn sie in Griechenland ankommen, erst einmal für längere Zeit auf den Inseln fest. Nach dem EU-Türkei-Abkommen vom 18. März letzten Jahres dürfen sie nur aufs Festland, wenn ihr Asylbescheid positiv ausfällt oder sie als besonders schutzbedürftig eingestuft werden, wie zum Beispiel schwangere Frauen oder besonders kranke Menschen. Rund 10.000 Menschen wurden so bisher aufs Festland gebracht.
    Doch immer noch warten nach Angaben des UNHCR rund 9.000 Menschen auf den fünf Ägäis-Inseln vor der türkischen Küste - auf Lesbos, Chios, Kos, Samos und Leros. Das Warten nagt zwar an den Menschen, es sei aber nicht zu vermeiden, sagt Maria Stavropoulou, Leiterin der griechischen Asylbehörde:
    "2016 hatten wir insgesamt 51.000 Asylanträge, das sind fast dreimal so viele wie noch ein Jahr zuvor. Allein auf den Inseln haben nach dem Inkrafttreten des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei im März letzten Jahres 16.000 Menschen einen Asylantrag gestellt. Da gibt es noch einen Rückstau von 4.000 Anträgen, die noch nicht bearbeitet wurden."
    Die Asylbehörde konnte mit diesem plötzlichen Anstieg der Asylanträge nicht rechnen, sagt Stavropoulou. Denn bis zum EU-Türkei-Deal und dem Schließen der Balkanroute wollten die wenigsten Flüchtlinge in Griechenland Asyl beantragen. Sie wollten weiter, vor allem nach Deutschland. Inzwischen habe man aber mehr Personal eingestellt:
    "Wir hatten 150 Mitarbeiter, mittlerweile kommen wir auf 670. Die Einstellungen sind mit EU-Geldern gemacht worden. Und auch die europäische Asylbehörde EASO unterstützt uns bei der Bearbeitung der Anträge. Obwohl: Da hatten wir weitaus mehr Experten erwartet.
    Die EU-Kommission hatte 400 Experten angekündigt, aber davon sind nur 60 eingetroffen. Immerhin hat EASO nun auch Griechen eingestellt, damit die europäische Behörde in Griechenland zumindest auf hundert Mitarbeiter kommt."
    Stavropoulou sagt, auch die nötige Infrastruktur sei mittlerweile geschaffen, neue Büros seien eröffnet worden. Stavropoulou ist optimistisch, dass ihre Behörde die Asylanträge bald viel rascher abarbeiten kann. Unter einer Bedingung:
    "Das geht natürlich nur, wenn die Flüchtlingsströme so bleiben wie sie sind. Wenn morgen wieder mehr Flüchtlinge ankommen, dann müssen wir die ganze Planung noch mal überarbeiten. So etwas kann man aber nicht voraussehen."
    Zu Besuch in "Klein-Damaskus"
    Tatsächlich kommen im Moment nur noch wenige Flüchtlinge am Tag auf den griechischen Inseln an, manchmal nicht ein einziger. Das beweise, dass die Türkei ihrer Verpflichtung nachgehe, ihre Küste zu kontrollieren, sagt Panos Karvounis, Sprecher der EU-Kommission in Griechenland.
    "Wir glauben, dass diese Formel, die ausgesucht wurde, um die Flüchtlingsströme von der Türkei aus nach Europa zu stoppen, aufgeht. Noch vor dem Abkommen mit der Türkei hatten wir im Durchschnitt 4.000 Neuankömmlinge am Tag, nach dem Abkommen sind es im Durchschnitt nur 80. Das ist ein riesiger Unterschied."
    Dieser "Unterschied" macht sich auch auf der anderen Seite der Ägäis bemerkbar: Aksaray Meydani heißt ein von verkehrsreichen Straßen umgebener Platz im Zentrum Istanbuls, den fast jeder syrische Flüchtling auf seiner Reise nach Europa einmal passiert. Jahrelang florierte in Aksaray das Geschäft der Schlepper, die ihre menschliche Ware von hier mit Kleinbussen an die türkische Küste brachten. Aksaray galt als die Schlepperbörse in der Türkei. Tante-Emma-Läden spezialisierten sich auf den Verkauf von Schwimmwesten, arabisch sprechende Makler boten Wohnungen, Zimmer oder auch Betten für die vielen Durchreisenden.
    "Sie nennen unser Viertel hier "Klein-Damaskus",
    sagt Fatih, ein zwei Meter großer Türke, der in einer Seitenstraße einen Handyladen betreibt.
    "Schauen Sie sich doch um: all die arabischen Cafés und Imbisse. Und hier, gleich gegenüber, das Restaurant Anas. Das war schon in Syrien berühmt. Jetzt ist es in Aksaray. Klein-Damaskus eben."
    Schon vor Jahren hat Fatih syrische Aushilfen eingestellt, um die vielen arabischen Kunden zu bedienen, die jeden Tag in seinen Laden kommen. Mal, um nach gebrauchten Handys zu fragen, mal um Guthaben für Anrufe nach Syrien zu kaufen. In Aksaray fühle er sich zuhause, sagt Ala aus Idlib im Norden Syriens, der bei Fatih arbeitet. In den letzten Monaten sei es deutlich ruhiger hier geworden.
    "Bis vor einem Jahr war es hier viel, viel voller. Jeden Tag sah man hier Familien auf der Durchreise. 3.500 Leute brachen jeden Tag nach Griechenland auf. Damit ist längst Schluss. Und auch von den vielleicht 2.000 Schleppern, die sich hier früher herumtrieben, sind nur noch ein paar wenige übrig."
    Tatsächlich weiß jeder in Istanbul, was es mit den dunklen Gestalten in Lederjacken auf sich hatte, die einst Tag und Nacht auf dem Aksaray-Platz herumhingen, in den kleinen Teehäusern rundherum über Preise und Routen verhandelten. Täglich kauften sie bei Fatih und Ala packenweise Prepaid-Simkarten, die sie nach einmaliger Benutzung in den Müll warfen, um nicht geortet werden zu können.
    Geld öffnet jede Tür
    Flüchtlinge sind aus dem Lager Moria geflohen. Dort war an mehreren Stellen feuer ausgebrochen. Erwachsene und Kinder sitzen auf einem Feld.
    Bis zu 7.000 Dollar müssen Menschen mittlerweile zahlen, um von Schleppern von der Türkei in die EU gebracht zu werden - um dann in Lagern wie Moria auf ein Weiterkommen zu warten. (DPA /Stratis Balaskas )
    Heute muss man länger suchen, um einen von ihnen zu finden. Manar nennt sich der schmächtige junge Mann aus Damaskus, der in einem Friseursalon am Aksaray-Platz sitzt – im Spiegel beobachtet, wie der Rauch seiner Zigarette zur Decke aufsteigt.
    "Die meisten Flüchtlinge sind längst in Europa. Nur noch wenige hängen hier fest, weil die Preise so wahnsinnig angestiegen sind, seit sie die Kontrollen verschärft haben. Der Weg über die Inseln mag erst einmal dicht sein. Aber ich sage Ihnen etwas: Geld öffnet jede Tür. Wer Geld hat, der kommt immer noch nach Europa."
    Manar weiß, wovon er spricht. Auf seinem Mobiltelefon zeigt er Fotos von seiner letzten Tour nach Griechenland. Nicht auf den Inseln hat er seine "Ware" abgeliefert – eine Gruppe von fünfzehn jungen Syrern – sondern direkt auf dem Festland. Wegen der Situation auf Lesbos, Samos und Co, der verschärften Kontrollen und der insgesamt gestiegenen Angst vor dem Seeweg sei der Weg über die griechisch-türkische Landgrenze zuletzt wieder in Mode gekommen, so Manar. In der Nähe der Stadt Edirne passiere man den Grenzfluss Evros und erreiche nach knapp zweistündigem Fußmarsch die Kontaktmänner in Griechenland.
    Die übernähmen dann, versorgten die Reisenden mit spanischen oder italienischen Pässen und setzten sie in Thessaloniki ins Flugzeug nach Deutschland oder in die Schweiz. Mit dem überlasteten griechischen Asylsystem kämen diese First-Class-Kunden, wie Schlepper Manar sie nennt, nie in Kontakt.
    "Ich sage Ihnen ja, mit Geld kann man jede Tür öffnen. Völlig egal, ob es einen Flüchtlingsdeal gibt oder nicht. Aber natürlich halten die neuen Preise die Massen ab. Ich mache diesen Job seit vier Jahren. Damals konnten Sie noch für 700 Dollar von Istanbul nach Deutschland kommen. Heute brauchen Sie gut zehn Mal so viel."
    Mehr als 7.000 Dollar – Medizinstudent Mahmut steigen die Tränen in die Augen, wenn er daran denkt, wie lange er arbeiten muss, um so viel Geld aufzubringen. Der 27-Jährige sitzt vor der Moschee von Aksaray auf einer Holzbank, lauscht dem Freitagsgebet, das jetzt zur Mittagszeit per Lautsprecher über den Platz schallt.
    Eigentlich, sagt Mahmut, fühle er sich in der Türkei wohl. Die Moscheen, das Familienbild, die Werte ... Kulturell zieht es den gläubigen Moslem nicht nach Europa. Und doch sieht er keine andere Möglichkeit, solange die muslimischen Länder ihre Grenzen nicht öffnen und auch die Türkei den Syrern keine wirkliche Chance gibt. Merkel ist die Einzige, die uns wie Menschen behandelt hat, sagt Mahmut. "Mama Merkel" nennen sie sie in Aksaray – immer noch.
    "In Deutschland geben sie dir ein Dach über dem Kopf, ein Taschengeld und die Möglichkeit, die Sprache zu lernen, später zu arbeiten. Aber hier hast du nicht mal etwas zu essen, wenn du keine Arbeit findest. Und selbst dann ist es schwer. Ich arbeite jeden Tag von 12 Uhr mittags bis Mitternacht, auch am Wochenende. Alle drei Wochen habe ich einen Tag frei."
    Mahmut schuftet in einem Istanbuler Restaurant als Tellerwäscher. Schwarz, wie fast alle seine Landsleute hier. Von dem türkischen Versprechen, den Syrern Arbeitsgenehmigungen zu gewähren, hat er bisher nichts bemerkt. Mit dem Geld aus der EU wird zwar die Situation der Syrer in den Grenz-Camps verbessert – nicht aber die Lage der etwa 80 Prozent Flüchtlinge, die sich allein durchschlagen, wie Mahmut.
    Ein Mechanismus, der abschreckend wirken soll
    Dabei könnten doch syrische Flüchtlinge durchaus auf legalem Weg nach Europa kommen, sagt Panos Karvounis, Sprecher der EU-Kommission in Athen. Auch das sieht das Abkommen mit der Türkei vor:
    "Die Flüchtlinge können sich direkt in der Türkei registrieren, um dann nach Europa zu gelangen. Wer aber erst nach Griechenland kommt und dann in die Türkei zurückgeschickt wird, der wird als letzter auf die Liste gesetzt."
    Der Mechanismus soll also abschreckend wirken: Wer es versucht, soll bestraft werden, wer nicht, wird belohnt. Für Menschenrechtsorganisationen ist dieser Umgang mit Menschen auf der Flucht inakzeptabel, sagt Iraklis Aktypis, Sprecher von Amnesty International in Athen:
    "Alle Menschen, die einen Anspruch auf internationalen Schutz haben, sollten gleich behandelt werden. Diese Eins-zu-Eins-Politik diskriminiert aber diejenigen, die schon in Griechenland angekommen sind. Das zeigt, dass es der EU nicht um die Wahrung der Menschenrechte, sondern nur um Zahlen geht und darum, dass weitaus weniger Asylsuchende europäischen Boden betreten."
    Die Rechnung des Deals – für jeden Syrer, der aus der Türkei regulär Asyl beantragt, muss einer von Inseln zurückgeschickt werden - geht sowieso nicht auf. Von den rund 15.000 Flüchtlingen und Migranten, die nach dem EU-Türkei-Abkommen auf den griechischen Inseln registriert wurden, sind bisher weniger als 900 in die Türkei abgeschoben worden - darunter kaum Syrer. Woran liegt das? Panos Karvounis von der EU-Kommission erklärt:
    "Damit ein Flüchtling in die Türkei abgeschoben werden darf, muss die Asylbehörde prüfen, ob die Türkei ein sicherer Drittstaat ist. Jetzt erst kommen auch für syrische Flüchtlinge mehr ablehnende Asylbescheide in zweiter Instanz raus; also gehen wir davon aus, dass bald auch mehr Rückführungen stattfinden werden."
    Das Ganze wäre viel einfacher, wenn Griechenland die Türkei von vornherein als sicheren Drittstaat anerkannt hätte, sagt Karvounis. Die bisherige Erfahrung zeige, dass die Flüchtlinge in der Türkei tatsächlich nichts zu befürchten hätten, so der Sprecher der EU-Kommission.
    "Jetzt, wo die Flüchtlinge zurückgeführt werden, stellen wir fest, dass die Rechte dieser Menschen gewahrt werden. Es gibt die großen Menschenrechtsorganisationen, die in der Türkei arbeiten und uns darüber informieren können, wenn es Probleme gibt. Also können wir das Fazit ziehen, dass die Türkei die Menschenrechte der Flüchtlinge wahrt und ein sicherer Ort für sie ist."
    Kritik von Menschenrechtsaktivisten
    Das sehen Menschenrechtsaktivisten anders: Das Abkommen mit der Türkei sei nicht nur rechtswidrig, sondern auch unmoralisch, sagt Iraklis Aktypis von Amnesty International:
    "Das Abkommen ist illegal, weil es elementare Grundsätze des Flüchtlingsrechts verletzt. Unsere Studien haben gezeigt, dass die Türkei Menschen in ihre Heimatländer abschiebt, obwohl sie dort in Gefahr sind, nach Syrien und Afghanistan zum Beispiel. Und sie gewährt den vollen Schutz der Genfer Konvention nur europäischen Flüchtlingen."
    Syrische Flüchtlinge hätten aber nur einen temporären Schutz und sollten deshalb nicht zurückgeschickt werden. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, kurz UNHCR, differenziert an dieser Stelle. Roland Schönbauer, UNHCR-Sprecher in Athen:
    "UNHCR kann auch damit leben, dass Syrer in die Türkei zurückgebracht werden, mit dem vorübergehenden Schutz, wie das heißt. Das heißt, sie haben dort eine medizinische Versorgung, ein Quartier und auch Zugang zum Arbeitsmarkt. Wo wir Probleme haben, sind die Rückführungen anderer Nationalitäten in die Türkei, weil deren Asylsystem noch nicht so weit ist."
    Stürmische Zeiten
    Insgesamt ist die EU-Kommission der Meinung, dass die Türkei den Willen habe, sich an das Abkommen zu halten, das in dieser Woche ein Jahr alt wird. Doch fällt dieser Geburtstag in stürmische Zeiten: Die Wahlkampf-Polemik der Erdogan-Regierung gegen Deutschland, die Niederlande und Österreich ist stets mit der Drohung durchwirkt, die syrischen Flüchtlinge wieder durchzulassen. Es scheint daher zunehmend fraglich, ob das Abkommen bis zum 16. April, dem Tag des umstrittenen Referendums in der Türkei, noch hält.
    Ein Flüchtlingskind sitzt in einem griechischen Flüchtlingscamp im Schnee.
    Bilder wie diese sind heute kaum noch präsent - dennoch leben viele Flüchtlinge bei Eis und Schnee noch immer unter einfachsten Bedingugnen. (imago stock&people)
    Noch aber ist zum Beispiel im Flüchtlingscamp von Karatepe auf Lesbos die Lage in Ordnung. Jedenfalls hat sich die Situation seit dem EU-Türkei-Deal sehr verbessert. Das Camp beherbergt vor allem Familien. Stavros Myrogiannis, der Camp-Manager, sieht aus dem Fenster die Kinder, die gerade Fußball spielen. Der 48-Jährige erinnert sich an die Schwierigkeiten, mit denen er anfangs konfrontiert war:
    "Als das Camp im April 2015 eröffnete, kamen noch so viele Menschen, dass wir große Schwierigkeiten hatten: Die Zelte haben nicht ausgereicht, die Toiletten auch nicht, wir hatten große Probleme!
    Heute haben wir 850 Menschen, die hier in Containerhäuschen leben, haben Freizeitaktivitäten für Groß und Klein, die Kinder gehen zur Schule, und jeden Samstag haben wir eine Community-Party, wie wir sie nennen, wo wir zu einer Einheit, zu einer Familie werden."
    Doch auch in Karatepé fällt das Warten den Menschen nicht leicht. Die Ungewissheit werde von Tag zu Tag größer, sagt diese junge Afghanin:
    "Ich warte auf meine Papiere, ich weiß aber nicht, wie es ausschaut. Wir warten jeden Tag, wir sind es satt. Wir warten und warten, von Tag zu Tag."
    Camp-Manager Myrogiannis weiß, dass das Camp nur ein Zwischenstopp für die Flüchtlinge ist. Er konzentriert sich auf seine Arbeit, sagt er, und überlässt die politischen Entscheidungen denen, die sie fällen:
    "Wir versuchen, den Menschen hier ein würdevolles Leben zu bieten. Das ist unser Job, bis sie ihren Asylbescheid bekommen oder aber abgeschoben werden - um die Dinge beim Namen zu nennen. Bei allem anderen können wir uns nicht einmischen. So sind wir nützlich für die EU und für die Menschen hier auch."